Come Out and Play – Kritik

Ein gutes Remake zu machen ist kein Kinderspiel. Makinov setzt bei der Neuverfilmung von Ein Kind zu töten auf extreme Originaltreue.

Come Out And Play 06

2009 ging ein Aufschrei der Begeisterung durch die deutsche Anhängerschaft des kontroversen Films. Nach über 2o Jahren wurde Narciso Ibáñez Serradors Ein Kind zu töten (¿Quién puede matar a un niño?) von 1976, in dem Kinder auf einer Insel tödliche Jagd auf Erwachsene machen, vom Index genommen und in Deutschland erstmals in ungekürzter Fassung auf DVD vorgelegt. Der Mut, ein Tabuthema aufzugreifen, die Brillanz, mit der auf Atmosphäre gesetzt wird, oder die Anregungen, über das Konzept „Kind“ und dessen Stellenwert in der Gesellschaft nachzudenken, ließen die Produktion übergreifend höchste Anerkennung finden: Sie gilt als Meisterwerk und Meilenstein des Horrorgenres, nach dem deutschen Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger sogar als eine „Perle des europäischen Kinos“.

Ein Remake eines so hochgelobten Klassikers ist immer ein äußerst heikles Unterfangen, das bei Fans meist schon aus Prinzip auf Ablehnung stößt. Der exzentrische Regisseur Makinov, der sein Gesicht stets unter einer Maske verbirgt, schien sich dadurch absichern zu wollen, sich extrem nah ans Original zu halten. Seine Neuverfilmung Come Out and Play wirkt beinahe eins zu eins nachgestellt.

Come Out And Play 08

Francis (Ebon Moss-Bachrach) und seine Frau Beth (Vinessa Shaw) verbringen ihren Urlaub in einem mexikanischen Küstenstädtchen. Da der Karnevalstrubel dort der hochschwangeren Beth wenig bekommt, machen sie sich per Motorboot auf zu einer nahe gelegenen Insel. Wenn während der Überfahrt nach zehn Filmminuten der Vorspann einsetzt, ist das einer der eindrucksvollsten Momente. Makinov beweist hier im Zusammenspiel von eingeblendeten Credits, sich überlagernden Kameraeinstellungen und einem sphärischen Score ähnliches Gespür wie Serrador, unheilvolle Stimmung inmitten eines idyllischen Settings zu erzeugen.

Come Out And Play 02

Diese Atmosphäre wird nach der Ankunft auf der Insel aufrechterhalten. Beth und Francis lassen sich zwar zunächst nicht davon aus der Ruhe bringen, dass sie vereinzelt nur einige Kinder, aber keine Erwachsenen vorfinden. Der Zuschauer hingegen ist längst alarmiert. Beziehen andere Urlaubsschocker ihre Spannung häufig aus dem Kippmoment zwischen freudig-aufregendem Ferientrip und plötzlich eintretendem Horrorszenario, ist hier das Grauen trotz paradischer Kulisse von Beginn an präsent. Die Bilder, in denen die beiden Protagonisten mit wachsendem Unbehagen die verlassenen Straßen und Gebäude des Dorfes erkunden, machen die gleißende Sonne beinahe spürbar und transportieren eine subtile Bedrohlichkeit. Die Auftritte der Kinder erinnern an Hitchcocks Die Vögel (The Birds, 1963). Ein harmloses, normalerweise freudig konnotiertes Geräusch wie Kinderlachen gerät zum Warnsignal. Einzeln sind sie zögerlicher, als Horde lebensgefährlich.

Come Out And Play 01

Der Grundkonflikt artikuliert sich deutlich im spanischen Originaltitel der Vorlage ¿Quién puede matar a un niño?, zu Deutsch etwa „Wer ist imstande, ein Kind zu töten?“. Zwar hat das Ehepaar die Gefahr deutlich erkannt und war sogar Augenzeuge einer kaltblütigen Tötung, trotzdem kann es sich aufgrund seiner Skrupel, einem Kind Gewalt anzutun, nur schwer zur Wehr setzen. So brutal die Taten der Kinder auch sind, sie werden stets im Modus des Unschuldig-Spielerischen vollzogen. Das Monster tritt hier in der Gestalt des Unantastbaren auf. Dieser Umstand sorgt nicht nur für das eigentliche Dilemma der Helden, sondern legt auch eine zentrale Ideologie des Monsterfilms offen. Das Ungeheuer fungiert hier meist als eine Projektion des Fremden, Anderen oder Verdrängten. Die einzig mögliche Antwort auf dessen Eindringen in eine bestehende Ordnung liegt üblicherweise in der Vernichtung des Monsters, wobei das Fragwürdige dieser scheinbaren Alternativlosigkeit durch dessen abstoßende Physiognomie kaschiert wird.

Come Out And Play 03

In der Möglichkeit zu einer kritischen Lesart unterscheiden sich Come Out and Play und Ein Kind zu töten am meisten. Beide Filme wirken vor allem deswegen verstörend, weil sie keinerlei Erklärung für das Verhalten der Kinder liefern. Serradors Werk enthält jedoch einige Ansatzpunkte, das Geschehen mit realen politischen oder moralischen Problemstellungen zu korrelieren. In einem siebenminütigen Vorspann werden im Dokumentarformat episodenartig nur schwer zu verdauende Schwarzweißbilder aus diversen Kriegen abgespielt, die besonders das daraus resultierende Leid für Kinder hervorheben. Der Film beantwortet damit bereits selbst seine Titelfrage und entlarvt die später in der Handlung thematisierte Unantastbarkeit von Kindern als ein Konstrukt, das in der Realität oft keinen Platz hat. Ferner sprechen Lewis und Evelyn (wie die Eheleute hier heißen) in Zusammenhang mit dem Gedanken, dass die Welt ein zu grausamer Ort für Kinder sei, über das Thema Abtreibung.

All dies hat Makinov trotz seiner sonstigen Detailtreue nicht übernommen. Sein Remake scheint darauf aus, der Vorlage ihre diskursiven Elemente zu nehmen, um sich gänzlich auf den Horrorplot zu konzentrieren. Darüber hinaus gibt es zwei Momente in seinem Film, die sich so nicht im Original finden und mehr auf das Exploitationkino als auf den politisch beeinflussten Horrorfilm der 1970er Jahre verweisen. Zum einen werden Kinder gezeigt, die sich aus Leichenteilen unbekümmert Schmuck basteln. Das betont zwar einerseits wieder das Spielerische ihres Treibens, lässt sich aber auch als reines Schreckbild deuten, das nicht als Gegenschuss für einen Figurenblick dient, sondern ausschließlich den Zuschauer adressiert. Zum anderen scheint Makinov die handwerklichen Mängel vieler Exploitationsstreifen imitieren zu wollen, wenn er in einer Dialogszene durch einen mehrfachen, offensichtlichen Positionswechsel von Uhrzeigern im Hintergrund einen Anschlussfehler suggeriert.

Come Out And Play 04

Diese Verschiebung zwischen Original und Neuschöpfung lässt jedoch die Frage nach dem Mehrwert der Letzeren offen. In den Szenen, in denen die Kinder Erwachsene töten, gibt sie sich zeitgemäß grafischer, ist aber ansonsten immerhin ein Gegenbeispiel für den gegenüber Remakes gerne erhobenen Vorwurf, die atmosphärische Qualität des Originals durch mehr Brutalität kompensieren zu wollen. Schließlich kopiert Makinov den Vorgänger oftmals nicht nur Szene für Szene, sondern auch in dieser Hinsicht recht gewissenhaft. Für neue Begeisterungsschreie unter den Freunden kontroverser Filme dürfte Come Out and Play dennoch kaum sorgen.

Neue Kritiken

Trailer zu „Come Out and Play“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare


Filmliebhaber-Tom

Wenn in Horrorfilmen Kinder das Zepter an sich reißen und nach dem Leben der erwachsenen Protagonisten trachten, dürfte der interessierten Horrorfilm vermutlich einen weiteren furchterlichen Ableger des "Children of the Corn"-Franchises erahnen. Aber keine Bange, "Come Out and Play" ist meilenweit von den unzulänglichen Qualitäten der Stephen King-Serie entfernt. Hierbei handelt es sich um die Neuauflage des kontroversen, spanischen Kult-Klassikers "Ein Kind zu töten", der nun nach knapp 35 Jahren eine Rundumerneuerung erhalten hat. Überraschenderweise hat sich Regisseur "Makinov" sehr nah in die kongeniale Vorlage orientiert, sodass sich hier wenige Unterschiede zum Original erkennen lassen. Der Szenen- und Erzählaufbau gleicht sich haargenau mit dem des Originals, sodass sich hierbei vermutlich die Frage stellt, welchen Sinn letztendlich ein Remake besitzt, wenn es doch eigentlich nichts wirklich bahnbrechend Neues zu berichten hat. Dennoch sollte sich trotz kleiner Schnitzer jeder selbst ein Bild von "Come Out und Play" zusammenbasteln, denn der Film lohnt definitiv gesehen zu werden. Auch wenn es hier weitaus rabiater zur Sache geht, als es vermutlich 35 Jahre zuvor der Fall war, handelt es sich bei "Come Out and Play" um eine durchaus gelungene Neuinterpretation, die man sich als inteessierter Filmfreund schon einmal vormerken sollte.


Die komplette Review, jetzt auf Filmcheck:

http://filmchecker.wordpress.com/2013/03/08/filmreview-come-out-and-play-2013/






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.