Quakquak und die Nichtmenschen – Kritik

VoD: Aus Kindkind wird Quakquak. Bruno Dumont setzt seine so schön perfide Serie mit dem drolligen Gendarmen und dem Jungen mit der schiefen Nase fort. Schon in den ersten Minuten macht er klar, wozu Körper so dienen können.

Vier Folgen à 52 Minuten gibt es von Bruno Dumonts neuer Mini-Serie CoinCoin et les z’inhumains oder deutsch Quakquak und die Nichtmenschen – und auch sie funktionieren eher wie ein Kinofilm. Für alle, die sich wundern: Quinquin, der im deutschen Titel der Vorgängerserie zu KindKind wurde, heißt jetzt CoinCoin, einfach so. Die Zeit verändert die Aussprache, sie ist inzwischen noch mehr Herumblödelei. Die Probleme am Anfang sind passend dazu auch erst mal äußerliche: Das Nachbarsmädchen, dem Quakquak irgendwann auf magisch-eindringliche Weise die Liebe gestehen wird, ist in eine burschikose Frau verliebt, die in ihrer Bauerntracht vom Gendarmen für einen Jungen gehalten wird. Am Straßenrand, mitten in der Pampa, laufen schwarze Männer entlang, der Ordnungshüter, er sitzt, wie so oft, auf dem Beifahrersitz des Polizeiautos, hängt sich aus dem Fenster und kneift, wie so oft, die Augen kritisch und/oder manisch zusammen.

Der größte Trick des burlesken Theaters

Es sind keine zehn Minuten der ersten Episode von Quakquak vergangen, da hat Dumont seinen ländlichen Kommandanten der Gendarmerie nationale Van der Weyden und vor allem den Körper des Laiendarstellers Bernard Pruvost schon in eine Reihe aktueller Debatten manövriert, ohne dass sie freilich zur Debatte würden. Vielleicht ist das der größte Trick dieses burlesken Theaters: Solange es im Kern immer entweder ums Mienenspiel oder um die Akrobatik der physischen Subjekte geht, ist das Gesprochene mehr Materie denn Thema. Später, aber nicht minder wichtig, kommt eine mit den Codes von Rechtsextremen arbeitende Partei hinzu. „Le bloc“ heißt sie, und natürlich besteht sie aus lauter einzelnen Vertretern, die zu Comicfiguren gereichen.

Die Frage nach dem politisch Korrekten, Gender-Identitäten, der Umgang mit Homosexualität auf dem Land, Armut und Fremdenhass, Politik als Vehikel der Eingrenzung … Lauter Themen für konservative Medien, die sich von liberalen Menschen umzingelt behaupten. Statt diese Neurosen aufzunehmen, um sie zu diskursivieren, lässt Quakquak und die Nichtmenschen sie diffundieren. Filmisch ist tatsächlich alles darauf ausgerichtet, Durchlässigkeit herzustellen. Als wären all diese Themen Gespenster, die nur bleiben, wenn man an sie glaubt, verwandeln sie sich wie alles hier in physische Objekte, mit denen es zu spielen gilt. Dafür sorgt nicht zuletzt der Schlamm, der in Quakquak das vermutlich wichtigste Utensil gleich nach den Körpern der Darsteller ist. Denn, der Titel verrät es schon, etwas Außerirdisches mischt sich in die nordfranzösische Provinz: Ölartiger Schlamm fällt vom Himmel, bildet blubbernde Pfützen und sorgt für das ein oder andere Blackface.

Lust an der Menschlichkeit

Durchlässig ist Quakquak in seiner Art, Fremdkörper als Genreversatzstücke einzuführen, wie den Schlamm als Sci-Fi/Fantasy-Element, um dann aber den Blick zu weiten. Immer wieder findet man sich in Blickverschiebungen ohne klares Ziel wieder, in totalen Einstellungen, die vom Komödiantischen weggehen, getragen vor allem von einem bizarr-gedehnten Rhythmus, der die Pointen regelmäßig verhindert oder im Gegenteil strapaziert, bis sie ihren Witz verlieren. Dass hier Komik und Tragik zusammenwirken, ist nichts Neues. Doch wie sehr Dumont darauf setzt, dass vor der Kamera ein Eigenleben im Spiel entsteht, das ist dann doch ungewöhnlich. Es verleitet dazu, die Darsteller ernster zu nehmen und sie dabei zu beobachten, wie sie in ihre Rollen hineinfinden oder, was öfter der Fall ist, wie sie aus ihnen herausragen.

Im Verhältnis zu Dumonts Anfängen wie den großartigen La vie de Jésus (1997) und L’humanité (1999), die zum getragen Naturalistischen tendierten und intensive Momente der Entfremdung boten, in ihrer Filmsprache aber selten Zweifel zuließen, ist das eine gewaltige Veränderung. Selbst die Quakquak näher stehenden Komödien der letzten Jahre wie Kindkind (P’tit Quinquin, 2014) und Die feine Gesellschaft (Ma Loute, 2016) funktionierten deutlich geschlossener. Vielleicht saßen ihre Hiebe fester, aber das ist ja nicht alles auf dieser Welt. Die Faszination fürs Spirituelle und Transzendente schwingt bei Dumont seit jeher mit, die Lust an der Menschlichkeit, die Quakquak ausstrahlt, war noch nie so deutlich wie hier.

Überall eigenartige Menschen

Bernard Pruvost mit seinen buschigen Augenbrauen, seinem durchdringend-abwesenden Blick, der zerfurchten Stirn, den vielen mimischen Macken und dem slapstickhaften Gang hat eine zweifelsohne bemerkenswerte Physiognomie. In Abstufungen stimmt das für alle Menschen, die hier vor der Kamera landen. Die Art, wie sie noch mehr als in Kindkind zu Akteuren werden, birgt viele Gelegenheiten zur Irritation. Überall eigenartige Menschen, abstrus, verstrahlt, gegen Wände laufend, Unfälle bauend, emotionslos küssend, abgehackt laufend, schief stehend. Die Genregewänder rutschen ab und legen immer wieder den Blick darauf frei, was dieses Andere, das Fremde, ist: wir. In einer Welt der Möglichkeiten, der Nähe, des Verständnisses, des absurden Miteinanders und der übernatürlichen Entwicklung sind die Fremden stets die Zuschauer, jene, die unterscheiden, trennen, außen bleiben. Bis wir damit aufhören.

Die Serie steht bis zum 09.09.2022 in der Arte-Mediathek.

Zur ersten Staffel der Serie geht es hier.

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