Caught Stealing – Kritik

Ein cooler Barkeeper im Sog der New Yorker Unterwelt: Regisseur Darren Aronofsky inszeniert Caught Stealing als atemlose Gaunergeschichte und lässt seinen gewohnten Fatalismus weitgehend hinter sich. Ein Film, der in seinen besten Momenten wirkt wie aus der Hüfte geschossen.

Hanks Reich ist eine schummrige Kneipe in der Lower East Side. Mit ärmellosem Hemd, umgedrehtem Cap und Spaß am Job sorgt er hier kumpelhaft, aber bestimmt für Ordnung. Als sich eine Gruppe Feiernder im Rhythmus der Musik wiegt, erinnert sie der Barkeeper an das kürzlich – also Mitte der 90er – von Bürgermeister Rudy Giuliani reanimierte Cabaret Law, dass das Tanzen in Lokalen ohne entsprechende Lizenz verbietet. Um die Gäste zu beschwichtigen, gibt Hank ihnen eine Runde Schnaps aus, bevor er sie schließlich nach Hause schickt.

Party- und Katerstimmung gehen in Darren Aronofskys neuem Film nahtlos ineinander über. New York befindet hier an der Schwelle zu einer neuen Ära: Die Gentrifizierung verändert langsam das Gesicht der Stadt und bald wird sie nicht nur weniger abgefuckt und gefährlich sein, sondern auch weniger lustig. Hanks Blauäugigkeit gegenüber dem Kommenden äußert sich in einem wiederkehrenden Witz über seinen ITler-Nachbar und dessen absurder Tätigkeit („He builds websites?!“).

Caught Stealing setzt der verblassenden Grindigkeit der Stadt ein Denkmal. Das schlägt sich schon beim Cast nieder, etwa durch die Besetzung von Carol Kane und Griffin Dune, die beide ihre Spuren im New Yorker Kino der 80er hinterlassen haben. Letzterer, das dürfte kein Zufall sein, spielte auch die Hauptrolle in Martin Scorseses After Hours, der ebenfalls, wenn auch deutlich surrealer, von einer abenteuerlichen Odyssee durch den Big Apple erzählt.

Zu cool für die brüchige Welt

Der mit seinem spitz zulaufenden Mund und den sinnlich schläfrigen Augen unverkennbare Austin Butler spielt Hank als All-American-Dude. Am Anfang ein wenig zu cool, selbstgewiss und obercheckerhaft, um in diese brüchige Welt zu passen, so dass man sich schnell fragt: Was ist seine Achillesferse? Zunächst einmal die Liebe. Hanks Freundin Yvonne (Zoë Kravitz) wirkt mit ihrem frechen, gegelten Pony, den Baggy-Jeans und dem bauchfreien Top wie das perfekte Gegenstück zu ihrem Boyfriend. Zur Begrüßung lässt sie gleich mal die gepiercten Möpse blitzen, später entfachen provokativ spielerische Wortduelle ein erotisches Knistern zwischen den beiden. Allerdings verliert der Film schnell das Interesse an dieser Beziehung.

Hilflos und verletzlich wirkt Hank auf einmal, als er schweißdurchnässt aus einem Alptraum erwacht. Über Rückblenden-Fragmente, die uns mit „Rock You Like A Hurricane“ von den Scorpions in Hanks Zeit als College-Baseballstar zurückwerfen, kommen wir der Tragödie, die sein Leben bestimmt hat, allmählich auf die Spur. Bevor jedoch das Trauma aus der Vergangenheit ausgegraben wird, kommt Hank in der Gegenwart erstmal in eine ausweglose Situation, die sich nicht mit ein paar Schnäpsen lösen lässt: Als er für seinen Nachbarn, einem exzentrischen britischen Punk (Matt Smith), dessen zickige Katze („she's a biter“) hüten soll, bekommt er es kurz darauf mit glatzköpfigen russischen Brutalos, einem dandyhaften Latino-Gangster, zwei kaltblütigen orthodoxen Juden und einem Hardboiled-Detective zu tun. Dabei geht es um Drogen, um Geld und um einen geheimnisvollen Schlüssel; für Hank aber zuallererst ums nackte Überleben.

Augenzwinkernd wird das Tragische ins Komische gepeitscht

In Filmen wie Requiem for a Dream, The Wrestler, Black Swan oder zuletzt The Whale widmete sich Darren Aronofsky immer wieder Protagonisten, die durch einen dunklen, selbstzerstörerischen Trieb in eine unaufhaltsame Abwärtsspirale manövriert werden. Hank scheint da keine Ausnahme zu sein. Nachdem er ins Krankenhaus geprügelt wurde, trägt er nicht nur eine offene Verletzung mit sich rum, sondern muss auch dem Alkohol abschwören – was für ihn als Alkoholiker alles andere als einfach ist. Es dauert nicht lange, bis Hank wieder stockbesoffen ist und die Gangster ihm mit der Zange die Heftklammern aus seiner entzündeten Wunde ziehen. Caught Stealing erzählt aber nun gerade nicht davon, wie sich sein Held zunehmend zugrunde richtet. Während Aronofskys frühere Regiearbeiten oft grenzüberschreitend, abgründig und pessimistisch waren, ist Caught Stealing von ungewohnter Leichtigkeit und unverbindlicher Flüchtigkeit geprägt. Tatsächlich ist der Film in erster Linie eine Komödie.

Das Drehbuch stammt von Charlie Huston und basiert auf dem ersten von drei Büchern, die sich um die Figur des mit seiner Vergangenheit ringenden Hank Thompson drehen. Der Film hat nicht nur wegen seiner 90s-Playlist einen starken Retro-Touch und wirkt von einem rauen, nostalgischen Rock'n'Roll-Spirit aufgepeitscht. Die Inszenierung ist atemlos, augenzwinkernd und pulpy, was Caught Stealing in seinen besten Momenten wie aus der Hüfte geschossen wirken lässt. Dabei wechselt ständig der Erzählton: Mal wird mit akrobatischer Kamera die Dynamik New Yorks eingefangen, dann landen wir wieder in einem Apartment-Flur, wo man sich zwischen Running-Gags und zuknallenden Wohnungstüren wie in einer Sitcom fühlt.

Zwischen Schießbudenfiguren rennt Austin Butler um sein Leben

Je mehr der Humor im Vordergrund steht, desto stärker zeichnet sich aber auch ab, dass Aronofsky hier nicht ganz in seinem Element ist. Die kleineren Rollen sind überwiegend Schießbudenfiguren, halt so, wie man sich einen Russen, Latino, Juden etc. auf denkbar stereotype Weise vorstellt. Natürlich weiß der Film um seine Klischees, bleibt bei seinen Blödeleien aber oft allzu hölzern. Hat sich Aronofsky in der Vergangenheit eher zu ernst genommen, tut er es hier zu wenig. Manchmal fühlt man sich gar an die Untiefen ironisch polternder Gangsterkomödien erinnert, bei denen alles unverbindlich und damit auch irgendwie egal ist. Kaum wollte man sich noch gegenseitig umbringen, sitzt man schon wieder als Kumpel gemeinsam im Auto.

Diese Wurschtigkeit hat aber auch ihre Stärken. Denn lustig ist der Film immer wieder. Toll ist vor allem die Katze, die dank vermenschlichender Gegenschuss-Einstellungen das Geschehen mit abschätzigen Blicken kommentiert. Auch Butler ist sehr gut, besonders durch seine unerschöpfliche Körperlichkeit: wie er immer wieder zusammenbricht, sich aufrappelt, um sein Leben rennt, keucht schwitzt und weint – bevor er sich im Finale dem für Aronofsky sonst so typischen Fatalismus widersetzen darf. Als Thriller ist Caught Stealing ohnehin am gelungensten, besonders dann, wenn er ganz nah am Überlebenskampf seines getriebenen Helden bleibt.

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