Cat Person – Kritik

Erstsemester-Studentin datet nerdigen Mitdreißiger, hinter dessen Durchschnittstyp-Fassade ein Serienmörder stecken könnte. Cat Person legt falsche Spuren, schickt uns in unangekündigte Traumsequenzen und ist die längste Zeit eine romantische Komödie, die sich anfühlt wie ein Thriller.

Kristen Roupenians Kurzgeschichte Cat Person kam 2017 zur richtigen Zeit. Zwei Monate nachdem Ronan Farrow mit seinen Enthüllungen um Harvey Weinstein im New Yorker die #MeToo-Bewegung angestoßen hatte, waren die Gespräche um systematischen sexuellen Missbrauch auf einem Höhepunkt und die zeitgenössische Dating-Kultur auf dem Prüfstand. Roupenians Text, ebenfalls zunächst im New Yorker veröffentlicht, ging auch deshalb viral, weil sie auf eine empathische und anschlussfähige Weise die Graubereiche dieser Kultur ausleuchtet: Was braucht es eigentlich für sexuellen Konsens? Wie übersetzt sich unser digitales Verhalten in unser alltägliches, und wie groß ist die Fallhöhe dazwischen? Und vor allem: Liegen die Ängste der jungen Protagonistin in ihrem love interest begründet, oder in ihr selbst?

Erfundene Katzen

Susanna Fogels Verfilmung beginnt hingegen mit einem Zitat der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood: „Men are afraid that women will laugh at them. Women are afraid that men will kill them.“ Cat Person gibt damit den Holzschnitt vor, den die ideal gecastete Besetzung in den folgenden knapp zwei Stunden ausmalen darf: Margot (Emilia Jones) studiert tagsüber im ersten Semester am College und arbeitet abends in einem Kino, das Filmklassiker zeigt. Dort lernt sie Robert (Nicholas Braun) kennen, einen etwas ungelenken Mittdreißiger – sie stellt sich vor, wie sie sich mutig neben den Gast ins Kino setzt. Nach dem Film fragt Robert nach ihrer Nummer, es entspinnt sich ein verführerischer Chat, schließlich ein Date. Seine nerdiness und sexuelle Unerfahrenheit reizen Margot. Schließlich ist es doch süß, dass sein Vorbild in Sachen Romantik ausgerechnet Han Solo ist.

Und doch: Was weiß sie eigentlich über ihn? Was ist, wenn ein Serienmörder hinter der Durchschnittstyp-Fassade steckt? Müsste sie nicht viel vorsichtiger sein mit diesem seltsamen Mann, in dessen humorvolle Nachrichten sie sich verliebt, der aber so hölzern im Umgang ist? Als sie viele Chatnachrichten später in seinem Schlafzimmer ist, scheint die Gelegenheit verpasst, ihren immer größeren inneren Widerwillen auszusprechen. Margot hat unangenehmen Sex mit Robert, der ist daraufhin schockverliebt. Sie fragt sich nur noch, wie sie wieder nach Hause und aus der Nummer rauskommt, ohne ihn zu verletzen. Denn eigentlich hat er nichts getan. Außer vielleicht zwei Katzen zu erfinden, die er gar nicht hat.

Kino mit Haut und Haaren

Der Film paart die von Roupenian aufgeworfenen Fragen mit bunten Coming-of-Age- sowie Thriller-Motiven und züchtet sechs Jahre nach dem Erfolg der Kurzgeschichte ein durchweg cinephiles Gewächs. Ganz im Sinne der Klassiker von Psycho bis Nosferatu, von denen Cat Person bevölkert ist, bietet Fogel immer wieder zweifelhafte Abzweigungen, legt falsche Spuren, schickt uns in unangekündigte Traumsequenzen, spitzt seinen Score ins Fortissimo zu. Kurz: Cat Person ist die längste Zeit eine romantische Komödie, die sich anfühlt wie ein Thriller. Der Film geht dabei weit über den Rand von Roupenians Kurzgeschichte hinaus, denn wo diese endet, nimmt er erst dramatisch an Fahrt auf. Bis die Kulisse brennt.

Scheut sich Cat Person dabei vor Ambiguität, driftet er ab und ist untreu gegenüber seiner literarischen Grundlage? Ja, und doch gelingt es ihm, eine ikonische Kurzgeschichte mit Haut und Haaren zu Kino zu machen. Fogel verneigt sich vor der filmischen Popkultur, vom berühmten Kuss zwischen Harrison Ford und Carrie Fisher in Das Imperium schlägt zurück (1980) bis hin zum Wilhelm Scream. Neue Impulse für den Kampf um Geschlechtergerechtigkeit oder eine eigene Bestandsaufnahme unserer Datingkultur findet Cat Person nicht – sein spannendster Beitrag ist sein Bewusstsein für das filmische Medium selbst. Ein Medium, das immer schon mit seinen Genres gespielt, sich selbst bespiegelt, das immer schon gerne kurze Texte zu langen Filmen gemacht hat.

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