Broker - Familie gesucht – Kritik

Was bedeutet Familie? Der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda stellt immer wieder dieselbe Frage – und findet auch in seinem neuen, im Babyhandel-Milieu angesiedelten Film wieder zärtliche Antworten.

Entschleunigen, sich Zeit nehmen, Atmosphäre schaffen und die Sinne ansprechen, anstatt nur eine Erzählung zu bebildern. Bei Filmfestivals begegnet man unvermeidlich Werken, die diese an sich begrüßenswerte Maximen des anspruchsvollen Kinos etwas überstrapazieren. Hirokazu Koreeda hingegen zeigt auch mit seinem neuen Film, dass Kunst und Unterhaltung sich nicht ausschließen, dass lang und langsam nicht auch langweilig sein müssen. Broker – der bereits in Cannes lief und dort mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde – ist bereits ab der ersten Minute voll auf Betriebstemperatur: Eine junge Frau steht in einer regnerischen Nacht vor der Babyklappe einer Kirche. Erst zögert sie, legt ihr Kind dann aber doch in das Körbchen, sichtlich mit sich kämpfend. Zack, da hat einen der Film schon gepackt.

Beteiligung am Baby-Erlös

Keine zehn Minuten später hat der Plot bereits drei weitere Volten geschlagen: So-young (Lee Ji-eun, auch bekannt als Sängerin IU), die sich als Prostituierte über Wasser hält, will ihr Kind zurückhaben. Doch die Kirchenmitglieder Sang-hyeon (Song Kang-ho) und Dong-soo (Gang Dong-won) sind inzwischen dabei, es an wohlhabende unfruchtbare Paare zu verhökern – und zwei Polizistinnen wollen die beiden Männer möglichst auf frischer Tat ertappen, um sie wegen Menschenhandels einzubuchten.

So wie die besten Komödien oft ein tragisches Element enthalten, so beginnt dieses Drama als Komödie voller unerwarteter Wendungen. Am überraschendsten ist dabei vielleicht, dass So-young keineswegs etwas dagegen hat, dass ihr Baby verkauft werden soll – sie möchte nur bitte schön am Erlös beteiligt werden. Oder spielt sie die kaltherzige Mutter nur, um ihrem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen – eines, das sie ihm niemals geben könnte?

Vorgeschichten entblättern

Ähnlich wie in Shoplifters (Manbiki kazoku, 2018) versammelt Koreeda hier mehrere Außenseiter zu einer Quasi-Familie – diesmal allerdings in Südkorea und auf Koreanisch. Und ähnlich wie in Like Father, Like Son (Soshite chichi ni naru, 2013) dreht sich die Story um ein Baby in falschen Händen. Broker ist also innerhalb von Koreedas Gesamtwerk alles andere als eine erzählerische Innovation. Das Bewundernswerte ist, dass dem Japaner mit der scheinbar gleichen Thematik immer wieder neue, frisch anmutende Erfolge gelingen.

Broker funktioniert dabei nicht zuletzt so gut, weil das Drehbuch behutsam und mit der Koreeda eigenen Wärme die Vorgeschichten der Figuren entblättert und damit ihre Motive verständlich macht. Der Film sucht die Essenz der Protagonist*innen weniger in ihren Taten oder Tätigkeiten als in ihren Intentionen. So wie es in den Filmen Asghar Farhadis am Ende niemanden mehr gibt, der frei von Schuld ist, so gibt es bei Koreeda niemanden, unter dessen rauen Lebenserfahrungen sich nicht ein liebenswertes, empathisches Geschöpf verbirgt.

Sanfter Druck

Broker baut nach und nach ein komplexes Beziehungsgeflecht auf, bei dem es scheint, als sei So-young auf dem Weg, eine Vaterfigur für sich und eine weitere für ihren Sohn zu finden. Doch ein so naives Happy End unterläuft Koreeda, indem er die Story zunächst zu einem vergnüglichen Verwirrspiel wandelt, bei dem man nie sicher sein kann, wer hier gerade wen hintergeht. Und wenn er sich schließlich wieder der emotionalen Kernfrage des Films zuwendet, dann tut er das ohne besonders dramatische Szenen oder manipulativen Musikeinsatz. Das Schöne an den Filmen Koreedas ist, dass sie auf die Tränendrüsen drücken, ohne auf die Tränendrüsen zu drücken.

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