Bring Her Back – Kritik

Verwaistes Geschwisterpaar im Haus einer heimtückischen Pflegemutter. Den australischen Philippou-Zwillingen (Talk to Me) gelingt in ihrem Horrordrama Bring Her Back ein impulsiver Genre-Mix – zumindest solange ihr Film ungebremst abgründig und böse sein darf.

Ein wenig unbeholfen versucht Piper (Sora Wong), nach der Schule mit ein paar Gleichaltrigen zu bonden. Später will das fast blinde Mädchen von seinem älteren Stiefbruder Andy (Billy Barratt) wissen, wie erfolgreich dieses Unternehmen war. Der reservierte Lockenkopf mit Bad-Boy-Vergangenheit sieht, wie sich Andere mit Grimassen über Piper lustig machen, beschließt aber, seine Schwester zu belügen.

Nachdem der Vater der beiden kurz darauf tödlich verunglückt, kommen sie zu einer Pflegemutter. Laura (Sally Hawkins) hat selbst gerade erst ihre Tochter verloren und lebt in einem verdächtig abgeschiedenen Haus. Ihre flatterhaft schrullige Art wirkt immer ein bisschen zu enthusiastisch, um authentisch zu sein. Ihr leichenblasser Sohn Oliver (Jonah Wren Phillips) starrt dagegen meist nur stumm ins Leere. Als Piper möchte, dass Andy ihr sagt, wie der Junge aussieht, beschreibt er ihn – weil Laura neben ihm steht – so schmeichelhaft, dass es kaum noch etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat. Mit einem konspirativen Lächeln greift Laura wiederum diese Lüge auf und spinnt sie noch weiter.

Sonderbare Vibes

Im Horrorfilm Bring Her Back verbirgt sich hinter dieser scheinbaren Verbrüderung tatsächlich eine Machtdemonstration. Piper braucht zwangsläufig jemanden, dem sie vertrauen kann. Doch ihre beiden Bezugspersonen werden bald zu Konkurrenten. Und die Frage, wer die Wahrheit sagt, wird, zumindest für das Mädchen, immer schwerer zu beantworten. Wir als Zuschauer sind da weiter. Bereits das Selfie, das Laura von der neuen Familie macht, legt ihre Prioritäten offen: Andy wird darin komplett von der grinsenden Pflegemutter verdeckt. Sally Hawkins verkörpert ihre aufbrausende, leicht prollige und kontrollsüchtige Figur mit einer Mischung aus aufrichtiger Zuneigung und finsterem Kalkül. Dass Laura etwas im Schilde führt, steht außer Frage. Was es aber ist, darüber lässt uns der Film erstmal mit einem schleichenden Unbehagen im Dunkeln.

Beklemmend wirkt das Setting des altmodisch rumpeligen Hauses mit verschlossener Scheune im Garten aber auch aus einem anderen Grund. Der Film beginnt mit verwackelten VHS-Aufnahmen eines monströsen Rituals. Die blassen Körper, infernalischen Schreie und barbarischen Gewaltexzesse verfehlen ihre Wirkung dabei nicht; sie bleiben zunächst zwar rätselhaft, lassen einen aber stets mit dem Schaurigsten rechnen. Eine weitere effektive Quelle des Grauens ist der unberechenbare Oliver, der zunächst nur sonderbare Vibes vermittelt, bald aber auch für einige fies abscheuliche Szenen sorgt.

Hyperaktiv impulsives Kino (mit Abstrichen)

Mit dem übersinnlichen Horrorfilm Talk To Me haben die beiden australischen YouTuber Danny und Michael Philippou vor drei Jahren ihr Regiedebüt gegeben. Viele Motive daraus – die enge Geschwisterbeziehung, das traumatische Erlebnis aus der Vergangenheit, der zunehmende Realitätsverlust der Hauptfigur – finden sich hier wieder. Ebenso der stylishe Look, das teils expressive Schauspiel und die hinterhältigen Schockeffekte.

Allerdings teilt Bring Her Back auch seine Schwächen mit dem Vorgänger. Die Philippous bedienen sich klassischer Horror-Motive, die sie neu variieren und kombinieren. Sie spielen mit der Erwartung an ein bestimmtes Genre, nur um dann einen anderen Weg einzuschlagen. Geschlossenheit ist deshalb nicht unbedingt die Tugend des Films. Mitunter wirkt das Drehbuch ein wenig überladen und aus zu vielen verschiedenen Elementen zusammengesetzt. An Energie und Ideen mangelt es den Philippous dabei nicht, eher an der Konsequenz, eine Stimmung zu halten. Die Übergänge zwischen hemmungslosem Ekel, (gelegentlich etwas zu sehr um Ernsthaftigkeit bemühtem) psychologischem Drama und komischen Brechungen fallen manchmal holprig aus. Und Horrorfilme über Trauerverarbeitung gibt es langsam auch genug; besonders solche, die sich mehr für die gequälte Seelenwelt ihrer Figuren als die Gänsehaut ihres Publikums interessieren. Spaß bereitet das hyperaktiv impulsive Kino der Philippous aber auch diesmal wieder. Zumindest wenn es ungebremst abgründig und böse sein darf.

Neue Kritiken

Trailer zu „Bring Her Back“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.