Black Out – Kritik

Wo ist bloß das Koks abgeblieben? Egal, Hauptsache, es wird nach allen Regeln der Genrekunst gesucht.

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Als Ex-Kleingangster Jos (Raymond Thiry) neben einer Leiche in seinem Bett aufwacht, hat er zunächst keine Ahnung, wie er in diese unangenehme Situation geraten ist. Er hat einen Blackout, und so weiß er auch auf die anschließend von mehreren Parteien gestellte Forderung nach 20 Kilo verschwundenem Kokain nicht so recht eine Antwort zu geben. Dadurch stolpert er unversehens in eine turbulente Jagd nach dem Stoff, bei der ihm kryptische Äußerungen seiner ehemaligen Gangsterkollegen und spontan auftretende Erinnerungsfetzen nur eine schwache Hilfe sind.

Ähnlich wie Jos, der sich beim Straucheln von einer schrägen Situation in die nächste immer wieder blitzartig an frühere Situationen oder Gesichter erinnert, geht es in Black Out auch dem Zuschauer. Von Anfang an nimmt ihn der Film mit auf eine mal mehr, mal weniger skurrile Suche, die ihren Reiz vor allem aus den Reminiszenzen an sogenannte Kultfilme zieht, allen voran jenen aus dem Genre der coolen Gangster-Komödie. „Cool“ ist hier kein bewertendes Attribut, sondern charakterisiert die typische (Möchtegern-)Attitüde der Protagonisten gegenüber den absurdesten Konfliktsituationen. Die Filme von Quentin Tarantino oder Guy Ritchie, die man als Referenz bereits vom Pressetext um die Ohren gehauen kriegt, bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs, der in den letzten 20 Jahren im Gefolge von Tarantinos Erfolgskonzept aus Reservoir Dogs (1992) angewachsen ist.

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Damit stellt sich die ursprünglich Neugier weckende Frage, was denn die Niederlande Eigentümliches zum Genre des Gangsterfilms beisteuern könnten, auch schnell als Sackgasse heraus. Außer den Namen der Figuren verweist hier nichts auf eine spezifisch lokale Gebundenheit. Black Out will gar nicht mehr sein als ein an einem internationalen Filmkorpus orientiertes Flickwerk. Die Ausgangssituation um Jos’ Verlust des Kurzzeitgedächtnisses weckt beim Zuschauer natürlich erst mal die Erinnerung an die Hangover-Reihe (2009–2013), lässt sich aber ebenso mit dem japanischen Monday (2000) von Hiroyuki Tanaka alias Sabu verknüpfen. Weitere direkte ikonografische wie narrative Anleihen liefern La Haine (1995), Fight Club (1999), The Big Lebowski (1998) und viele mehr.

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Auch erzähllogisch übernimmt Toonen bewährte Schemata. Die verschwundenen 20 Kilo Kokain, die wieder aufgetrieben werden müssen, sind nichts weiter als ein beliebiges Mittel, um eine Reihe von Ereignissen in Gang zu setzen, in denen exzentrische Charaktere – teils samt ihren Festischobjekten – aufeinandertreffen dürfen. Wenn zur Mitte des Films das vermeintliche Ziel schon erreicht ist, geht man eben mal kurzentschlossen einen trinken und lässt das gerade hart erkämpfte Kokain im Wagen liegen, es wird sich schon jemand finden, der zufällig genau jenes Auto klaut, damit die wilde Hatz in eine neue Runde gehen kann. Aberwitzige Zufälle gehören schließlich ebenso zum narrativen Repertoire der coolen Gangster-Komödie wie die Frage, wer letztlich wen hinters Licht führt.

Hier muss man Black Out zugute halten, dass er nicht denselben Fehler wie einige Genrekollegen (z.B. Circus (2000)) macht, jedwede logische Anschlussfähigkeit dem größtmöglichen Überraschungseffekt zu opfern. Melle Runderkamp besinnt sich im Drehbuch auf die richtige Mischung und siedelt die Szenarien stets noch im Rahmen des zumindest genreimmanent halbwegs Nachvollziehbaren an. Dass bei der Inszenierung Elemente wie Freezeframes, ein Mexican Standoff oder Flashbacks samt Voice-over zur Figurencharakterisierung eingesetzt werden, versteht sich von selbst.

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Toonen rekonstruiert also lieber erfolgreiche Schemata, als sich als Innovator zu versuchen, und daraus macht er auch gar kein Geheimnis, wie er uns schon aus den Metakommentaren einiger Figuren wissen lässt. So sinnieren ziemlich früh im Film die zwei Schlägerschwestern Petra und Charity (Birgit und Katja Schuurman) darüber, dass Frauen in Gangsterfilmen niemals eine Chefrolle spielen dürfen, um daraufhin die untergeordnete Rolle beizubehalten und Geld für ihren Boss einzutreiben. Interessanterweise scheint sich Toonen auch durchaus bewusst zu sein, dass sein Genrebeitrag doch recht spät kommt, um noch wirkliches Aufsehen zu erregen. Denn wie das Genre selbst haben auch alle tragenden Figuren ihre besten Jahre wohl schon hinter sich. Besonders deutlich wird dies nicht nur bei der Hauptfigur Jos, sondern vor allem beim großen Gangsterboss Charles(Edmond Classen), auch bekannt unter dem Namen Opa. Im stolzen Alter von 83 leitet er seine Truppe aus dem Altenheim. Und selbst die heißen Killerbräute Petra und Charity gehen offensichtlich bereits auf die 40 zu.

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Wenn Toonens Beitrag zwar keineswegs etwas Neues bieten kann, so gehört er in der Flut an Trittbrettfahrern der in den 1990ern Jahren so beliebten Gangster-Komödien immerhin zu den gelungeneren Wiederbelebungen des Genres. Dem Fanpublikum kann er für unterhaltsame knappe 90 Minuten getrost empfohlen werden, längere Zeit im Gedächtnis bleiben wird Black Out jedoch wohl kaum jemanden.

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