Bait – Kritik
Das Fischerdorf ohne Fischer haben wollen. In Bait montiert Mark Jenkin einen Klassenkonflikt in Detailaufnahmen. Was mit Lärmbelästigung und Billardregeln beginnt, wird irgendwann zur epischen Tragödie.

Ein Fischerdorf in Cornwall, in seine Einzelteile zerlegt, in kleinste Einzelteile. Hände, Seile, Netze, Augen, leere oder volle Biergläser, heftig nahe Detailaufnahmen, im zweiten Teil dann auch mal Fäuste, die Blicke werden grimmiger, und immer und immer wieder Geld, ob in Münzen oder Scheinen. Die Montage produziert klare Kausalketten, wo man oft nur diffuse Zusammenhänge ahnt, und zeichnet Produktionsverhältnisse nach: Der Fischer Martin (Edward Rowe) lässt sein Netz ins Wasser, ein paar Fische, genauer gesagt: vier, gehen ihm da hinein, dann steht er vor der Tür der Besitzerin der örtlichen Kneipe, gibt ihr die Fische, bekommt Geld, dann serviert diese ihren Gästen von außerhalb zwei Teller. Fischerei und Tourismus, darum geht’s in Bait, wie beides miteinander verkettet ist, wie sich beides in die Quere kommt, wie beides um den besten Platz an der Küste ringt.
Klassenkampf und Libido
Wie die reale Ökonomie funktioniert auch die des Begehrens in Mark Jenkins Film, und hier wirken die digital zerschliffenen Schwarz-Weiß-16mm-Bilder noch besser, weil sie die jugendlichen Gesichter akzentuieren, von denen die verführenden Blicke ausgehen, hier schleicht sich eine Nouvelle-Vagueness in Cornwall ein. Katie (Georgia Ellery) ist gerade angekommen im Ferienhaus, mit ihren Eltern und ihrem Bruder, schon hat sie sich Martins hübschen Neffen Steven (Giles King) geangelt, die Blicke treffen sich in der Kneipe über die Distanz, ein paar Stunden später wird man schon gemeinsam unsanft von Martin geweckt, weil es für Steven raus aufs Meer geht, zum Fischen. Fischerei und Tourismus stoßen sich nicht nur ab, ziehen sich auch an, nicht nur Klassenkonflikte, sondern auch amouröse Verschaltungen von autochthoner und touristischer Bevölkerung finden hier statt. Ködern und angeln, mal ganz konkret, mal libidinös, aber immer in Einzelteilen. Am Ende finden beide Modi zueinander, und wir haben fast eine griechische Tragödie.

Schön ist Bait durch seine Klarheit. In diesem Film versteckt sich nichts, will nichts so oder so gelesen werden, liegt alles recht offen zutage. Der Interessenskonflikt ist so logisch wie unlösbar, Geld regiert die Welt, Unmut wird zu Wut, die Städter wollen Aussicht und Ruhe und ein Fischerdorf ohne Fischer, die Fischer wollen Arbeit und Ertrag. Politisch macht sich’s der Film damit natürlich leicht. Und manchmal scheint es auch, als würde die eigenwillige Form von Bait einfach doch den Mantel der Kunst über diese Klarheit legen wollen, dann scheint Jenkin ein bisschen arg verliebt in seine Montage, dann wirkt es, als hätte da jemand erst den Inhalt zusammengetragen, um diesen dann durch die Form zu verfremden.
Die Billardfrage
In einer zentralen Szene zur Mitte des Films findet dann aber alles ganz wunderbar zueinander. Da kommt Martin in die Bar, hat keine Kohle, spart ja alles für ein eigenes Boot, will aber doch, eine Frage der Ehre, die Kneipierin bezahlen, obwohl die doch schon längst abgewunken hat: Schon gut, Martin. Im Hintergrund wird Billard gespielt, und auch hier struggelt die Tradition mit neuen Regeln: Bleibt nun der Gewinner am Tisch und spielt gegen den nächsten Herausforderer, so wie es immer schon war, oder darf derjenige weiterspielen, der als Erstes die entsprechenden Münzen auf dem Tischrand platziert hat? Bait zieht hier nochmal das Schnitt-Tempo an, beide Situationen verschwimmen in einer Montage der Blicke, in solidarischen Schüssen und ökonomischen Gegenschüssen, bis die jeweiligen Situationen nicht mehr unterscheidbar sind, nur noch in Gesichter eingeschriebene Logiken, die sich unversöhnlich gegenüberstehen.
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