Manuscripts Don't Burn – Kritik

Kino als politischer Kampf: Mohammad Rasoulof hat heimlich einen Film gedreht, im Iran und über den Iran.

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Kann man bei diesem Film von den Entstehungsbedingungen absehen? Kann man über ihn schreiben, als wäre er da fest gemeißelt auf der Leinwand, dem Kinohimmel entsprungen, kann man ihn eigenständig bewerten, on its own terms, wie es so schön heißt? Bei der Deutschlandpremiere auf dem Filmfest Hamburg muss der geplante Auftritt des Regisseurs abgesagt werden, Mohammad Rasoulof ist bei seiner Einreise in den Iran wenige Tage vor Festivalbeginn der Pass abgenommen worden, er darf das Land derzeit nicht verlassen. Manuscripts Don’t Burn hat er ohne Genehmigung gedreht, zum größten Teil heimlich in Teheran, zu einem kleineren Teil legal in Hamburg. Aus Sicherheitsgründen werden Darsteller und Crew nicht mit Namen genannt, die Credits am Ende bleiben aus, die Musik läuft vor schwarzem Hintergrund.

Man versteht diese Vorsichtsmaßnahmen, wenn man sich den Film ansieht. Anders als etwa Kollege und Freund Jafar Panahi, der als Regisseur ohne Arbeitserlaubnis zuletzt (Closed Curtain, Pardé, 2013) die Flucht ins Experimentelle angetreten hatte, formuliert Rasoulof direkter und innerhalb eines Genre-Rahmens. Die Handlung von Manuscripts Don’t Burn basiert auf einer wahren Begebenheit Mitte der 1990er Jahre, daneben sind die Themen und ihr Bezug zu Rasoulofs Situation überdeutlich: Zensur, der Widerstand dagegen, die folgende Repression, die hässliche Fratze eines totalitären Regimes. Der Film behandelt diese Motive anhand einer Thriller-Struktur, die zunächst gar nicht so leicht zu durchschauen ist, treten die zentralen Figuren doch erst allmählich auf den Plan. Im Zentrum steht der versuchte Anschlag auf einen Bus mit einer Gruppe kritischer Intellektueller, ein Ereignis, das der Dissident Kasra in seinen Memoiren zu Papier gebracht hat, nach deren Veröffentlichung er aus dem Land fliehen will. Ein ehemaliger Freund Kasras arbeitet mittlerweile für den Geheimdienst, hat sich ganz seiner patriotischen Pflicht verschrieben und versucht nun, das Original sowie zwei bei befreundeten Künstlern untergebrachte Kopien in seinen Besitz zu bringen – mit Entführung, Folter und Mord.

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Rasoulof dezentriert diese Konstellation, indem er dem Hauptkonflikt zwischen Kasra und dem Geheimagenten weitere Ebenen hinzufügt: So bangt der mit der Drecksarbeit des Regimes und damit auch mit der Suche nach den Dokumenten beauftragte Khosrow um seinen kranken Sohn, auf der anderen Seite werden die beiden Freunde Kasras humoristisch porträtiert: In einer herrlichen kleinen Feier des Versteckten und Verbotenen packt der Dichter Kiran den mitgebrachten Wodka aus, um ihn mit dem im Rollstuhl sitzenden Schriftsteller Forouzandeh zu teilen – nachdem dessen überbesorgte Ehefrau das Haus verlassen hat und die Männer nicht mehr ermahnen kann. All diese Figuren werden im Laufe des Films geschickt mit dem Busunglück in der Vergangenheit und der Jagd auf das versteckte Manuskript zusammengebracht, Rasoulof befindet sich hier fern jeder plumpen Episodenstruktur, vertraut ganz auf die Nahaufnahmen, die dem Film eine Spannung verleihen, welche vielleicht aus der Not des Verzichts auf Totalen geboren ist, der Handlung aber erst die passende Atmosphäre verleiht. Ein Spionagekrimi in Gesichtern.

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Doch nicht nur in der paranoischen Grundstimmung, in der klaustrophobischen Verengung von Bildrahmen wie Handlungsmacht der Regimekritiker ist die Verzweiflung des Dissidenten Rasoulof spürbar, vor allem in den Dialogen zwischen den Intellektuellen wird der Umgang mit dem repressiven Regime verhandelt. So tobt in den Diskussionen zwischen Kiran und Forouzandeh der Kampf zwischen Resignation und Widerstand: Forouzandeh verspottet den Pessimismus des Dichters und seine zynische Sicht auf Möglichkeiten des Widerstands. Kiran dagegen glaubt nicht daran, dass der Schriftsteller seinen kritischen Roman noch an einen Verlag bringen kann, lässt den Gedanken zu, dass das Leben – selbst unter diesen Bedingungen – noch genügend Schönes bereithält, um es nicht für einen aussichtslosen Kampf aufs Spiel zu setzen. In vielen dieser Dialoge können wir nicht anders, als die Zerrissenheit eines Filmemachers zu erkennen, der sich hartnäckig gegen den Gedanken ans Exil wehrt, der ein iranischer Regisseur bleiben will, allen Widerständen zum Trotz, und der zur Anpassung an die politische Situation gezwungen ist.

Die Wirkung dieser inhaltlichen Verdopplung ist durchaus zwiespältig. Mal intensiviert das Wissen um Rasoulofs Situation die Erfahrung dieser Szenen, weil wir gewahr werden, dass hier jemand gezwungen ist, durch seine Figuren zu sprechen, und zwar nicht, um dogmatisch seine Sicht der Dinge mitzuteilen, sondern weil er seine Schreie, seine Hoffnungen, sein Leiden nicht mehr anders vermitteln kann und darf. An anderen Stellen dagegen läuft dieses Wissen der Dramaturgie und dem Effekt des Films eher entgegen, penetriert der Zwang zum verständlichen Mitteilungsbedürfnis die Handlung zu sehr und schwächt damit ihre Wirkung ab. Wie sich das Kino und das Politische hier gegenseitig durchdringen, mal einander verstärkend, mal einander aufhebend, das ist bei Rasoulofs Experiment bewegend und spannend mitanzusehen.

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Manuscripts Don’t Burn seine Schwächen als filmische Mängel vorzuwerfen, das hieße aber doch zu verkennen, dass es mit den own terms eben nicht so einfach ist, dass die Sprache der Filmanalyse nicht ausreicht, um ihn zu fassen. Wenn während der Musik am Ende kein Abspann zu sehen ist, wenn wir einer dunklen Leinwand ausgesetzt sind anstatt Namen zu lesen, dann ist das schließlich nicht avantgardistische Geste eines genialen Auteurs, sondern schlichte Notwendigkeit, weil ein Staatsapparat im Namen der Nation filmischen Ausdruck verbietet. Jedes Bild und jeder Satz von Manuscripts Don’t Burn verweist weniger auf abstrakte Qualitäten eines zeitlosen Kunstwerks als auf dessen ganz konkrete Bedingungen, weniger auf sein Sein als auf sein Gemacht-Sein, und das ist nicht minder aufregend. Der Film lebt, als buchstäblicher Akt des Widerstands.

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