Anne at 13,000 ft – Kritik
Neu auf MUBI: Alles ist labile Energie in Kazik Radwanskis Psychogramm einer Kindergärtnerin. Anne at 13,000 ft ist kinetisches Kino, in dem Deragh Campbell zu Gena Rowlands wird.

„I love you“, sagt Anne, und ihr Bekenntnis wird erwidert. „I love you, too“, sagt Sarah, und die beiden umarmen sich. Sarah küsst ihre Freundin auf die Wange, und scheinbar in der gleichen Bewegung küsst sie ihren Mann auf den Mund. Dazwischen war ein Schnitt, Anne ist nur die Trauzeugin, die beiden Küsse wie aus einem Guss, im Rhythmus, bei Anne at 13,000 ft steckt das ganze Drama in der Montage. Anne struggelt, mit dem Job, dem Leben, den Männern. Anne wird sich betrinken an diesem Abend, den besten Freund des Bräutigams kennenlernen, wie das so ist, irgendwann auf dem Klo kotzen, wie das so ist.
Lachkrampf beim Tinder-Date

Anne ist eigentlich Kindergärtnerin, bei der Arbeit aber häufig lieber Kind als Gärtnerin, und die Handkamera von Nikolay Michaylov umschwirrt die wie immer großartige Deragh Campbell wie die Filme von John Cassavetes einst die ähnlich labile Gena Rowlands. Bei Anne gibt’s kaum Balance, aber viel gerade so austarierte Energie, Anne geht meist mit entwaffnender Direktheit und mit wenig Rücksicht auf Verluste auf ihre Mitmenschen zu, auf Anne muss man deshalb ein bisschen aufpassen, das weiß ihre Mutter, das ahnt Sarah, nur die Männer scheinen ahnungslos und würden gern ran. Aber beim Tinder-Date kriegt Anne fast einen Lachkrampf, so wenig passt da, der alleinerziehende Vater eines ihrer Kinder ist auch eher creepy, und dem besten Freund des Bräutigams ist es nach ein paar Wochen Mal-gucken-Beziehung dann doch zu viel Energie.

Der Titel von Kazik Radwanskis Film spielt auf Annes neues Hobby an, das Fallschirmspringen. Merkwürdigerweise wirkt das als einziges Motiv ein bisschen drübergestülpt (schon klar, dass Anne keinen Boden unter den Füßen hat und man sich fragt, ob und wo sie irgendwann landen wird) in einem Film, der mit seinen 70 Minuten ansonsten wunderschön metaphernfrei vorbeifliegt, sich einfach von Anne mitreißen lässt, ihrer Direktheit erliegt, zurecht ihre Lausdamenstreiche feiert, ihr auch im Zusammenbruch treu bleibt – und nebenbei noch kurz Zeit hat für einen Blick in das Kinderbett eines Jungen mit veritablem Haifischfetisch.
Den Film kann man sich auf MUBI ansehen.
Der Text wurde ursprünglich im Rahmen der Berlinale am 27.2.2020 besprochen.
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