Angel-A – Kritik

Sechs Jahre nach Johanna von Orleans (The Messenger: The Story of Joan of Arc, 1999) meldet sich Luc Besson mit Angel-A als Regisseur zurück. „Ein Mann trifft eine Frau in Paris“ lautet seine lapidare Umschreibung der Story.

Angel-A

Wenn Regisseure eine Stadt in ein besonders geheimnisvolles, fast märchenhaftes Licht tauchen wollen, greifen sie gerne auf eine stilisierte Schwarz-Weiß-Ästhetik zurück. Das funktioniert in der heutigen Zeit umso mehr, weil die Sehgewohnheiten des Zuschauers über die letzten Jahrzehnte konsequent auf das colorierte Bild gepolt wurden. Schwarz-Weiß fällt auf, bietet Raum für Interpretationen und erzielt im besten Fall den gewünschten Effekt. Woody Allen hat es mit Manhattan (1979) vorgemacht, ebenso Wenders mit Der Himmel über Berlin (1987). Nun versucht sich das französische Multitalent Luc Besson nach langer Regieabstinenz an einer filmischen Liebeserklärung. Das Objekt seiner Begierde: die seiner Meinung nach „schönste Stadt der Welt“ Paris.

Besson erzählt die Geschichte eines geborenen Verlierers. André (Jamel Debbouze) ist ein kleingewachsener Exil-Amerikaner marrokanischer Herkunft, den es in die französische Hauptstadt verschlagen hat. Dort hat er sich aber nur wenige Freunde gemacht. Zwielichtige Geldeintreiber und halbseidene Größen der Unterwelt setzen ihn zunehmend unter Druck. Wenn er die aufgenommenen Schulden nicht endlich zurückzahlt, drohen sie ihm schmerzhafte Konsequenzen an. Von der Welt missverstanden, im Stich gelassen und von der Polizei verfolgt, entschließt sich André kurzerhand in die Seine zu springen, um seinem angeblich so erbärmlichen Leben ein Ende zu setzen. Doch diese Idee hatte er nicht alleine. Denn auf der Brücke stürzt sich im selben Moment eine blonde junge Frau (Rie Rasmussen), ihr Name ist Angela, in das kalte Wasser. André zögert keine Sekunde. Er springt ihr nach und rettet sie.

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Von da an nehmen die Dinge ihren vorgezeichneten Lauf. Natürlich ist Angela nicht da, um von André gerettet zu werden. Sie ist vielmehr sein Schutzengel, der den unsicheren schüchternen Träumer zurück auf richtigen Pfad bringen soll. Wie dieser aussieht, daran lässt Besson keinen Zweifel. In mehreren quälend uninspirierten Dialogen müssen Angela und André um den schweren „Weg zur Wahrheit“, den „Weg zu sich selber“ ringen, mit Phrasen, die allesamt so auch aus Glückskeksen stammen könnten. Die Länge dieser Belehrungsversuche verstärkt die Abwehrhaltung gegen soviel gut gemeintes aber letztlich sehr ermüdendes Erbauungskino. Überhaupt menschelt es unerträglich hinter der zu Beginn aufgebauten Fassade aus flapsigen Sprüchen und Hochgeschwindigkeitsdialogen. Besonders als André endlich von Angela „bekehrt“ wird, fischt Besson wenig dezent in melodramatischen Gewässern. Da stehen dem knuddeligen André fortlaufend die Tränchen in seinen dunklen Knopfaugen.

Die von Besson verwendete Engel-Ikonographie ist trotz der Besetzung mit dem dänischen Top-Modell Rie Rasmussen nur leidlich originell oder subtil. So muss Angela ausgerechnet seitlich hinter einer kopflosen Engelsstaue abgefilmt werden und steigt letztlich auch hier mit ihren langen weißen Flügeln gen Himmel empor. In Folge der Trennung von Milla Jovovich, die Besson in Das fünfte Element (The Fifth Element, 1997) und Johanna von Orleans zu einer Ikone stilisierte, suchte der Regisseur offenkundig nach einer neuen Muse. Mit Rie Rasmussen ist er erneut bei einem schauspielernden Modell fündig geworden. Deren fast zu perfekten Körper kann der Zuschauer nun ausgiebig bestaunen. Die Kamera klebt an ihr wie der Blick eines verliebten Verehrers.

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Schwarz-Weiß-Werke zeichnen sich gemeinhin durch ihre kraftvollen Bilder und starken Kontraste aus. Bessons Stamm-Kameramann Thierry Arbogast setzt beide Aspekte gekonnt um, mit Paris in der eigentlichen Hauptrolle. Bei Nacht erscheint die Metropole an der Seine, die schon oft als „Welthauptstadt der Liebe“ besungen und vertextet wurde, als stilisiertes Idyll verkitschter Sehnsüchte. Arbogast gibt Vittorio Storaro (Apocalypse Now, 1979) als eines seiner großen Vorbilder an, was nicht verwundert, erinnern die Licht- und Schattenspiele auf Paris’ Brücken und Straßen an dessen expressionistische Arbeiten. Leider geht von den Bildern aber nicht immer die gewünschte Faszination aus, oftmals stören nur die didaktischen Dialoge oder es entsteht der Eindruck, hier werde eine Stadt Postkartenmotiv für Postkartenmotiv abgearbeitet. Notre-Dame, Sacré-Coeur, die Tuilerien, Place de la Concorde, Pont Neuf. Alles darf im Vorbeigehen einmal kurz bestaunt werden, alles erscheint gehetzt. Darin unterschiedet sich Bessons Film merklich von Woody Allens liebevollem Blick auf den Big Apple. Bei Allen halten die Protagonisten inne, wenn sie am Hudson River sitzen und auf die scheinbar übermächtige Brooklyn Bridge blicken.

Nach Ausflügen in das Weltall und in die blutgetränkten Felder um Orléans nutzt Besson in Angel-A neben den bekannten Pariser Wahrzeichen vor allem kleine atmosphärisch aufgeladene Sets wie Bars, Restaurants und Nachtclubs, um eine betont unspektakuläre Geschichte zu erzählen, in der kein unnötiger technischer Ballast von den Charakteren und ihren Befindlichkeiten ablenkt. Letztlich kann aber auch dieser für ihn eher ungewöhnliche Ansatz nicht verhindern, dass seine Rückkehr in die Stadt, deren Untergrund er bereits 1985 in dem Kinofilm Subway ausleuchtete, zu einem enttäuschenden therapeutischen Selbstfindungstrip verkommt.

 

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Kommentare


AngelB

Luc Besson macht das was deutsche Regisseure gerne machen würden. Er gibt der Botschaft eine Sinnlichkeit für die kritikwütige deutsche Cineasten keinen Sinn haben.


AngelC

Wenn der Autor dieser Kritik Luc Besson vor dem Dreh beraten hätte wäre daraus eine 0815 Romanze geworden. Für mich machen die Kritikpunkte gerade die Besonderheit des Filmes aus.






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