Alien: Romulus – Kritik
Disney+: Fede Álvarez verneigt sich vor Ridley Scott und James Cameron, lässt aber auch sonst nichts und niemand aus der Alien-Welt zurück. Wo frühere Regisseure der Reihe ihren eigenen Stempel aufdrückten, ist Alien: Romulus ein Film für die Fans.

Eine der größten Spannungen innerhalb des an Spannung nicht gerade armen Alien-Franchise liegt im unterschiedlichen Look von Prometheus – Dunkle Zeichen (2012) und Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (1979). Ersterer spielt im Jahr 2093, der zweite 2122. Nur dreißig Jahre liegen zwischen ihnen, sowohl was ihre Produktion als auch die fiktive Zeitachse betrifft. Im später produzierten, aber früher spielenden Prequel sieht die Raumfahrt hochklassisch aus. Alles ist digital, Hightech, neu und hell. Im Original aber herrscht Ramsch vor. In dreckigen, feuchten und unzureichend beleuchteten Stahlkästen wird durchs All geflogen. Diese Differenz ließe sich mit dem unterschiedlichen Stellenwert der dargestellten Missionen begründen oder mit einem potenziellen katastrophalen Ereignis, das sich auszumalen der Fantasie überlassen bleibt. Höchstwahrscheinlich war es Ridley Scott aber einfach völlig egal, weil eine Angleichung nicht zu dem Film gepasst hätte, der ihm 2012 vorschwebte und der durch mehr Budget und modernere Technik nun eben möglich war.
Staub auf der Tastatur

Alien: Romulus ist irgendwo in den siebenundfünfzig Jahren angesiedelt, die zwischen Alien und seinem direkten Nachfolger Aliens – Die Rückkehr (1986) liegen. Er spielt in einer Bergbaukolonie im Nirgendwo des Alls und auf einer verlassenen Raumstation im Orbit des dazugehörigen Planeten. In der Siedlung namens Jackson’s Star ist es überfüllt und dreckig, die Leute werden ausgebeutet. Die Sonne scheint zu keinem Zeitpunkt auf sie – ein Punkt der Geschichte ist die Sehnsucht nach Sonnenlicht. Die Raumstation wiederum ist eine Ansammlung verlassener, dunkler Gänge, lecker Lagerräume und Labors, die einem Trümmerfeld gleichen. In einer Einstellung scheint das Licht so auf eine Tastatur, dass der Staub darauf deutlich zu sehen ist.
Schon in diesen Staubkörnern auf einem veralteten Gerät liegt das Versprechen, das Regisseur und Co-Drehbuchautor Fede Álvarez den ganzen Film über einzulösen versucht. Der Zuschauer darf nämlich darauf vertrauen, dass er einen Alien-Film erhält, wie er zu sein hat. Was nichts anderes heißt als: wie er früher war. Kein Versuch also eines Kommentars darüber, dass sich die Zukunftsaussichten des Planeten Erde in den letzten 12 Jahren seit Prometheus etwas verdüstert haben und eine Zukunft mit zumindest geleckter Oberfläche kaum noch vorstellbar ist. Auch schließt sich Álvarez nicht seinen Regie-Vorgängern an, die ihren Filmen wohl oder übel den eigenen Stempel aufdrückten und sich nur bedingt dem Look der Vorgänger und der Kontinuität verschrieben. Stattdessen ist Alien: Romulus ein Film für die Fans geworden.
Kalte Ratio oder Mitgefühl

Rain Carradine (Cailee Spaeny) flieht vor der Ausbeutung auf Jackson’s Star mit dem defekten Androiden Andy (David Jonsson), der für sie ihr Bruder ist, weil sie mit ihm aufwuchs, und vier Freunden auf die zufällig geortete Zwillingsraumstation Romulus und Remus. Dort suchen sie kryonische Schlafkammern und deren Treibstoff, befreien dabei aber ausversehen unzählige Facehugger. Und es geschieht, was eben geschehen muss: Ein Xenomorph wird ausgebrütet, und bald sind die Freiheitssuchenden die Beute für unzählige Jäger, die ohne Bewusstsein nur darauf aus sind, zu töten.
Dabei wird der Widerspruch zwischen kalter Rationalität und Mitgefühl verhandelt. Hier Andy und andere Androiden, die einzelne Leute sterben lassen, wenn sie nur ein höheres Ziel – mehr Menschenleben retten und/oder Profit erbeuten – erreichen können. Dort die Menschen, die sich von ihren Gefühlen leiten lassen, für die in menschlichen Bindungen stets auch etwas Familiäres steckt. Die jeden einzelnen Mitstreiter retten wollen und doch mit diesen Versuchen nur noch mehr Tod und eine weitere Ausbreitung der Aliens verursachen. Die Wahl ist also, ob man andere sterben lässt und damit seine Menschlichkeit aufgibt – oder stirbt und Mensch bleibt.
Niemand soll zurückgelassen werden!

Die Ironie von Alien: Romulus ist, dass er sich klar für die Menschlichkeit ausspricht, aber selbst das beste Gegenargument bietet. Denn auch der Film scheint von dem Impuls angetrieben, dass nichts zurückgelassen werden soll. Klar, auf den ersten Blick sieht es aus, als ginge es Fede Álvarez darum, Ridley Scotts Alien und James Camerons Aliens wieder aufleben zu lassen. Die Verortung, der Look, die (erstaunlich schlecht getrickste) Rückkehr von Ian Holm als Android Ash, das Aufgreifen der originalen Soundtracks von Jerry Goldsmith und James Horner, die Kleinigkeiten, wie dass unsere Protagonistin wie zuvor Sigourney Weaver am Ende im Schlüpfer weiterkämpfen muss: Alles spricht dafür, dass dies eine Verbeugung vor den am besten beleumundeten Filmen der Reihe sein soll.
Es soll aber wirklich niemand zurückgelassen werden. Weshalb es eben auch um Mutationen geht und das Ende zur Variation von Jean-Pierre Jeunets viertem Teil Alien Resurrection (Alien – Die Wiedergeburt, 1997) wird. Was erst möglich wird, da es wie in Prometheus um mutagene Flüssigkeiten geht. Und so weiter und so fort. Von überall aus der Reihe wird etwas aufgegriffen, weshalb einem auch alles irgendwann bekannt vorkommt. Die Aliens und ihre Auftritte könnten – von der erstaunlichen Ineffizienz der Facehugger abgesehen – Collagen aus Aufnahmen der anderen Filme sein, so generisch sieht es aus.

Dass Alien: Romulus wie alle Filme zuvor dem gleichen groben Muster folgt, ist keine Überraschung. Aber die Liebe zu den Vorgängern macht ihn unfähig, für sich selbst zu stehen. Die Handlung wird zum halbwegs spannenden Parcours zwischen den Referenzen, die Schauspieler bleiben, von David Jonsson abgesehen, ohne Charisma, die Thematiken mitgeschleppter Ballast. Und selbst als Metafilm über die Serie, über Kopien und Originale, taugt Alien: Romulus nicht, weil all das Aufgegriffene, nicht Zurückgelassene nur für ein freudiges Wiedersehen nutzbar gemacht wird. Und nicht wie etwas, das darüber hinaus Wert hätte.
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