After the Hunt – Kritik
In After the Hunt gerät Julia Roberts an einer US-Eliteuni in die Wirren des Geschlechterkampfs. Luca Guadagninos Film wirkt wie das Negativbild jener romantischen Komödien, die einst den Ruhm des Leinwandstars begründeten – will dabei aber in zu viele Richtungen gleichzeitig.

Pamela Anderson (The Last Showgirl), Demi Moore (The Substance), Nicole Kidman (Babygirl): Es gehört zu den schöneren Entwicklungen im Kino der letzten Jahre, dass Schauspielerinnen, die in den 1990ern zu Weltstars wurden und zwischendurch im Streaming- und Fernsehfilm-Niemandsland verloren zu gehen drohten, plötzlich wieder in High-Profile-Kinoproduktionen auftauchen; und zwar nicht in Nebenrollen, als Mütter oder Großmütter, sondern als Hauptattraktionen. Keineswegs erfinden sie sich dabei komplett neu, vielmehr bekommen sie die Gelegenheit, ihre jeweiligen Images als Sexgöttin des breiten Mainstreams (Anderson), Glamour-Queen (Moore) oder Großmeisterin des Arthouse-Kink (Kidman) mit einer veränderten medialen und sozialen Gegenwart abzugleichen.
Interessant auch: Keine der drei genannten Schauspielerinnen hat in unserer Gegenwart eine Nachfolgerin auch nur annähernd gleichen Formats gefunden. Erst recht gilt das für Julia Roberts, die einstige Königin der romantischen Komödie, die in Luca Guadagninos After the Hunt nun ebenfalls noch einmal die Gelegenheit erhält, sich auf einer angemessen großen Bühne zu präsentieren.

Wenn After the Hunt ein komplizierterer Fall als die eingangs erwähnten Filme ist, dann vielleicht, weil das Kino unserer Zeit kein Genre derart gründlich verlernt hat wie die romantische Komödie. Woran das liegt? Ein weites Feld, vermutlich. Um nicht das große kulturkritische Fass aufzumachen, belassen wir es an dieser Stelle bei einer schlichten Feststellung: die Verbindung von Liebe, Lachen und Leichtigkeit funktioniert schlichtweg nicht mehr, zumindest nicht auf der großen Leinwand, die ja einen gewissen gesellschaftlichen Konsens voraussetzt. Will ein Film heute in nicht bloß nostalgischer Manier an die romantische Komödie anschließen, dann geht das vielleicht wirklich nur noch so, wie After the Hunt es tut: als deren direkte Negation, als unromantische Nichtkomödie.
Eine amüsierte Distanz zu den Wirren der Jugend
„Just when I thought I was out, they pull me back in“: Mit diesem Pate-Zitat lässt sich die zentrale Dynamik des Films fassen. Als alternde – aber immer noch nicht festangestellte – Yale-Professorin Alma Imhoff scheint Roberts jene Liebesirrungen und -wirrungen, die sie in ihren größten Publikumshits mit naiver Eleganz und sexy Schusseligkeit navigierte, längst hinter sich zu haben; mit ihrem Mann Frederik (Michael Stuhlbarg) führt Alma eine weitgehend sexlose, gleichwohl nicht ganz erkaltete Ehe. Die deutlich hitzigeren zwischenmenschlichen Bemühungen der jüngeren Generation beobachtet sie selbst dann noch aus einer amüsierten Distanz, wenn sie sich, wie in einer längeren Schlüsselszene früh im Film, auf ihrem eigenen Sofa abspielen. Freilich ahnen wir bereits, wenn Almas Kollege Hank (Andrew Garfield) beim Gespräch über – was sonst – Geschlechterkampf und Cancel Culture an Universitäten seine Hand recht vehement aufs Knie der Studentin Maggie (Ayo Edebiri) legt, dass Almas Distanz schon bald kollabieren wird.

Tatsächlich kauert Maggie wenig später verheult im Treppenhaus der Imhoffs. Hank habe sich ihr, sagt sie, nach dem gemeinsamen Beisammensein bei Alma, aufgedrängt, ihr „Nein“ nicht akzeptiert. Wenn Alma im Anschluss von der traumatisierten Maggie etwas zu dringend wissen möchte, was denn konkret passiert sei, sind wir bereits mitten drin im Schlamassel eines Films, der immer in mehrere Richtungen gleichzeitig strebt: in die Zukunft mit der Frage, welche Konsequenzen der Vorfall haben wird; in die Vergangenheit, die insbesondere ein (nicht allzu gut) in Almas Badezimmer versteckter Briefumschlag ins Spiel bringt; nach innen, in selbstquälerische Reflexionsexzesse eines Milieus, in dem Foucault- und Kierkegaard-Zitate zum guten Ton gehören und jede soziale Interaktion einen Rattenschwanz an Metakommunikation nach sich zu ziehen scheint; nach außen, wenn Alma plötzlich die Universitätsbubble verlässt und ihre Zweitwohnung in einer heruntergekommenen Küstengegend aufsucht.
Erregtes Schlammassel im Biotop Eliteuniversität
After the Hunt ist auf Ambivalenzproduktion aus. Vom früheren Spike-Lee-Kameramann Malik Hassan Sayeed in Schärfeverlagerungsexzesse übersetzt und von Guadagninos Stammkomponisten Trent Reznor und Atticus Ross mit einem ambitionierten, modernistischen Kammermusik-Minimalismus unterfüttert, fällt diese Ambivalenz jedoch etwas forciert und auch ein bisschen erwartbar aus, insbesondere, soweit sie sich auf die Figuren bezieht: Maggie etwa ist als schwarze, lesbische Frau, die einer ausgesprochen wohlhabenden Familie entstammt, prädestiniert dafür, diverse Privilegiendiskurse zu triggern – die der Film dann auch entsprechend breittritt. Stärker ist After the Hunt, wenn die Ambivalenzen einem aufmerksamen Blick aufs dargestellte Milieu entspringen. Wie der zwischen Thriller, dunkler Komödie und Charakterstudie hin und her pendelnde Film selbst, wirkt auch sein Schauplatz wie heimgesucht von miteinander nicht kompatiblen Impulsen.

Im Biotop Eliteuniversität gedeihen pronomen-fixierte, genderfluide Dauererregte, aber eben auch nach wie vor eine bro culture, die von Guadagnino geschickt und wie nebenbei ins Bild gerückt wird, etwa wenn Alma sich auf dem Weg zum Bartresen durch eine Gruppe alkoholisierter frat boys kämpfen muss. Der Film zeigt dabei auch: Nur weil die im universitären Raum grassierenden Rhetoriken der Achtsamkeit („Wenn Du es so wahrgenommen hast, ist es wahr“) sich regelmäßig als wenig hilfreich erweisen bei der Suche nach verbindlichen Regeln im Bereich des Zwischenmenschlichen, heißt das noch lange nicht, dass Begriffe wie Machtmissbrauch und strukturelle Gewalt nicht auf reale Erfahrungen realer Menschen verweisen.
In der Tat ein Schlamassel. Und mittendrin Roberts’ Alma, deren Souveränitätsfassade im Verlauf des Films ziemlich gründlich in die Brüche geht. Tiefer und tiefer scheinen sich ihre Augen in ihre Höhlen zurück zu ziehen. Was dabei zum Vorschein kommt, ist freilich kein „wahres Ich“, sondern eine weitere Julia-Roberts-Performance – mindestens ebenso kunstfertig, wie jene der 90er-Jahre, doch diesmal erstaunlich nah am Horrorfilm gebaut.
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