Ach du Scheiße! – Kritik

In Lukas Rinkers Debütfilm ist ein Bad in der Fäkaliensuppe noch das geringste Übel. Ach du Scheiße! ist bierseliges Gaudikino für nicht allzu zart Besaitete.

Selten dürfte ein Titel so kompakt auf verschiedene Ebenen eines Films angespielt haben wie Ach du Scheiße!. Die Formulierung dient einerseits als Ausruf angesichts einer Extremsituation, bereitet somit auf das Szenario vor. Zugleich schwingt rezeptionsseitig das Versprechen auf ein außergewöhnlich intensives Filmerlebnis mit. Schließlich darf der Titel als selbstbewusster Kalauer auch noch wörtlich genommen werden: Lukas Rinkers Debütfilm geht von einer Alptraumvorstellung aus, die wohl jeder Mensch nachvollziehen kann, der schon mal ein Dixi-Klo benutzen musste: Was, wenn dieses Ding umfällt, während ich drin bin?

Ekelkino auf 2 Kubikmetern

Für Frank (Thomas Niehaus) ist das Bad in der Fäkaliensuppe dann aber tatsächlich noch das geringste Übel. Beim Sturz des Häuschens in eine Baugrube hat sich eine extrem lange Metallstange durch seinen Arm gebohrt und ihn dadurch festgesetzt. So gesellt sich zum im umgeworfenen Dixi-Setting ohnehin schon reichlich gegebenem Abjekten nicht nur eine gute Portion Splatter hinzu (wobei gerade gegen Ende nochmal gut nachgelegt wird), es ergibt sich auch gleich das nächste Problem für Frank: In gut einer halben Stunde wird die Grube gesprengt, ein Rauskommen innerhalb dieser Zeitspanne scheint unmöglich. Dass er durch den Sturz sein Gedächtnis verloren hat, erschwert die Sache zusätzlich. Mit Hilfe von außen kann er nicht rechnen: Alle, die ihm beistehen könnten, vergnügen sich gerade auf einem Volksfest, auf dem das mit der Sprengung beginnende Bauprojekt gefeiert wird, und das jegliche Hilferufe übertönt.

Dramaturgisch effektiv durchprogrammiert

Versteht man unter dem Begriff Genre in erster Linie eine gewisse Erwartungssicherheit, mit der das Publikum rechnen kann, erfüllt Ach du Scheiße! diese Funktion geradezu mustergültig. Die Prämissen der Handlung sind einfach zu greifen, und was sich daraus ergeben wird, ist im Prinzip ebenso klar. Das Publikum spekuliert weniger was, sondern wann und wie es passieren wird. Zur inhaltlichen Spannung kommt eine inszenatorische hinzu, die sich nicht aus der Frage ergibt, wie man aus dem Dixi kommt, sondern, wie man drin bleibt – wie es also Rinker, der auch das Drehbuch geschrieben hat, und seinem Kameramann Knut Adass gelingt, die Geschichte von Franks Überlebenskampf über die kompletten 90 Minuten Spielzeit ausschließlich innerhalb eines so begrenzten Raums in Szene zu setzen, ohne zu sehr auf der Stelle zu treten.

Dass sie diese Herausforderung meistern, ist einer Reihe von wohl durchdachten Strategien zu verdanken, wie etwa dem Kniff, die Außenwelt sporadisch über die Tonspur in den eigentlich abgeschlossenen Mikrokosmos einfließen zu lassen. Eine zentrale Rolle nehmen hierbei die Lautsprecherreden ein, die der Bürgermeisterkandidat und Bauunternehmer Horst (Gedeon Burkhart) auf dem Volksfest schwingt. Diese versorgen Frank und das Publikum mit grundlegenden Informationen über die Lage, können aber auch zu neuen Rahmenbedingungen führen. Ferner erhält jeder auf den ersten Blick noch so unbedeutende Gegenstand innerhalb des Dixis im Laufe der Handlung in bester MacGyver-Manier eine bestimmte Funktion – und Frank damit eine Chance, die er nutzen oder eben versauen kann. Ach du Scheiße! erweist sich als eine dramaturgisch effektiv durchprogrammierte, schwarzhumorige Tour de Force auf engstem Raum.

Bierseliges Gaudikino für nicht allzu zart Besaitete

Trotz des hohen Affektgrads, der hier nicht nur genutzt wird, um über ein inhaltsleeres Drehbuch hinwegzutäuschen, sondern sich meist schlüssig in den wohl ausgelegten Plot einfügt, funktioniert Ach du Scheiße! somit wunderbar als bierseliges Gaudikino für nicht allzu zart Besaitete. Eigentlich in Hessen produziert, ist das Szenario in einem fiktiven bayerischen Ort mit dem möglichst albernen Namen Blasstetten angesiedelt, und die entsprechenden Klischees, vor allem in Form des schmierigen Bierzeltpolitikers Horst, werden schonungslos ausgereizt. Horst wird von einem im Dixi hängenden Wahlposter und seinen über den Lautsprecher schallenden, dialektlastigen Tiraden dabei schon ausreichend charakterisiert, noch bevor er persönlich in Erscheinung tritt. Mit seinem Debüt führt Rinker somit vor, wie ein randständig-absurder Plot mit hohem Ekelfaktor keineswegs so radikal sein muss, wie es zunächst klingt, sondern sich in vergleichsweise massentaugliches Unterhaltungskino überführen lässt.

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