A Traveler's Needs – Kritik
Berlinale 2024 – Wettbewerb: In A Traveller’s Needs spielt Isabelle Huppert Flöte, trinkt Makgeolli und zieht bei einem deutlich jüngeren Mann ein. Damit provoziert sie schon fast ein Hong-Sang-Soo-Melodram.

„Eine Frau sitzt im Park und spielt Blockflöte. Sie sagt, sie komme aus Frankreich. Um etwas Geld zu verdienen, unterrichtet sie zwei koreanische Frauen in Französisch. Sie liegt gerne auf Felsen und sucht Trost in Makgeolli, einem alkoholischen Getränk.“ Soweit die erste Kurzbeschreibung, die auf der Berlinale-Seite über Hong Sang-soos neuen Film zu lesen war, und man stellt sich vor, ob das nun stimmt oder nicht, wie der arme alte Mann diese Synopsis zu einem Zeitpunkt beim Festival einreichen musste, als A Traveller’s Needs selbst noch nicht mehr war als eben genau diese Notiz auf einem Zettel.
Eine Fee in Korea

Denn bekanntlich ist Hongs ohnehin schon aufwandsreduziertes Vorgehen im Spätwerk nochmals radikaler geworden, Locations und Darsteller*innen oft das Einzige, was bei Drehbeginn feststeht, dann werden jeden Morgen Szenen skizziert, Dialoge geschrieben, mal sehen, wohin die Reise geht. Immerhin musste diesmal im Vorfeld ein Langstreckenflug gebucht werden, denn die Frau mit der Blockflöte, die gern auf Felsen liegt und im Makgeolli Trost sucht, wird verkörpert von Isabelle Huppert, die nach ihren Aufritten In einem fremden Land (2012) und in Claire’s Camera (2017) nun bereits in ihrem dritten Hong-Film mitspielt.
Viel mehr als das, was die Synopsis verrät, will auch der Film nicht preisgeben über diese Iris, ein wenig ist sie mit ihrem geblümten Kleid und dem hellgrünen Strickjäckchen sowas wie eine gute Fee aus Frankreich, die immer, so betont der junge Inguk (Ha Seong-guk), bei dem sie eingezogen ist, ganz bei sich ist, immer präsent und dadurch authentisch. Und so eine südostasiatische Europa-Fantasie ist sie auch für den Film, daraus macht A Traveler’s Needs keinen Hehl, wenn Iris mit ihrer ganz eigenen Sprachlehrmethode Koreaner*innen nach ihren Gefühlen befragt, um aus den Antworten kleine französische Mini-Gedichte zu destillieren, die die emotional Geständigen dann auswendig lernen sollen. Ob die Methode funktioniert, sagt Iris in der komischsten Szene des Films auf dem Sofa eines Ehepaares, wisse sie nicht, sie habe sie ja gerade erst erfunden, und sonst auch keinerlei Lehrerfahrung. Aber sie braucht Geld, und Makgeolli.
Das Generische der Gefühle

Nicht nur wegen der prominenten Besetzung und der selten gewordenen 90-minütigen Dauer kommt A Traveller's Needs größer daher als Hongs letzte Filme. Beließ Hong seinen großartig kleinen in water, der im letzten Jahr auf der Berlinale lief, noch gänzlich in der Unschärfe, eine Abstraktionsstrategie, die Hongs schwindende Sehstärke mit seinem Hang zur Malerei verbindet, ist der diesjährige Film nur noch ein bisschen grob verpixelt.
Vor allem aber lässt Hong sein Porträt der social awkardness, die er sonst in den Phrasen des Alltäglichen sucht, fast schon melodramatisch eskalieren, als Inguks Mutter ihren Jungen mit einem Besuch überrascht und bald feststellen muss, dass eine deutlich ältere Französin schon seit geraumer Zeit bei ihm wohnt. Betonte der erste Teil von A Traveller's Needs noch ein wenig kalauernd das Generische gefühlter wie kommunizierter Emotionen – wenn sowohl die junge Isong (Kim Seung-yun) als auch die ältere Yeonhee (Cho Yunhee) auf die Fragen nach ihren Gefühlen beim Klavier- respektive Gitarrespielen exakt dieselben Antworten geben, wenn sie erst das Glück beim Spielen und die Schönheit der Melodie betonen, nur um dann vom Stolz über das eigene Können bei der Genervtheit über das eigene Ungenügen anzukommen –, geht es im zweiten Teil ziemlich zur Sache, und zwischen Mutter und Sohn wird Zwischenmenschliches so explizit ausgedrückt wie selten bei Hong.
Am Ende die Flöte

Iris muss leider draußen bleiben, während Mutter und Sohn streiten, und erst in diesem letzten Teil des Films sitzt eine Frau im Park und spielt Blockflöte, sehen wir das Bild, von dem Inguk seiner Mutter berichtet hat, als diese fragte, wie sich die beiden denn kennengelernt hätten; das Bild, von dem die erste Kurzbeschreibung auf der Berlinale-Seite kündete, die im Prinzip bereits den ganzen Film in sich trägt, was bei diesem Großmeister des Bescheidenen natürlich auf keinerlei Mangel hinweist, sondern genau so sein muss.
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