A Pure Place – Kritik

Ein falscher Messias in strahlendem Weiß, Kellerkinder, die den Aufstand proben, und Dreck, der das Saubere befleckt: Aus diesen Zutaten macht A Pure Place kein Drama, sondern eine Farce.

Das Weiß eines Zahnpastawerbelächelns bestimmt weite Teile von A Pure Place. Gleißendes Licht raubt dem Himmel das Blau, ist dabei aber nicht stechend, sondern anschmiegsam. Sanft und doch alles bestimmend reflektiert es von milchfarbenen Kleidern und Wänden. Begleitet wird dieses Weiß von Symmetrie, Aufgeräumtheit, tempelartigen Räumen mit vielen glatten Flächen. In all dem findet die titelgebende Reinheit ihren Ausdruck.

Dieses ungetrübte Weiß steht entsprechend nicht im Kontrast zu einem satten Schwarz, sondern zu Kleinteiligem, Gebrochenem und Beflecktem. Zu Schmutz, der sich auf Kindergesichtern breitgemacht hat, der an Schweinen klebt. Und wo Schmutz ist, da sind Armut, Verlorenheit und Machtlosigkeit nicht weit.

Teil der Oberwelt werden

Auf einer Insel in der Ägäis findet sich eine sektenartige, autarke Parallelgesellschaft. Angeführt wird sie von Fust (Sam Louwyck), der das Evangelium der Reinheit predigt und von seinen Jüngern wie ein unverwundbarer Halbgott verehrt wird. Unterhalb derer, die sich im Stadium der Erleuchtung befinden, lebt eine zweite Klasse von Menschen – fast ausschließlich Kinder. Sie sind mit dem Vieh, das es zur Verpflegung braucht, in Kellerräume gesperrt und warten darauf, dass auch sie von Fust in den Stand der Erleuchtung berufen werden und Teil der reinen Oberwelt werden dürfen.

Irina (Greta Bohacek) bekommt eben diese Chance, als Maria (Lena Lauzemis) bei Fust in Ungnade fällt und ausgestoßen wird. Nach Irinas Aufstieg beginnt die Gesellschaft aber zu bröckeln. Unten stellte sie eine Art Mutterfigur dar. Ihr Fehlen und ihr Verrat an den Zurückgelassenen führen zunehmend zu Aufstand und Rebellion. Gleichzeitig zersetzt sich unter ihrem vertrauensvollen Blick das Oben. Sie findet mitnichten die Märchenwelt, an die sie glaubte. Stattdessen offenbart sich eine scheußliche Fratze.

Keine Entwicklung, nur Kontamination

A Pure Place ist darin kein Drama, sondern eine Farce, die aus Dualismen gespeist wird. Körper und Geist, Kindheit und Erwachsensein, Projektion und Wahrheit, Aufrichtigkeit und Lüge, Schmutz und Reinheit: Die Handlung hat kaum einen anderen Sinn, als diese Kategorien zu setzen und einander felsenfest entgegenzustellen. Es gibt dementsprechend auch keine Entwicklung im eigentlichen Sinn, sondern nur Kontamination. Der blonde, blauäugige Siegfried (Daniel Sträßer) wandelt sich eben von einer gleißenden Übermenschenfigur in Toga zu einem weltlichen, schwitzigen Menschen. Der Dreck befleckt das Saubere.

Das läuft alles darauf hinaus, dass sich die Reinheit als elitär und heuchlerisch offenbart. In dieser Dekonstruktion nimmt A Pure Place jedoch keine Perspektive ein, in der das Weiß nicht schon immer faschistisch und albern ist. Sam Louwyck ist sichtlich nicht als Messias besetzt, sondern als machtmissbrauchender Täuscher. Ganz Diktator, verspottet er seine Jünger, nutzt sie aus und stellt sie voreinander bloß. Dass hinter seinen Predigten von körperlicher Reinheit sexueller Missbrauch lauert und ein System, das auf Ausnutzung basiert, liegt schon zu Beginn nahe, wenn Maria von Fust überdrüssig weggeworfen wird. Und Irina steigt sichtlich nicht auf, sondern begibt sich in ein Vipernnest. Was im Film aufgedeckt wird, ist höchstens für die Figuren überraschend.

Das Offensichtliche in Dauerschleife

Dass eine Groteske nicht die differenzierteste Herangehensweise wählt und das Ziel ihres Hohns offenlegt, statt es langsam herauszuarbeiten, ist weder ungewöhnlich noch verwerflich. Es ist nur verwunderlich, mit wie wenig sich A Pure Place zufriedengibt. Denn Drastik und (unangenehme) Wildheit such man vergeblich. Weder ist der Film garstig noch sonst irgendwie intensiv. Stattdessen läuft es immer wieder auf dasselbe hinaus, auf einen falschen Prediger in einem täuschenden Weiß. Und eine Rebellion, die ihre Menschlichkeit in Wut und den Beschwörungen von Gedärm sucht – ohne dass sich der Film mit einer tatsächlichen Darstellung von Gekröse wirklich die Hände schmutzig machen würde.

Hatte Regisseur Nikias Chryssos mit Der Bunker (2015) noch Sinn für eine tongue-in-cheek-Komödie bewiesen, die seltsame Leute dabei verfolgte, wie sie seltsame Dinge machen, ohne den Sinn des Ganzen allzu einzuengen, da schafft es sein neuer Film nicht, aus seiner Klarheit auszubrechen. Konzeptuelle Einstellung wird bis zur Ermüdung an konzeptuelle Einstellung gereiht, die das immer Gleiche kommunizieren. In dieser Wiederholung des Offensichtlichen in einem leuchtenden, sterilen Weiß bekommt A Pure Place etwas Statuenhaftes. Der Film steckt in einer Schleife fest und gefällt sich darin, ein wenig schräg zu sein. Tatsächlich ist er aber vor allem mühsam. Als sitzen wir im Autoreplay vom Musikvideo zu Jesus He Knows Me fest – nur dass sich Genesis darin nicht ansatzweise so ernst nahmen.

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