3 Tage in Quiberon – Kritik

Eine Ikone des Leidens, hinter der der lebendige Mensch unsichtbar bleibt: 3 Tage in Quiberon durchschaut dieses Konstrukt, doch dem schönen Bild der traurigen Romy Schneider kann auch er nicht widerstehen.

In der öffentlichen Wahrnehmung erschien das Leben von Romy Schneider stets wie von einer einzigen, konstanten Dynamik bestimmt. Ihr gesamtes Erwachsenenleben lässt sich erzählen als die Geschichte einer Flucht – der Flucht vor dem lieblichen Lächeln und der süßlich-säuselnden Stimme, mit denen sie als Kaiserin Sissi in jungen Jahren berühmt wurde. Schneider zog nach Frankreich, spielte über mehrere Jahrzehnte in betont anspruchsvollen, komplexen, alles-nur-nicht-naiven Filmen mit und konnte doch das Bild der Sissi nie gänzlich verdrängen, ihre Identität nie ein für alle Mal von dem Gespenst der eigenen Kindheit loslösen. Das frühere, noch unreife Selbst haftete stets wie eine Ölschicht an ihr und verklebte ihr die Gliedmaßen, so sehr sie es auch abzuschrubben versuchte.

3 Tage in Quiberon 1

Diese innere Zerrissenheit – nicht mehr Kind sein zu wollen und nicht Erwachsener sein zu dürfen – steht auch im Zentrum von Emily Atefs 3 Tage in Quiberon. Der Film zeichnet die Umstände eines mehrtägigen Interviews nach, das Romy Schneider (Marie Bäumer) ein Jahr vor ihrem frühen Tod einem Journalisten des „Stern“ (Robert Gwisdek) im französischen Kurort Quiberon gegeben hatte. Immer wieder muss Schneider während des Interviews darauf beharren, dass man das leidige Sissi-Thema doch nun endlich beiseitelassen solle – doch macht Atefs Film auch deutlich, wie wenig ihr die äußeren Umstände ihres Lebens Gelegenheit zu einer solchen Loslösung boten. Denn sämtliche Menschen, auf die Schneider in 3 Tage in Quiberon trifft, verhalten sich ihr gegenüber wie ein grenzenlos wohlwollendes Publikum, das jede Äußerung, jede Geste, selbst jeden noch so leeren Blick als Ausdruck umwerfenden Charmes behandelt. Sofort liegen ihr die Menschen zu Füßen: Sie bekommt in einem eigentlich geschlossenen Restaurant natürlich noch einen Tisch, alle Gespräche drehen sich stets nur um sie, auch ihre durchaus mal strengere Freundin (gespielt von Birgit Minichmayr) existiert eigentlich nur, um sich um Schneider zu kümmern, und selbst der arrogante Stern-Journalist muss sie, wenn auch vielleicht nur aus professionellen Zwängen, als ein transzendentes Mysterium behandeln. Auf diese Art besteht für Schneider nie die Notwendigkeit, andere aktiv von etwas zu überzeugen oder für sich einzunehmen – es gibt somit keinen Widerstand, angesichts dessen sie ihre Eigenständigkeit unter Beweis stellen könnte, sich eine klar ausgeformte, stabile Identität herausbilden ließe.

Eine leblose Detailfülle

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3 Tage in Quiberon ist in Tempo und Aufbau somit geprägt von einem gewissen Leerlauf, der zwar durchaus die innere Starre seines Sujets wiedergibt, aber zugleich dazu führt, dass einem die Faszination, die für viele Menschen von der Person (oder eher: von der Erscheinung) Romy Schneider ausgeht, kaum nähergebracht wird. Zwar spricht Schneider im Zuge des Interviews sehr ausführlich und nachdenklich über ihre innere Niedergeschlagenheit, ihre tiefsitzenden Ängste und die Erschütterungen, die ihr bisheriges Leben geprägt haben. Doch bleibt diese ganze Detailfülle dann doch nur eine Ansammlung statischer Informationen. Der lebendige Mensch Romy Schneider, der Entscheidungen treffen, auf Widrigkeiten reagieren und sich mit seiner biografischen Prägung aktiv auseinandersetzen muss, der bleibt weitgehend unsichtbar. Schneiders Traurigkeit, ihre verzweifelten Ausbrüche überschwänglicher Freude, ihr Hang zur Selbstzerstörung – sie sind in Atefs Film die Facetten eines Leidens, das nicht mehr konkret und individuell, sondern bereits zu einer abstrakten Ikone geworden ist.

Eine Ikone der Traurigkeit

Eine bittere Pointe von Romy Schneiders Leben ist ja, dass sie erst durch ihre unglücklichen letzten Jahre und ihren frühen Tod das schaffte, was ihr im Leben nie so recht gelang: das Bild der Sissi endgültig abzustreifen. Doch dafür trat ein anderes, nicht weniger idealisiertes Bild an seine Stelle: das Bild der traurigen Romy. Schneiders Tablettensucht, die emotionale Fixierung auf ihren Sohn oder ihr starr und melancholisch in die Ferne gerichteter Blick sind längst zu Elementen einer nachträglichen Inszenierung geworden, deren ganzer Zweck es ist, die Wünsche und Ängste eines betrachtenden Publikums aufzugreifen, zu bündeln und irgendwie beherrschbar zu machen. 3 Tage in Quiberon gestaltet die angespannte Interaktion zwischen Journalist und Interviewsujet als ein permanentes Abgleichen von persönlichem Mitteilungsbedürfnis und kalkulierendem Gestaltungswillen. Auf diese Weise macht Atefs Film deutlich, dass auch das Bild der tief fühlenden und unendlich traurigen Romy in erster Linie ein mediales Konstrukt ist, ganz auf die Bedürfnisse einer anonymen Öffentlichkeit abgestimmt. Doch so sehr 3 Tage in Quiberon dieses Konstrukt durchschaut, so wenig scheint der Film daran interessiert, es nachhaltig aufzubrechen oder ihm nennenswerte neue Facetten hinzuzufügen, es wird vielmehr nur immer wieder aufs Neue unterfüttert. Das Bild der unrettbar traurigen Romy – es ist für Atefs Film dann einfach doch zu schön, als dass man sich nachhaltig davon loslösen könnte.

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