A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani – Kritik

VoD: Ein Gefangener, der nach einer Heldentat auf eine Begnadigung hofft, kann seiner kleinen Notlüge nur noch beim Eskalieren zusehen. In Asghar Farhadis A Hero geht es wieder um das Wahre, das Richtige und das Gute.

The Lady Vanishes, das ist irgendwann das Hauptproblem. Denn auf einmal hat Rahim (Amir Jadidi) keine Beweise mehr dafür, dass er ein Guter ist. Dass er zurecht gefeiert wurde von der Nation. Dass er sich seine Begnadigung verdient hat. Man beginnt nun zu vermuten, Rahim habe die Handtasche mit Goldstücken gar nicht, was für ein Ehrenmann, an die Besitzerin zurückgegeben, obwohl er das Gold gut hätte gebrauchen können; man munkelt nun, dass da mehr dahinter steckt, ein fieser Plot vielleicht, um sich freizukaufen aus dem Gefängnis, in dem Rahim eine Strafe wegen nicht gezahlter Schulden absitzt. Man liegt mit dieser Vermutung gar nicht so falsch, aber man liegt auch gar nicht so richtig. Man steckt schon mitten in jenem Graubereich, in dem Asghar Farhadi sich wohl fühlt.

Experiment mit festgelegtem Ergebnis

Auch in A Hero geht Farhadi von einer simplen Ausgangssituation aus und baut daraus ein komplexes Gewebe, in dem ethische Entscheidungen getroffen werden wollen, und jede einzelne ist ein wuchtiger Schmetterlingsflügelschlag, der entscheidende Konsequenzen für den Handlungsverlauf hat. Auch in A Hero ist der Iran ein Gebilde, in die Farhadi seinen Ausgangsplot wie eine chemische Lösung injiziert und dann zusieht, wie es sich verändert. Anders als in Farhadis letzten Filmen funktioniert das in A Hero gut genug, um nicht ständig daran zu denken, dass das Ergebnis des Experiments schon vorher feststand. Dieses Mal webt Farhadi sogar Social-Media-Dynamiken mit ein, im Off allerdings, nicht ins Bild gesetzt, eher als dieses “man” im vorherigen Absatz, und das wirkt ganz und gar nicht aufgesetzt, oder besser: es ist so aufgesetzt, wie alles aufgesetzt ist in einem Film von Asghar Farhadi.

Denn ich mache mir ja von vornherein keine Illusionen, dass ich hier auf ein irgendwie offenes Feld geschickt werde. Ich weiß, ich werde mich in diesem Plot-Labyrinth nicht selbst verlieren dürfen, sondern werde behutsam, aber bestimmt durch seine Gänge geführt, und manchmal wird mir auch eine Abkürzung durch ein Plot Hole in der Hecke angeboten. Das Labyrinth sieht schön aus von innen, es wirkt komplex, der Weg hindurch aber ist vorgezeichnet.

Nicht nur Individuen, sondern auch Institutionen

Es sind also die alten Stärken und Schwächen seines Kinos, die auch Farhadis neuen Film bestimmen. Dass es sein vielleicht bester seit Nader und Simin ist, liegt auch an Hauptdarsteller Amir Jadidi und seinem eher verzweifelten als entwaffnenden Charme, mit dem Rahim einer kleinen Notlüge beim Eskalieren zusieht. Es liegt auch daran, dass das Gewebe von A Hero nicht nur Individuen und ihre Entscheidungen in den Blick nimmt, sondern ganze Institutionen: Das Gefängnis ist ebenso um seine Reputation bemüht wie eine Charity-Organisation, die Rahim ein Zertifikat für seine gute Tat verleiht. So gelingt Farhadi, was er stets versucht: universelle Fragen nach dem Wahren, dem Richtigen und dem Guten streng an die gesellschaftlichen Bedingungen zu binden, unter denen sie hervorgebracht und ausgehandelt werden.

Der Film steht bis 05.09.2024 in der Arte-Mediathek.

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