Im Angesicht des Verbrechens
VoD: Quality TV made in Germany. Nachdem amerikanische Erfolgsserien mit hoher „production value“ den deutschen Fernsehmarkt zuletzt geradezu überschwemmt haben, setzt Arte auf die Karte Dominik Graf. Ein Trumpf-Ass.

Bereits mit KDD – Kriminaldauerdienst (seit 2007) hatte das ZDF, zum Teil etwas unbeholfen, versucht, auf amerikanische Erfolgsformate, vor allem The Shield (2002–2008), zu reagieren. Renommierte Regisseure und hervorragende Darsteller konnten dabei über Mängel im Konzept nicht hinwegtäuschen. Vor allem die mobile Kamera und eine hohe Schnittfrequenz sollten Tempo und Atmosphäre erzeugen, verursachten aber zuweilen vornehmlich Diffusion.
Im Angesicht des Verbrechens zeichnet sich ebenfalls durch die sehr bewegliche, oft aus der Hand gefilmte Kamera und den Schnitt aus. Die hohe Auflösung und die Vielzahl an Einstellungsvariationen erinnern zuweilen an Prison Break (2005–2009), besonders an deren legendäre Folgen sechs und sieben der ersten Staffel.

Doch Autor Rolf Basedow, Regisseur Dominik Graf und die Redakteure um Andreas Schreitmüller orientieren sich niemals zu stark an Genrevorbildern, sondern überzeugen durch Eigenständigkeit. Etwas wie Im Angesicht des Verbrechens hat es so noch nicht gegeben!
Was vor allem an der Bandbreite des Gezeigten, an der Vieltönigkeit der Stimmen liegt. Im Angesicht des Verbrechens ist sich nicht zu schade, gerade zu Beginn, einem Hang fürs Trashige nachzugehen. Da wird zuweilen sogar der altehrwürdige Ivan Drago zitiert, nur um wenig später so etwas wie Brecht’sche Verfremdungselemente einzubauen. Doch egal, welche zum Teil absurden Seitenpfade die Serie auch einschlägt – Tempo und Spannung lassen nie nach.

Der Zehnteiler um zwei Berliner Polizisten, die gegen die russische Zigarettenmafia ermitteln, entwickelt eine Komplexität und epische Dimension, die, was Handlungsstränge und Personenkonstellationen anbelangt, ihresgleichen sucht.
Im Angesicht des Verbrechens provozierte bei einer Sondervorführung während der Berlinale ständigen Szenenapplaus, minutenlangen Beifall nach jeder Folge und stehende Ovationen am Ende.Jetzt darf vor den Fernsehgeräten mitgefiebert und gelacht werden, es ist vollbracht: Der hiesige Fernsehmarkt hat sein eigenes Twin Peaks!
Die Serie steht bis 30.04.2021 in der ARD-Mediathek. (sk)
Sendetermine
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, Arte, Das Making of
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, Arte, Folgen 3 & 4
, Arte, Folgen 1 & 2
Die Serie steht bis 15.05.2022 in der BR-Mediathek.
Kommentare zu „Im Angesicht des Verbrechens“
Serienliebhaber
Schade nur, dass so wenig Vertrauen in solche Formate gesetzt wird und die Serie nach sehr kurzer Zeit auf einen Quotenarmen Sendeplatz verlegt wird um dann im allgemeinen TV Dschungel zu verschwinden.
Wenn diese Ängstlichkeit sich nicht irgendwann legt und dem Publikum nicht die Chance gegeben wird die Qualität zu erkennen, werden solche Senungen, auch die amerikanischen, dem Mittelmaß der üblichen Freitagabend Krimis leider unterliegen.
The Wire ist in Deutschland ab der zweiten Staffel, nicht einmal zum Verkauf erhältlich!