Hilde – Kritik
Hilde ist keine reine Hommage, sondern versucht sich der Ambivalenz der Biografie Hildegard Knefs in der Kriegs- und Nachkriegszeit anzunehmen.

Der Film beginnt am Ende seiner Erzählung. Heike Makatsch landet als Hildegard Knef auf dem Höhepunkt ihrer Karriere im Berlin der 60er Jahre. Diese Karriere beginnt jedoch schon im Nazideutschland, wo Hilde, auf besondere Empfehlung von Reichspropagandaminister Goebbels, ihre Ausbildung an einer Berliner Schauspielschule beginnt und kurz vor dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus noch als Mann verkleidet an der Seite ihres Geliebten, des Nazi-Filmbosses Ewald von Demandowsky (Anian Zollner), im deutschen Volkssturm gegen russische Truppen kämpft.

Kaum ist der Krieg vorbei, will sie im zerstörten Berlin so schnell wie möglich wieder auf die Bühne und ihre Vergangenheit dabei, so gut es geht, vergessen: „Ich war sieben Jahre alt, als Hitler an die Macht kam. Ich war zu jung, um eine Revolution zu starten.“ Vor allem im ersten Teil thematisiert der Film diesen äußerst fragwürdigen Umgang Hildegard Knefs mit der eigenen Vergangenheit. In einer späteren Szene wird ihr im Zuge der Schmähungen durch die Presse nach der Premiere ihres Films Die Sünderin (1951) der Tisch im Restaurant verwehrt. Die Knef echauffiert sich daraufhin lautstark über die spießbürgerliche Fassade der deutschen Nachkriegsgesellschaft, die sich seit der nationalsozialistischen Herrschaft nicht im Geringsten verändert habe. Sie beansprucht dabei für sich einen Blick von außen, lässt aber völlig außer acht, dass sie selbst zu dieser scheinheiligen Gesellschaft gehörte, die obendrein einen nicht unerheblichen Anteil an ihrem Erfolg hatte.

Bis auf diese kurze Sequenz bleiben ebendiese gesellschaftlichen Strukturen aber außen vor. Die nationalsozialistische Vergangenheit ihrer Schauspiellehrerin Else Bongers (Monica Bleibtreu) wird zum Beispiel völlig ausgeblendet und auch Knefs Rolle als KZ-Opfer im ersten deutschen Nachkriegsfilm Die Mörder sind unter uns (1946) findet keinen Platz. Gerade an solchen Stellen hätte der Film seine Perspektive erweitern können. Die Ambivalenz der Knef’schen Biografie, der Wessels Inszenierung sonst durchaus gerecht wird, steht auch sinnbildlich für die der deutschen Nachkriegsgesellschaft, einer Gesellschaft von Tätern und Mittätern, die sich bis 1968 mit ihrer Schuld nie wirklich auseinandergesetzt hat.

Hilde beschränkt sich stattdessen ganz auf seine Protagonistin. Ihre Biografie wird episodenhaft erzählt. Dabei hat es den Anschein, als wisse der Film selbst nicht genau, was er denn nun eigentlich über zwei Stunden lang über Hildegard Knef erzählen soll. So werden die Stationen ihrer Karriere einfach nacheinander abgeklappert. Trotz seiner ermüdenden Länge bildet Hilde aber nur einen Ausschnitt aus Knefs Vita ab. 1966, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, endet die Erzählung. Die Beziehungen zu drei verschieden Männern stellen dabei gewissermaßen die drei Hauptkapitel dar, ähneln sich jedoch stark. Eine Entwicklung der Persönlichkeit Hildegard Knefs ist nur schwer auszumachen, es entsteht kein differenziertes psychologisches Profil. Von Beginn an wird sie als opportunistisch und karrierefixiert charakterisiert. Zielstrebig verfolgt sie ihren Weg nach oben und blendet alles, was sie daran hindern könnte, meist erfolgreich aus.

Die visuelle Strategie von Hilde ist es, historische Authentizität zu suggerieren. Gleich zu Beginn des Films integriert Regisseur Kai Wessel seine Aufnahmen in historisches Bildmaterial aus dem Berlin der 60er Jahre. Diese historische Authentizität geht dann tatsächlich so weit, dass man die Makatsch in einigen kurzen Momenten am Anfang wirklich für die Knef hält. Und damit ist ein Teil des Kalküls so ziemlich jeden konventionellen Biopics zunächst aufgegangen. Die Bilder des Kameramannes Hagen Bogdanski sind stark gefiltert und appellieren mit ihren weichen Konturen und warmen Farben an eine nostalgische Vorstellung der 50er und 60er Jahre. So schwimmt Hilde im Fahrwasser einer Ästhetik der Nachkriegszeit, die sich spätestens seit Sönke Wortmanns Kassenerfolg Das Wunder von Bern (2003) im deutschen Mainstreamkino durchgesetzt zu haben scheint. Visuelle Innovation sucht man in Wessels Inszenierung vergeblich.

„Wer ist Hildegard Knef?“, rezitiert Heike Makatsch als Hildegard Knef am Ende von Hilde auf der Bühne ihren kurz vorher verstorbenen Mentor Erich Pommer (Hanns Zischler). Ihre eigene Antwort („Das ist Hildegard Knef!“) lässt die Frage aber im Grunde genauso offen wie der Film. Das soll Hildegard Knef gewesen sein?
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Kommentare
June
Lieber Felix, du vernachlässigst, dass die Hilde auch als sehr sensibler, mutiger, humorvoller, selbstironischer, kraftvoller, zerbrechlicher und eben menschlicher Mensch gezeigt wird. Ich finde, damit wird der Film ihren Facetten gerecht und zeichnet zumindest eine scharfe Silhouette der Person Hilde.
Gerry
Natürlich ist Hildegard Knef eine Persönlichkeit die nur derjenige kennt der zu den engsten Freunden dieser faszinierenden Persönlichkeit zählt. Alles andere muss aus der Perspektive des Beobachters rekonsturiert werden und das ist in diesem Film hervorragend gelungen dank einer genial und blendend spielenden Heike Makatsch...Hut ab, das hat sie genial gemeistert und stellenweise glaubt man tatsächlich "Hilde" leibhaftig vor sich zu haben. Ich finde den Film ein Juwel des deutschen Kinos.
2 Kommentare