„What have you seen?“ - Die Final-Destination-Reihe

Das wieder hoch im Kurs stehende Horror-Franchise Final Destination handelt vom erfolglosen Versuch, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Und nähert sich dabei progressiven, wenn nicht gar utopischen Gedanken an, die von den Filmen freilich an billigen Zynismus verraten werden.

Ich suche im populären Kino immer Utopien, die uns eine Zukunft ermöglichen, die lebenswerter ist, als die Realität, in der wir zurzeit leiden. In der Praxis grenzt dies an Masochismus, da sich die Filme selten ihrer eigenen revolutionären Impulse oder Utopieentwürfen bewusst sind. In keinem Genre wird das deutlicher als im Horror und kaum eine Filmserie missversteht ihr Potential besser als Final Destination. Ein Franchise, das in seiner Genese den Raum für Solidarität, Anarchie und ein neues Freiheitsbewusstsein öffnen sollte, sich stattdessen aber der Ironie und dem Zynismus verschreibt. Und trotzdem liebe ich diese Filme, kann mich nicht davon abhalten, sie erneut und erneut zu sichten. Es ist eine in sich irrationale Einstellung, aber dadurch auch irgendwie schön.

Der Rhythmus der einzelnen Filme ist seit dem Beginn der Reihe mit Final Destination (2000) von James Wong nahezu gleich geblieben. Ein Protagonist ahnt eine Massenunglück voraus, rettet anderen damit das Leben und erzürnt den Tod, der als sentiente, elementare Kraft beginnt, sich die ihm entflossenen Leben nach und nach zurückzuholen. Er arbeitet mit Wasser, Wind, Luft, Feuer und Elektrizität und vermag es, beliebige Alltagssituationen in Todesmaschinen zu verwandeln, die im Laufe der Serie an Komplexität und Einfallsreichtum zunehmen. Ähnlich wie im Fall der Saw-Serie werden die Filme mehr und mehr um die einzelnen Setpieces angelegt, allerdings ohne dass sich ähnliche melodramatische Höhen oder narrative Hysterien einstellen.

Mit immer gröberem Pinsel

Fesselt der erste Teil noch durch Y2K-Teenageangst und konfrontiert Körper, die sich durch ihre Jugend unbesiegbar fühlen, mit der schleichenden Sicherheit, dass sie sterben werden, so wird der Ton mit Final Destination 2 (David R. Ellis, 2003) und Final Destination 3 (James Wong, 2006) erst ironischer und dann zynischer. Die Filme skizzieren ihre Charaktere mit immer gröberem Pinsel, zeigen sie oft von ihrer schlechtesten Seite, sodass die Motivation, sich um ihre Leben zu sorgen (oder wenigstens ihren Tod zu betrauern), immer niedriger und niedriger wird. Wie die meisten Horror-Franchises hat auch Final Destination kein Interesse daran, die Impulse zu hinterfragen, die ein Publikum dazu treibt, sich am Sterben totzusehen. Man bespielte den Markt, bis der Markt aufhörte zurückzuzahlen. So dauerte es bis zu diesem Jahr, dass die Reihe mit Final Destination: Bloodlines fortgesetzt wurde - der neue ist bereits jetzt finanziell so erfolgreich, dass wenigstens die Ankündigung des nächsten Teiles nur noch Formsache ist.

Man vergleiche nur den Tonfall der jeweils ersten Tode in den ersten beiden Filmen: In Final Destination erstickt Todd, der wenige Tage zuvor seinem Bruder verlor, in seinem Badezimmer. Es ist ein intimer, leiser Tod. Seine letzten Atemzüge schneidet der Film gegen den Vater, der mit Zeitung und Whiskey im Wohnzimmer eingeschlafen ist. In Final Destinaton 2 trifft es Evan, dessen Background zeitgleich mit seinem Tod erzählt wird und der sonst nie direkt mit den anderen Protagonisten interagierte. Evan hat im Lotto gewonnen und lebt in dem Fiebertraum eines man caves, ernährt sich scheinbar nur von abgelaufenen oder aufgewärmten take out. Während erst das Essen und dann die Küche Feuer fangen und er um sein Leben kämpft, spielt im Hintergrund eine Mailbox Nachrichten ab, die ihm zu seinem Gewinn beglückwünschen. Er entkommt knapp der Explosion in seiner Wohnung, rutscht auf vorher auf den Boden geworfenen Spaghetti aus – „Shit, I’m lucky“ – und sein Kopf wird von der fallenden Feuerleiter zersplattert.

Das Geschäft des Todes als gig economy

Im ersten Teil sind Beerdigungen und Memorials noch ein wichtiges Strukturelement der Handlung, das alle Protagonisten zusammenbringt. Im dritten Teil schneidet Wong von Sonnenbänken, in denen zwei Frauen lebendig verbrennen, zu deren Särgen. Trauerarbeit nimmt in den späteren Filmen weniger und weniger Platz ein, was schade ist. Einer der Faktoren, der unerschütterlich positivistisch unser Leben strukturiert, ist der Tod. Darin liegt sein revolutionäres Potential: Im Tod sind wir alle frei. Bedingungslos und ewig während. Wenn wir uns alle darauf einigen könnten, unsere Todesangst abzulegen, was für eine Welt könnten wir uns erkämpfen, welche Solidarität würde daraus erwachsen. Doch selbst der Tod ist in Final Destination an Hierarchien, Autoritäten und Regeln gekettet. Tony Todd tritt in den Filmen als William Bludworth auf, ein Bestatter, der jeder neuen Gruppe die Regeln erklärt. Der Tod hat einen Plan, eine Liste, die die Reihenfolge vorgibt, in der die Charaktere sterben werden. Schafft es jemand, den Tod auszutricksen, indem er zum Beispiel stirbt, aber wiederbelebt wird, überspringt der Tod dessen Listenplatz und greift sich die nächste Person. Im fünften Teil wird noch das Konzept eingeführt, dass man dem Tod zuarbeiten, ihm ein anderes Leben für das seine geben kann. Dessen verbleibende Jahre werden dann gegen die eigenen aufgerechnet. Regeln über Regeln. Statt den Anarchismus, den wir uns verdienen, bekommen wir die bürokratische gig economy, die wir uns erschaffen haben.

Was aber führt mich immer wieder zu den Filmen zurück? Ich mag die Momente von Solidarität, die die Filme fast zufällig zu finden scheinen. Wie sich Beziehungen und Charaktere, die schablonenhaft wirken (vgl. Kevin in Final Destination 3) bemühen, bessere Menschen zu werden. Doch am Ende interessieren sich die Filme nicht dafür, wie wir leben würden, wenn wir uns unseres Todes bewusst wären. Wie wir unsere politische Ziele umsetzen würden, wenn wir wüssten, dass wir nur dann sterben können, wenn wir an der Reihe wären. Nicht einmal dafür, wie viele andere Menschen ein Einzelner töten würde, um sein eigenes Leben zu verlängern. Stattdessen klatschen wir für und kreischen über Enthauptungen, Aufspaltungen, Kopfwunden und Schilder oder Glasplatten, die Menschen in CG-Blutpools verwandeln. Gleichzeitig klammern sich die Filme an das Leben, schließen alle Positionen aus, die ein selbstbestimmtes Ende vorziehen. Wenn sich Eugene in Final Destination 2 erschießen oder George in Final Destination 4 erhängen will, blockiert der Tod die Pistole oder lässt George einfach nicht ersticken. George wird auch sofort von den anderen für sein Verhalten getadelt und sein Überleben in eine christliche Vergebungsethik umgedeutet. Am Ende wird er für einen simplen Jump Scare von einem Krankenwagen überfahren.

Ausbruch unmöglich

Der Horror dieser Filme liegt im Kontrollverlust – spätestens mit Final Destination 3 wird das auch auf der Leinwand mitreflektiert und dennoch sind sie zu sehr in ihren eigenen Rhythmus gefangen, können nicht aus ihm ausbrechen. Was es an Innovation gibt – zwischen Final Destination 3 und 4 kann man dem Franchise dabei zusehen, wie es Parallelmontage lernt –, steht immer nur im Kontext und im Dienste der set pieces. Den klarsten Bruch mit diesem Prinzip stellt der neueste, sechste Teil Final Destination: Bloodline dar. Strukturell ist dies der mit Abstand anspruchsvollste Filme, er hangelt sich durch Flashbacks, ändert die Regeln, gibt dem ganzen einen ernsten und empathischen Anstrich und gleicht sie am Ende doch wieder an. Eine Frau rettete in den 60ern zahlreichen Menschen das Leben, gründete eine Familie und langsam, aber stetig arbeitet sich der Tod durch die Familienbäume, bis er bei ihrem landet. Der Film ist emotionaler als alle Filme zuvor – Richard Harmon wurde geboren, um genau diese Art von Zynist mit Herz zu spielen – und muss doch wieder in den alten Rhythmus abgleichen. Das Ende – mit expliziten call back zu Final Destination 2 – fühlt sich deswegen auch umso zynischer an, zeigt, wie sehr sich die Filme durch ihre eigene Regeln limitieren.

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