Schreiben über Film (3): 100-Wörter-Texte

Miniaturen zum Festival. Drei kurze Texte über Filme des aktuellen Berlinale-Programms, verfasst von Studierenden des Seminars „Schreiben über Film auf der Berlinale“ (Stiftung Universität Hildesheim).


Greta (Brasilien 2019, Regie:
Armando Praça)

Liebe Berlinale-Besucherin aus der dritten Reihe, Cinestar, Saal drei: Pedro geht es gut! Nach zehrender Einsamkeit gelingt es ihm, die Kraft aus sich selbst zu schöpfen; er transformiert zu Greta Garbo, die ihm lebenslanges ein Vorbild war. Ich dachte, ich teile Ihnen das Ende von Greta mit, nachdem Sie zur zweiten Hälfte kopfschüttelnd den Saal verließen. Ich meine sogar, dass Pedro Ihnen nachschaute, als hinter Ihnen die Tür zuschlug. Wer weiß, was der Film Ihnen noch zu sagen hatte, hätten Sie ihn aussprechen lassen. Aber wer bin ich, zu urteilen? Zu Hause in meinem Schlafzimmer hängen nur halbe Gemälde.

(Samuel Bereuther)

Born in Evin (Deutschland/Österreich 2019, Regie: Maryam Zaree)

Maryam fliegt und wartet auf den Aufprall. Er kommt nicht. Vielmehr gleitet sie durch ihre eigene Geschichte und die ihrer Eltern. Als Tochter iranischer Flüchtlinge ist sie in Deutschland aufgewachsen, aber geboren ist sie in Evin, einem der berüchtigtsten politischen Gefängnisse des Iran. Was ist dort passiert? Wie hat sich das Erlebte in ihren Körper und ihre Seele eingeschrieben? Sie kämpft sich durch ein Netz von Verdrängung, um die Leerstelle in ihrem Leben zu füllen. Auch wenn sie keine Antworten erhält, lernt sie doch, wie wichtig es ist, Fragen zu stellen und gegen das Schweigen anzugehen – diesmal zu Fuß.

(Valeska Rediger)

Selfie (Frankreich/Italien 2019; Regie: Agostino Ferrente)

Zwei Augenpaare fixieren mich. Ein ernster, erwartungsvoller Blick, der mich nicht loslässt, genau beobachtet, was ich zeige. Er nimmt mich mit, hält mich fest und fährt mit mir Scooter. Ich trinke mit ihm Cocktails in der Sonne vor dem Eisladen und finde Abkühlung beim Planschen im Meer. Dabei bin ich immer bloß eine Armlänge entfernt. Fast jeder besitzt mich, und doch fängt meine Linse in den seltensten Fällen mehr als Alltagsschnipsel ein. In Selfie darf ich anders. Einmal Filmkamera sein und ein Abenteuer erzählen, handy wie ich bin. Am Ende die Erkenntnis: Was die Großen können, kann ich schon lange.

(Moritz Heuwinkel)

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