Propaganda – Filmfestival Cottbus 2018
Ein Flughafen und ein Schimpanse: Zwei Filme aus Cottbus kreisen um die nationalistische Vereinnahmung von Symbolen. Im einen werden Volkslieder gesungen, im anderen „O sole mio“.

Propaganda braucht Symbole. Der Flughafen von Donezk ist eines dieser Symbole. Von Separatisten besetzt, von ukrainischen Truppen wiedererobert, von beiden zur Ruine zerschossen, steht das, was von ihm übrig geblieben ist, als Symbol für das Scheitern des Waffenstillstands, der im Protokoll von Minsk vereinbart wurde. Die ukrainischen Truppen, die den Flughafen monatelang gegen die pro-russischen Separatisten verteidigten, bekamen im Internet einen schließlich von der Presse aufgegriffenen Spitznamen, der ihr übermenschliches Durchhaltevermögen auf den Punkt bringen sollte: Cyborgs.
Regisseur Akhtem Seitablaev widmet diesen Männern mit Cyborgs: Heroes Never Die einen Film. Einen überaus erfolgreichen Film sogar: Das vom Verteidigungsministerium und der Armee mitfinanzierte Werk eroberte am ersten Wochenende die Spitze der ukrainischen Kinokassen. Aber nicht nur aufgrund des finanziellen Erfolgs kann man dem Film eine gewisse Verwandtschaft zu Dante Lams Filmen Operation Mekong und Operation Red Sea zuschreiben. Alle drei tragen den Kern der nationalistischen Propaganda im Gewand eines Action- und Kriegsfilmhybriden. Während Lam das Kriegsszenario zur hochoktanigen Materialschlacht macht, die so ziemlich jede moderne Kriegstechnologie ins Feld führt, um den chinesischen Weltmachtstatus im Kampf gegen Drogenkartelle und fiktive Islamisten zu untermauern, verzichtet Cyborgs: Heroes Never Die auf die Entmenschlichung jener Männer, die mit dem Sankt-Georgs-Band an der Brust gegen die Ukraine kämpfen. Seitablaevs notdürftig von Schusswechseln zusammengehaltene Low-Budget-Propaganda beschwört in den dialoggefüllten Feuerpausen lieber die Volksseele der Ukraine. Die Soldaten kommen nach ihren Streits über Nikolai Gogol, Nationalismus, Europa und Russland immer wieder unter dem Banner der nationalen Identität zusammen. Gemeinsam angestimmte Volkslieder und die geteilten Erinnerungen an den Maidan dienen Seitablaev dazu, seine aus allen Gesellschaftsschichten zusammengesetzte Kampftruppe unter der blau-gelben Flagge zu vereinen. Wo Lam seinem Propagandafilm eine deutliche Genre-Schlagseite verpasst und nicht davor zurückscheut, die Folgen der Kriegseinsätze nachzuzeichnen, indem er seine Protagonisten buchstäblich in Stücke schießt, gibt es bei Seitablaev die zweite Schlacht um den Flughafen Donezk als durchweg sauberes und nationalistisch zweckdienliches Ereignis zu sehen. Hier sind die Soldaten als Helden ihres Landes noch unsterblich, auch wenn ihre Körper es nicht sind.
Ein Schimpanse, drei Ideologien

Wie gesagt: Propaganda braucht Symbole. Dringend. So dringend, dass zur Not auch ein Affe zum Helden der eigenen Sache erklärt werden kann. In Vladimir Blaževskis Farce Das Jahr des Affen wird der Schimpanse Coco von gleich drei Seiten zum Symbol der eigenen Ideologie erklärt. Nachdem der Affe aus dem heruntergekommen Zoo von Skopje ausbricht, die Autoritäten auf der Ladefläche eines Pickups abhängt und von selbiger schließlich sämtliche Apfelkisten über Bord wirft, wird die Nation erstmals auf den Affen aufmerksam. Zunächst als Held des einfachen Mannes gefeiert (die Kinder der Stadt sammeln die gespendeten Äpfel dankbar ein), wird Coco schließlich zum Streitobjekt für die verschiedenen Ethnien des heterogenen Mazedoniens. Der Rummel um Coco, der das Herzstück für eine ziemlich konfuse Populismus-Farce bildet, wird vom Film selbst aber immer wieder in die Peripherie verdrängt. Denn weder Coco noch sein vor dem Ausbruch entlassener Pfleger Tsobe (Igor Angelov) interessieren sich für den Medienzirkus. Vom Staat gesucht, fliehen sie von der Stadt aufs Land und zurück.
Dass diese „Flucht“ mehr einem ziellosen Abenteuer-Urlaub gleicht, liegt auch an der Begleitung, die Coco und Tsobe mitbringen. So kann die gerade 90 Jahre alt gewordene Tante Wilma (Marija Kohn) ebenso wenig zurückgelassen werden wie Tsobes bester Kumpel Ljatif (Bereda Reshit), außerdem eine gutherzige Reporterin, ein taubstummer Junge und ein Revolutionär im Greisenalter. So füllt sich sukzessive das mit Malereien verzierte Zoomobil, mit dem die Gruppe durch das Land zieht. Geführt von einem allzeit demokratischen und humanistischen Ethos, ist sich der Film nie zu schade, jedem Vorschlag seiner Protagonisten nachzugehen. Man übernachtet gemeinsam im Wald, stimmt zusammen ein emphatisches O sole mio an, teilt einen Schnaps mit den Obdachlosen, gründet eine eigene anarchistische Organisation und liest sich zum Einschlafen gegenseitig Darwin vor. Das Jahr des Affen ist eben dort schön, wo er den gut gemeinten, scheinbar wenig zielführenden Ideen seiner „Revolutionäre“ folgt und ganz beiläufig noch den Blick auf die Lebensrealität des Landes freigibt. Zum Helden will sich in dieser Gruppe niemand verklären lassen: Als eine Trauerrede zu einem Referat über den revolutionären Helden Goze Deltschew auszuufern droht, schiebt die Gemeinde dem mit einem weiteren O sole mio einen Riegel vor.
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