Nouveau cinéma français

Studenten der Universität Regensburg haben im Rahmen eines Seminars zur Medien-Praxis das Filmfest München besucht und sich individuell oder in Kleingruppen den verschiedenen Sektionen gewidmet. Einige der Texte finden hier auf critic.de ihre Publikation.

Französisches Kino par excellence garantiert das Programm des 27. Filmfest München. Die  kleine aber feine Auswahl hält, was sie verspricht: Pures Kino und reine Magie. Die bei französischen Filmen stets präsente Assoziation mit der Nouvelle Vague liegt in diesem Fall nicht fern, denn dass Frankreich auch heute einiges zu bieten hat, beweisen die anspruchsvollen französischen Autorenfilme der Sektion Nouveau Cinéma Francais.

Neben namhaften Größen des französischen Kinos wie André Techiné oder Barbet Schroeder, dominieren in diesem Jahr vor allem junge Regisseurinnen das abwechslungsreiche Programm. Dass Frauen sich in Frankreich auch hinter der Kamera erfolgreich etablieren und es auch an kreativem Nachwuchs nicht mangelt, zeigt die gute Mischung aus alten Bekannten wie Zabou Breitman, die in diesem Jahr mit Ich habe sie geliebt (Je l'amais) ihren dritten Spielfilm präsentiert, und  gelungenen Erstlingswerken wie Emma und Marie (Je te mangerais) von Sophie Laloy.

In einem Spiel aus Spannung und Gefühlen erzählt Laloy in poetischen Bildern à la française die Geschichte der zwei Frauen Emma (Isild Le Besco) und Marie (Judith Davis), sowie deren Beziehung zueinander. Es ist ein packender Psychothriller über Abhängigkeit, Sehnsucht und Leidenschaft. Und auch wenn die Handlung einige Parallelen zu Denis Dercourts Das Mädchen, das die Seiten umblättert (La Tourneuse de Pages, 2007) aufweist, sind die beiden Filme nicht zu vergleichen. Die Emotionen der Protagonistin in Emma und Marie, ihre Sensibilität, der innere Konflikt und der Moment der Erleuchtung, werden dem Zuschauer durch ihr Klavierspiel so deutlich, dass ihm kalte Schauer den Rücken herunter laufen. Wie auch schon in anderen französischen Filmen zuvor, zeigt Sophie Laloy, dass die Kommunikation mit dem Publikum nicht nur durch Dialoge möglich ist und dass, in diesem Fall, Musik mehr sagt als Worte.

Auch Zabou Breitmans Ich habe sie geliebt sagt viel, gerade weil es eben nicht gesagt wird. Oft wird die Handlung nur von dem Geräusch des Windes oder leisem Atmen begleitet und an wenigen Stellen durch stimmungsvolle Musik unterstützt. Diese Stille findet sich auch inhaltlich wieder, denn die Geschichte spielt innerhalb einer Familie, in der man nicht über Gefühle und Probleme redet. Aber Konflikte lassen sich nicht durch Schweigen lösen und so kommt es, dass sich Daniel (Daniel Auteuil) trotz scheinbar glücklicher Ehe in Mathilde (Marie-Josée Croze) verliebt. Als sein Sohn sich aufgrund einer ähnlichen Situation von seiner Frau Chloé (Florence Loiret-Caille) trennt, erzählt er im Laufe einer Nacht seiner Schwiegertochter die traurige Geschichte seiner großen Liebe.

Während im Laufe von Ich habe sie geliebt die Grenzen zwischen Realität und Erinnerung immer wieder zu verschwimmen scheinen, orientiert sich Mia Hansen-Løves Film Le père de mes enfants an einer  wirklich  existierenden Person. Inspiriert durch eine Begegnung mit dem französischen Produzent Humbert Balsan, handelt der Film allerdings ebenfalls von einem Mann, der eigentlich alles hat was man sich wünscht und trotzdem nicht glücklich ist. Anders als in dem Film von Sophie Laloy, steht hier erst in der zweiten Hälfte eine Frau auch vor der Kamera im Mittelpunkt, denn Sylvia Canvel (Chiara Caselli) muss nach dem Tod ihres Mannes, sowohl Haushalt als auch die finanziellen Schwierigkeiten der hinterlassenen Produktionsfirma in den Griff kriegen.

So ist es insbesondere das Schicksal von Frauen, dass in vielen Filmen der Sektion des Nouveau Cinéma Français im Mittelpunkt des Geschehens steht. Und auch wenn André Techiné in La fille du RER ebenso wie Barbet Schroeder in Das Geheimnis der Geisha (Inju, La bête dans l'ombre) eine weibliche Protagonistin in das Zentrum der Handlung setzt, ist doch ein Unterschied zu den Filmen, in denen Frauen auch hinter der Kamera standen, deutlich zu erkennen. Mit besonderem Gespür fürs Detail werden weibliche Charaktere gezeichnet und deren Geschichten erzählt. Emotionen werden durch mehr als Dialog und Bild transportiert und so eine Stimmung geschaffen, die vielleicht nur durch das weibliche Feingefühl einer Frau auf diese Weise eingefangen werden kann.

Der hohe Anteil weiblicher Filmemacherinnen scheint jedoch nicht nur ein Phänomen des Filmfest München zu sein, denn auch an den aktuellen deutschen Kinostarts ist eine solche Tendenz zu erkennen. Dem erst vor wenigen Monaten erschienene 35 Rum (35 Rhums, 2009) von Claire Denis folgen im Juli gleich eine ganze Reihe französischer Filme, bei denen Frauen im Hintergrund die Fäden gezogen haben. Neben Ich habe sie geliebt, kommt in diesem Monat auch das Mädchen aus Monaco von Anne Fontaine und mit Erzähl mir was vom Regen ein weiterer Autorenfilm von Agnès Jaoui in die deutschen Kinos. Insgesamt präsentiert sich das Cinéma Français auf höchstem Niveau und auch in Zukunft kann aus dem Land an der Seine einiges erwartet werden.

Sarah von Derschatta

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