(Ganz) Junge Kritik: Take Shelter

Schülerkritiken zum Film Take Shelter von Jeff Nichols.

Konfrontation mit den eigenen Ängsten 

Take Shelter01

„It’s not just a dream, it’s a feeling.“ Was, wenn unsere Albträume nicht mehr nur Träume bleiben, sondern anfangen, uns zu besitzen?

Jeff Nichols‘ psychosoziales Drama Take Shelter spielt mit Ängsten, die jeden Menschen berühren.

Curtis, der Protagonist des Films, wird von Albträumen und apokalyptischen Visionen geplagt. Durch seinen Verfolgungswahn droht ihm nicht nur der Verlust seines Berufs, sondern auch der seines sozialen Umfelds.

Was auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Panic Room und 2012 aussieht, entpuppt sich als ein Film, der sowohl hollywoodtypische visuelle Effekte, als auch Independent-Charakter aufweist. Im Film steht die Vision des überwältigenden und bedrohlichen Sturmes metaphorisch für die Angst des Protagonisten. Um sich gegen den bevorstehenden Sturm zu schützen, baut Curtis einen Bunker, der Sicherheit, Isolation und Flucht aus der Realität symbolisiert. Am Ende fehlt ihm dieses Versteck und er muss sich seinen Ängsten stellen. Außergewöhnlich ist der Kontrast zwischen der Sensibilität und inneren Zerbrechlichkeit Curtis‘ zu seinem männlich-kraftvollen Äußeren, was dem Film eine unkonventionelle Komponente verleiht.

Musikalisch ist Take Shelter dramatisch und emotional unterlegt und vermittelt dadurch die allgegenwärtige Bedrohung. Der Zuschauer wird durch die besondere Kadrierung miteinbezogen. Anstatt die Bedrohung selbst zu zeigen, legt der Regisseur den Fokus auf die Gesichtsausdrücke und lässt das Publikum die Ereignisse in den Augen der Charaktere ablesen.

Take Shelter02

Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen - der Zuschauer weiß nicht mehr wo der Albtraum anfängt oder wo er endet, was eine gewisse Verwirrung schafft, die zum Nachdenken anregt. Selbst in der letzten Szene wird dieses Prinzip aufgegriffen, was für verschiedene Interpretationsmöglichkeiten sorgt. So könnte der Titel Take Shelter auch als Anspielung darauf bezogen sein, den Schutz nicht in der Isolation, sondern bei der Familie zu suchen.

Kritik von Nerges Azizi und Annika Frenz (Gymnasium Gonsenheim, Mainz)

 

 

Tornadoschutzraum 

Curtis ist 35. Er hat Frau, Tochter, Haus und Hund. Diese Illusion einer amerikanischen Idylle wird dem Zuschauer allerdings von vornherein genommen. Denn die Angst ist der ständige Begleiter des Vaters. Nicht nur die Angst vor der Finanzkrise, die unterschwellig immer präsent ist, sondern eine diffuse Angst vor dem Verlust seiner Familie und Naturkatastrophen, die ihn bis in seine Träume verfolgen.

Im ersten seiner verstörenden und grausamen Alpträume wird er von seinem Hund brutal angegriffen. Dicke, ölartige Regentropfen klatschen ihm ins Gesicht. Sie durchweichen sein Hemd. Der Hund beißt zu und Curtis erwacht. Schweißgebadet.

In solchen Szenen wirkt das Drama wie ein Horrorfilm, in dem es Überraschungsmomente und dramatisierende, eindeutig manipulative Orchestermusik nutzt, um Spannung aufzubauen. Sowohl die Kameraführung in den Traumszenen, die zwischen schnellen und langsamen Bildern variiert, als auch die ständige Nahaufnahme ängstlicher Gesichter hat der Film nicht nötig.

Ihm geht es um die Furcht vor dem Alltäglichen, nicht dem Mysteriösen. Insgesamt scheint die Komplexität des eigenen Themas den Regisseur so zu überfordern, dass er nicht den roten Faden seiner sonst gelungenen Mischung aus Existenzängsten und Traumwelten halten kann.

Take Shelter07

Darüber täuscht auch nicht die beängstigend authentische Leistung Michael Shannons in seiner Rolle als gebrochener Familienvater hinweg. Verunsichert flieht dieser letztendlich aus einer kaltherzigen Welt, in der er seinen Job, seine Freunde und seine Existenzgrundlage verloren hat.

Er flieht in seinen Tornadoschutzraum.

Kritik von Sven Schuppener (Gymnasium Wilnsdorf, Wilnsdorf)

 

 

Aufwachen

Wolkentürme. Zuckende Blitze, öliger Regen. Durch die Bäume rauscht Wind. Ein zerzauster Kopf auf durchwühlten Laken – Curtis wacht auf.

In Take Shelter erzählt der US-amerikanische Regisseur Jeff Nichols die erschreckende Geschichte eines Mannes, der sich durch die Furcht vor Zerstörung selbst zerstört, der sich erstickt fühlt von den verschwommen Gefahren unserer Zeit.

Take Shelter06

In klaren, deutlichen Bildern von buntem Kinderspielzeug vor weiter Graslandschaft und zerklüftetem Himmel schildert der Film den Alltag einer scheinbar perfekten Mittelschichtsfamilie: Eine Ehefrau, deren einzige Sorge das Wohl ihres Mannes und ihrer hörbehinderten Tochter zu sein scheint, ein Mittdreißiger, der nach einem anstrengenden Arbeitstag glücklich in die Geborgenheit seines bescheidenen Eigenheims zurückkehrt. 

Doch dann legen sich schwarze Wolken drohend über die Vorortidylle, orangene Regentropfen lähmen den routinierten Motor des Alltags. Curtis träumt, von Wirbelstürmen und ausdruckslosen Gesichtern vor regenüberströmten Fensterscheiben. Vom Verlust seiner Familie. Als die Halluzinationen sich aus den unruhigen Nächten in sein Leben fressen und sich dort einnisten, bestimmen die unbestimmten Ängste mehr und mehr sein Handeln.

Durch rasche Schnitte verschwimmen auch für den Zuschauer die Grenzen zwischen Albtraum und Wirklichkeit, zusammen mit dem Protagonisten wird er wieder und wieder unerwartet in beängstigende Wahnvorstellungen geworfen. Ständig zwischen feinfühligem Familiendrama und grobschlächtigem Hollywood-Thriller balancierend, verlässt sich der Film zu oft auf genretypische Effekte und ertränkt zarte Szenen in dramatischer Musik.

Take Shelter05

Eine unerwartete Wendung in den letzen Einstellungen des Films wirft alle vom Publikum aufgebauten Erwartungen an ein abgeklärtes Happy-End auf einen Schlag um. Sie hinterlässt den verwirrten Zuschauer rätselnd vor einem Wirbelsturm der Psyche, vor dem grauen Himmel der Möglichkeiten.

Kritik von Merle Wurl und Roberta Huldisch (Schiller-Gymnasium, Berlin)

 

 

Im Strudel der Angst 

Take Shelter08

Curtis streckt die Hand aus und spürt Öltropfen vom Himmel herabregnen. Ein Gewitter braut sich zusammen. In diesem Sinne nimmt uns der erste Langspielfilm des amerikanischen Regisseur Jeff Nichols in den Strudel der Angst mit.

Curtis und seine Frau Samantha leben in einem Hurrikan-Gebiet in den USA. Seit neuestem holen nächtliche Albträume seinen Alltag  ein. Ein Hurrikan tritt ein und er ist gnadenlos den Umständen der allgemeinen Panik ausgesetzt.

Jeff Nichols spielt mit der Angst und macht auf seine Weise einen Film daraus. Ein Mann wird befallen von der Angst und sie weitet sich auf alle möglichen Lebensbereiche aus. Aufgedeckt werden die Gründe dafür nur wenig. Etwa erblich bedingt, weil die Mutter bereits an Schizophrenie leidete? Oder doch berechtigt, aufgrund der bedrohlichen Wetterlagen? Die Angst gilt in diesem Film als Metapher für eine verunsicherte amerikanische Gesellschaft. Die Themen sind klar: Gesundheitswesen, Immobilienkrise, Angst vor Arbeitslosigkeit, Ölfrage und eben Hurrikan.

Nichols stellt die Angst meistens nur durch den Ausdruck der Gesichter dar. Man sieht den Schrecken und versteht das Übel. Bedrohende Vögelschwärme und bloßliegende Messer spielen auf große Klassiker der Psychothriller an wie Shining oder Die Vögel. Die Bilder des Gewitters wirken majestätisch, übermenschlich. Die kluge Vertonung des Regens in der Musik hilft die Spannung bis zum Endes des Films aufrechtzuerhalten.

Take shelter ist ein packender Film, der auf kluge Weise eine Gesellschaft analysiert. 

Kritik von Antoine Stilo (Wagenburg-Gymnasium, Stuttgart)

 

FILM-ANGABEN

Titel: Take Shelter

USA 2011

Laufzeit: 116 Minuten

Regie: Jeff Nichols

 

Neue Kritiken

Kommentare zu „(Ganz) Junge Kritik: Take Shelter

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.