(Ganz) Junge Kritik: Sauna on Moon

Schülerkritiken zum Film Sauna on Moon von Zou Peng.

Die Welt steht Kopf im chinesischen Bordell

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Viele schrille Farben und rasende Szenenwechsel – in Sauna on Moon entführt uns Zou Peng in eine vollkommen neue Welt der Prostitution. Dabei erzählt er von der Geschäftsidee eines chinesischen Bordellinhabers. Obwohl themenspezifisch finanzielle Schwierigkeiten und Ausbeutung angesprochen werden, hebt sich der Film aufgrund seiner speziellen Inszenierung von inhaltlich vergleichbaren Werken mit ihrer eher kriminellen Darstellung der Prostitution ab.

Grelle Farbgebung, häufige Ortswechsel mit harten Schnitten sowie das wackelige Bild der Handkamera rufen im Zuschauer bereits ein Gefühl der Haltlosigkeit und Verwirrung hervor. Hinzu kommen die unaufgeräumten Sets und die Vielzahl an Charakteren, die sich im Laufe der Handlung nicht mehr leicht voneinander unterscheiden lassen.

Nebenbei gelingt es dem Regisseur, mit der Scham des Publikums zu spielen und eine gewisse Verstörung auszulösen. Er schafft absurde Momente, in denen Inhalt und Musik stark kontrastieren, wie es beim Einkauf im Sexshop mit Walzermelodie im Hintergrund der Fall ist.

All das führt zu einer großen Unübersichtlichkeit – der Zuschauer fühlt sich verloren. Dies könnte jedoch auch als eine Widerspiegelung der vielfältigen und komplexen chinesischen Gesellschaft interpretiert werden.

Zwar werden im Film sozialkritische Themen wie die Arbeitsbedingungen in der chinesischen Textilindustrie angesprochen, doch stehen sie im Gesamtwerk eher im Hintergrund. Dadurch wird die gleichzeitig positive Darstellung der Prostitution fragwürdig. Die Ausgelassenheit und die stolze Haltung der Frauen rücken ihren Beruf in ein eher positives Licht.

Sicher stellt Sauna on Moon eine erfrischende Abwechslung zu gewöhnlichem europäischen und amerikanischen Kino dar und bietet zahlreiche Einblicke in die chinesische Kultur. Durch die Reizüberflutung wirkt der Film auf Zuschauer, die nicht mit Asien und dessen Kinoszene vertraut sind, wie eine verrückte Reise auf den Mond.

Kritik von Annika Frenz und Viktoria Franke (Gymnasium Gonsenheim, Mainz)

 

 

Neonwelt

Flackernde Leuchtröhren, Wolkenkratzer über grünen Feldern, Spielcasinos, ein Pool voller Enten. Es ist eine surreale, neonleuchtende Welt, in die sich Zou Peng für seinen zweiten Spielfilm begeben hat.

Sauna on Moon beschäftigt sich mit dem Alltag einer Gruppe junger Prostituierter, ihren Zuhältern und Kunden, ihrem Leben in der chinesischen Provinz Guangdong.

Zou Peng verwendet dabei keine konventionellen Erzählmethoden. Sein Film setzt sich vielmehr aus Bilderströmen und Gedankenfetzen zusammen, verwirrt, zufällig, flüchtig. Es geht hier nur nebensächlich um das Erzählen einer Geschichte; Sauna on Moon will ein Lebensgefühl einfangen.

Die Kamera blickt durch Perlenvorhänge und regenüberströmte Fensterscheiben, diese Bilder verleihen dem Film eine Verruchtheit, einen Eindruck des Verbotenen und Geheimnisvollen.

Das glitzernde, rotlackierte Leben der Prostituierten mit seinen intensiven, kontrastierenden Farben, scheint weit weg vom Ventilatorenrauschen grauer chinesischer Sweatshops. Erst wenn eines der Mädchen mit rosaglänzender Handtasche durch die schlammigen Pfützen ihres Wohngebiets nach Hause läuft, wird klar, wie nah die Welten beieinander liegen. Die flüchtigen Bilder verlangsamen sich und die Kamera hält die vom ungewöhnlichen Alltag gezeichneten Gesichter der Laienschauspielerinnen, ihre Hoffnungen und Ausbruchswünsche fest:  Es wird klar, wie wenig glamourös dieses Leben sein kann.

Eine knapp gekleidete Prostituierte singt in Leopardenprint-Top ihrem eigenen Spiegelbild ein Loblied auf China; ein Trupp Soldaten läuft stumm und geradlinig ins Meer. In solchen Momenten drängt sich das Gefühl auf, dass Sauna on Moon mehr ist als eine eindringliche, wenn auch etwas wirre, Milieustudie, dass die Geschichte der Prostituierten eine breitere, verborgene Systemkritik birgt, die sich nur in verschlüsselten Anspielungen äußern kann: Das Radio erzählt von einer größenwahnsinnigen Mondmission, während die Frauen ihre Körper verkaufen.

Kritik von Roberta Huldisch (Schiller-Gymnasium, Berlin)

 

 

Zwischen Mao und Barbie

Die Prostituierten im Bordell von Mr. Wu arbeiten in einer bizarren Welt zwischen Luxus und Zwang. Damit sind die tragischen Frauenfiguren in Zou Pengs zweiten Langspielfilm Sauna on Moon der Ausdruck des Dilemmas einer ganzen Gesellschaft. Meist von Geldnot getrieben, geraten sie bald in einen Rausch von Materialismus, dem sie sich nicht entziehen können. An der Flucht aus dieser sexistischen Männerwelt werden sie erbarmungslos durch ihre Zuhälter  gehindert.

Meisterhaft setzt Peng so die Widersprüchlichkeit eines modernen China in Szene, das sich mit Extremen wie Armut und Geldgier auseinandersetzt und noch immer seine eigene Identität zwischen Mao und Barbie sucht. Eine Identität, die Peng zumindest für seinen Film findet.

Beeindruckend und konsequent entwickelt er eine Bildersprache von überwältigender Opulenz: Schnelle, bunte Bilder, die eine stets bewegte Kamera aus ungewöhnlichen Perspektiven einfängt; mal fühlt man sich wie ein Voyeur, der die Prostituierten durch regennasse Fenster bei ihrer Arbeit beobachtet, mal wird man Zeuge einer rasanten Flucht, von Freude und Leid.

Nur so gelingt es, das Lebensgefühl jener Frauen zu erfassen, die mit ihren farbigen Louis- Vuitton-Taschen und vor der tristen und ärmlichen Stadtkulisse wie Fremde wirken. Eindringlinge. Auch die Filmmusik greift viele dieser Kontraste auf, indem etwa beim Besuch eines Sexbasars ein klassischer Walzer zu einer grotesken Tanzszene führt. Alles in Mitten von Dildos, Gummipuppen und Peitschen.

In diese kontrastreiche Umgebung setzt der Regisseur ausschließlich Laienschauspieler, von denen während des gesamten Filmes niemand zu einem eindeutigen Protagonisten wird. Den Versuch, den westlichen Kapitalismus zu kopieren, schildert der Film so mit überzeugender Authentizität.

Leider geht dem Wettbewerb um die Caméra d’Or mit diesem Film ein vielversprechender und aussichtsreicher Kandidat für die Auszeichnung verloren. Es ist schließlich Zou Pengs zweiter Film.

Kritik von Sven Schuppener (Gymnasium Wilnsdorf)

 

 

Häschen in der Grube

Der Vorhang geht zu, Gedanken überschlagen sich. Was war das für ein Film, der den Zuschauer auf eine Reise in eine Welt aus weißen Häschen und traurigen Realitäten schickt? Mit Sauna on Moon bietet uns der chinesische Regisseur Zou Peng Einblicke in einen Bordellbetrieb in Macao, der sich nur schwer über Wasser halten kann. Der Film beschreibt vor allem das Leben der Prostituierten und versucht dabei ihre Gefühle und Gedanken einzufangen. Die Kameraführung wirkt wie das Auge der Realität. Besonders auffällig sind die Plansequenzen, die mit den einzelnen Personen mitziehen, und ihren Blicken folgen. So entstehen Bilder, die in das Wasser eintauchen, auf dem Kopf stehen oder vor verschlossenen Fenstern bleiben. Es entsteht ein etwas hastiges Bild, das den Zuschauer aber dennoch in den Moment der Handlung miteinbezieht. Leider ist es schwer, dabei den Zusammenhang des Gesamtwerkes zu erfassen. Hauptfiguren und zentrale Themen treiben an der Oberfläche, anstatt in die Tiefe einzutauchen, und lassen dem Zuschauer viel Raum zur freien Interpretation. Sauna on Moon schneidet kritische Aspekte an, ohne ihnen eine negative Wertung zu geben. Prostitution, die schon an Menschenhandel grenzt, unmenschliche Bedingungen in Kleiderfabriken oder eine korrupte und ignorante Polizei, sind große Probleme der chinesischen Gesellschaft, die der Film leider nur beschreibt.

Schön sind dagegen die ständigen Wechsel zwischen lauten, bunten Szenen, wenn sich die lachenden Protagonistinnen mit glitzernden Kleidern vor dem Spiegel drehen, worauf stille Aufnahmen des blassblauen Meeres folgen. Diese lassen einerseits einen starken Kontrast entstehen und zeigen andererseits die dünne Grenze zwischen Einsamkeit und Freude.

Ein besonderes Verständnis für Übergänge und Details scheint Peng auf jeden Fall zu haben. Seine spezielle Atmosphäre gewinnt der Film durch viele witzige und sexuelle Anspielungen, die sich in Parallelen und Zweideutigkeiten, wie eben jenen Häschen, den unschuldigen und den sich verkaufenden, äußern.

Kritik von Ronja Keifer und Antoine Stilo (Wagenburg-Gymnasium, Stuttgart)

 

 

FILM-ANGABEN

Titel: Sauna on Moon

Originaltitel: Chang e

China 2011

Laufzeit: 95 Minuten

Regie: Zou Peng


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