(Ganz) Junge Kritik: Pingpong
Pingpong – ein Spiel der Gegensätze
„Du musst nicht immer tapfer sein“, so Tante Anna zu ihrem Neffen Paul, der kürzlich seinen Vater durch Suizid verloren hat, und nun unangekündigt und unwillkommen an die Haustür seiner Verwandten klopft. „Du musst nicht immer tapfer sein“ - und doch bleibt Paul mit seiner Trauer und Verzweiflung alleine.
Dies ist nur ein Beispiel für die Gegensätze, mit denen der Zuschauer in diesem Film immer wieder konfrontiert wird - Pauls Cousin Robert, der erst eifrig am Klavier übt, entpuppt sich im Laufe des Filmes als Alkoholiker, warme Begrüßungsworte werden begleitet von kalten Blicken, ernste und lustige Momente kulminieren in einem tragischen Ende. Es ist ein ständiges Spiel mit Sein und Schein, das in den Kameraeinstellungen weitergeführt wird.
Auf verschiedenen Raumebenen werden verschiedene Welten sichtbar. An einer durchsichtigen, aber unüberwindbaren Glasscheibe spiegelt sich der verzweifelt nach Nähe suchende Paul. Er blickt zwar durch das Wohnzimmerfenster in Annas Welt, während sie am Klavier spielt, bleibt aber in seiner eigenen zurück. Die nahen Kameraeinstellungen untermalen gerade die Beschränktheit dieser kleinen und kleinbürgerlichen Welt, die durch die Reduzierung der Schauplätze auf Haus, Garten und Waldsee keinerlei Einbettung in einen größeren Kontext erfährt: der Zuschauer befindet sich sofort mitten in der Familientragödie.
Während der beruflich bedingten Abwesenheit von Annas Ehemann entwickelt Paul zunehmend Gefühle für seine Tante, auch sie kann seiner sinnlichen Anziehungskraft nicht widerstehen. Schließlich treibt die unausgesprochene Liebe zu Anna Paul zum Verrat an Robert, seinem ehemaligen Verbündeten. Als Robert in einem gemeinsamen Pingpongspiel mit Paul Zuflucht vor seiner ehrgeizigen Mutter sucht, widmet sich dieser auf Annas Bitte hin wieder seiner Arbeit und Robert steht alleine mit Schläger in der Hand. Damit drängt sich Anna in ihre gemeinsame Welt.
Hervorragend stellen die jungen Schauspieler diese Konfliktsituation dar, insbesondere der Hauptdarsteller Sebastian Urzendowsky überzeugt durch Tiefgründigkeit und Echtheit. Alle Schauspieler verkörpern ihre Rollen mit viel Talent und Authentizität, dem Zuschauer präsentiert sich damit eine realistische, mit Sicherheit nicht unbekannte Welt. Der junge Regisseur Matthias Luthardt lenkt in seinem vielversprechenden Kinodebüt den Blick auf eine wenig thematisierte Gesellschaftsproblematik, die er scharfsinnig nachempfindet.
Kritik von Anna Hanson und Amnueporn Wiegandt (Lessing-Gymnasium, Frankfurt am Main)
Auf der Suche
In dem Film Pingpong von Matthias Luthardt gelingt es dem jungen Regisseur, den Gedanken des Ballabtauschs als Metapher für eine spannungsgeladene Familiensituation einzusetzen.
Paul, dessen Vater Suizid begangen hat, flieht ohne Ankündigung zu seinen Verwandten. Dort angekommen, nimmt er sich der Renovierung des Pools an, welche ihm nicht nur zur Ablenkung dient sondern auch als Baukasten für sein Lebensmosaik. Im Verlaufe dieser Arbeit reduziert sich die Anzahl der Farben der Kacheln von drei auf zwei. Dies weist darauf hin, dass Paul eine Person, die ihm im Wege steht, eliminieren möchte.
Es fällt auf, dass außer den Klavierstücken von Robert, seinem Cousin, kaum Musik verwendet wird. Jedoch folgen nach dem Sich-Näherkommen von Anna - der Tante - und Paul die Laute eines Metronoms, die eine Kontinuität in das komplizierte Leben von Paul zu bringen scheinen. Es wirkt als ob sich dieser in der Situation als Netz zwischen Robert und Anna wohlfühlt; er macht als Katalysator das wahre Verhältnis zwischen den beiden deutlich. Der Name des Hundes, Schumann, ist ein Beispiel für dieses, da Anna mit dieser Namensgebung zeigt, dass ihr die Karriere des Sohnes wichtiger ist als seine Gefühle. Robert beweist durch sein Agieren, dass er in Paul einen Seelenverwandten sieht und durch die Kopie seines Ichs, versucht die Liebe seiner Mutter zu erringen. Pauls Wunde am Arm spiegelt zugleich die innere Wunde von Robert wider.
Das offene Ende nach dem Tod des geliebten Hundes lässt so manche Frage offen, wie zum Beispiel wo flieht Paul diesmal hin, was wird aus der Ehe von Anna und ihrem Mann und welche Auswirkungen hat das Ganze auf Roberts Persönlichkeit?
Kritik von Rebecca Lepadus und Madeleine Stein (Martin-Luther-Gymnasium, Lutherstadt Eisleben)
Pingpong; Deutschland 2006; 89 Minuten; Regie: Matthias Luthardt; Drehbuch: Meike Hauck, Matthias Luthardt; Produzenten: Niklas Baeumer; Mit Sebastian Urzendowsky, Marion Mitterhammer, Clemens Berg, Falk Rockstroh
Diese Kritiken entstanden im Rahmen von La Toute Jeune Critique
Semaine internationale de la Critique de Cannes 2006.
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