(Ganz) Junge Kritik: Las Acacias

Schülerkritiken zum Film Las Acacias von Pablo Giorgelli.

Routinierte Einsamkeit

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Das Leben hat keine Hintergrundmusik. Für den LKW-Fahrer Ruben besteht es aus ohrenbetäubendem Motorenlärm und staubigen Straßen, die im Rückspiegel vorbeiziehen. Er lebt auf weißgekachelten Raststätten und dem Rücksitz seiner Fahrerkabine – in seinem Gesicht spiegelt sich die Endlosigkeit der Landstraßen zwischen Paraguay und Buenos Aires. Ein Auftrag seines Chefs reißt ihn aus dieser routinierten Einsamkeit: auf einem Parkplatz steigt eine junge Frau in den Wagen, bepackt mit Reisetaschen und ihrer fünf Monate alten Tochter. Zusammen mit einer Ladung Akazienholz soll er sie bis in die argentinische Hauptstadt bringen.

Als stummer Mitreisender beobachtet der Zuschauer die vorsichtigen Blicke der Protagonisten, ihre zurückhaltenden Gesten, ihre knappen aber vielsagenden Wortwechsel. Die Essenz des Films liegt im Verzicht. Er braucht keine Filmmusik, keine plumpen Offenbarungsmomente, nur die ausdruckstarken Gesichter seiner Protagonisten. Die vielschichtigen, sich stets verändernden Hintergründe jagen gleichzeitig dem flüchtigen Augenblick vor dem Fenster nach und reflektieren, mithilfe des Rückspiegels, das Vergangene. Die Zukunft bildet sich im Kopf des Betrachters. Die Vergangenheit bleibt verschwommen.

Nach 1500 Kilometern gemeinsamer Reise scheint an der Oberfläche alles wie vorher. Ruben sitzt allein in seinem LKW, draußen die Straßen und der brummende Motor. Zurück bleibt eine Thermoskanne ohne Deckel und die Hoffnung auf ein Wiedersehen.

Kritik von Merle Wurl und Roberta Huldisch (Schiller-Gymnasium-Berlin)

 

 

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Die Erfindung der Einfachheit

1300 Kilometer. von Asunción nach Buenos Aires.

Der Regisseur Pablo Giorgelli zeigt uns keine abenteuerlichen Szenen, die ein solches Thema erwarten lassen könnte, sondern bezieht sich einzig und allein auf einen Mann, der lernt zu fühlen.

Der Lastwagenfahrer Rubén transportiert Holz von Paraguay nach Argentinien. Als er dabei eine Frau und ihre Tochter mitnehmen soll, ist er alles andere als glücklich. Doch im Lauf der Zeit zeigt ihm ausgerechnet diese Begegnung, was wahre Gefühle sind. Die Stille, die sich  im Wagen ausgebreitet hat, wird zu Lachen. Aus einem verschlossenen und weltfremden Mann wird ein Mensch, der sich der Welt und der Liebe öffnet und zu seinen Gefühlen steht.

Der Film spiegelt diese Entwicklung perfekt wider. Was zu Beginn langatmig erscheint, verwandelt sich in eine unglaubliche Spannung, die den Zuschauer so sehr gefangen nimmt, dass er vollständig in den Film eintaucht. Auch die Kameraführung, die das zeigt, was die Insassen voneinander sehen: Blicke. Ein einfaches Lächeln des kleinen Mädchen mit der Unschuld in den Augen bewirkt viel. Die Perspektiven überwinden die Distanz zwischen Publikum und Geschehen, sie lassen eine Intimität entstehen, in der sich die beiden Hauptdarsteller näher kommen. Diese Elemente führen auf den wahren Schwerpunkt. Es geht um Gefühl, und nichts soll davon ablenken. Anstelle von Musik, zieht sich ständiges Motorengeräusch wie ein Leitmotiv durch den Film. Dem Zuschauer werden keine überflüssigen Informationen wie zum Beispiel die Vergangenheit der Protagonisten aufgedrängt. Die Dialoge sind einfach aufgebaut, da Gefühle vor allem durch Blicke dargestellt werden.

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Las Acacias ist wie ein Diamant, der immer mehr Facetten zeigt, die auf der Seele glitzern. Als Zuschauer hat man nur die Bitte: „Lass diese Fahrt nie enden“. Es ist schön zu sehen, dass gerade die Einfachheit die Kraft besitzt, so etwas Großes zu erschaffen.

Kritik von Ronja Keifer und Antoine Stilo (Wagenburg-Gymnasium Stuttgart)

 

 

Las Acacias – Parallel zur Reise durch Südamerika 

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Laute Geräusche einer Kettensäge. Dann Sonnenstrahlen in einem Akazienwald. Ein Baum, der umfällt.

Bereits die erste Szene in Pablo Giorgellis Roadmovie Las Acacias gibt den Inhalt des Werks sehr gut wieder. Er erzählt von Einzelgängern, die mit ihren persönlichen Geschichten aufeinandertreffen und im Laufe der gemeinsamen Zeit im LKW lernen, sich einander zu öffnen: ein Mann, der eine komplizierte Vaterschaft erlebt, und eine Frau, die mit ihrer kleinen Tochter Paraguay verlässt, um ein neues Leben in Buenos Aires zu starten.

Eine simple, äußere Handlung, die den Fokus auf den inneren Konflikt der Charaktere richtet.

Mithilfe seiner Nahaufnahmen und Point-of-View-Shots rückt der Film diesen Prozess in den Vordergrund und lässt den Zuschauer jede einzelne Reaktion intensiv wahrnehmen. Dabei fällt der Schwerpunkt insbesondere auf die verschiedenen Nuancen im Gesicht, die im Laufe des Films ihre Verschlossenheit verlieren. Der Regisseur lässt uns sehen, was die Personen sehen. Um diese Wahrnehmungen möglichst intensiv zu übermitteln, unterlegt er keine Musik. Stattdessen begleiten Motorengeräusche das Bild der vereinsamten Landschaft, die selbst in Resonanz zu dem Inneren der Hauptfiguren steht.

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Genau das ist es, was an Las Acacias so berührt: die Natürlichkeit und die Sensibilität. Der Film überzeugt durch die langsame emotionale Entwicklung der Charaktere, die parallel zur Reise durch Südamerika verläuft.

Außerdem gelingt es dem Regisseur durch viele Andeutungen wie Blicke, Schweigen und kleine Gesten, einerseits die persönlichen Blessuren der Protagonisten und andererseits die wachsende Intensität der Gefühle zwischen ihnen ohne jeglichen Kitsch hervorzuheben.

Zwar könnte man den Film als einfach und primitiv abstempeln. Doch dahinter steckt eine einzigartige Geschichte, die szenisch brillant inszeniert durch ihre realistische Darstellung und Tiefe besticht. 

Kritik von Viktoria Franke (Gymnasium Gonsenheim, Mainz)

 

 

Las Acacias – Eine Hoffnungsreise durch Südamerika 

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Ein Mann, eine Frau, ein Baby. Die Kabine eines LKWs und die lange Straße nach Buenos Aires. Nur langsam geschieht eine Annäherung, nur langsam öffnet sich Rubén, der Fahrer.

In seinem Roadmovie Las Acacias erzählt Pablo Giorgelli auf wunderbar subtile Art die Reise von Rubén, Jacinta und Anahí. Er beschreibt den inneren Konflikt sowie die Gefühle eines Vaters, der seinen Sohn nicht sehen kann und seine Annäherung zu Jacinta durch ihre kleine Tochter Anahí, sowohl durch die Bilder als auch durch wenige, aber prägnante Dialoge. Selbst Musik ist nicht nötig, um den Zuschauer völlig in die Geschichte mit hineinzunehmen, ihn zu fesseln und ihn die Atmosphäre mitfühlen zu lassen.  So entwickelt sich in 85 Minuten eine durch ihre Einfachheit bestechende Alltagsgeschichte, die berührt.

Fast die gesamte Handlung spielt sich in der Kabine des LKWs ab, eine Beschränkung, die die Verschlossenheit Rubéns noch unterstreicht. Während er eine Entwicklung durchmacht, in der er über sich selbst hinauswächst, vermittelt die besondere Kameraführung mit vielen Nahaufnahmen Nähe zu den Protagonisten. Geschickt fungiert dabei Anahí, das Baby, als Brücke zwischen ihr und Rubén, aber auch dem Film und dem Zuschauer. Ihr berührendes Lächeln und viele kleine Gesten und  Blickwechsel zwischen den Personen machen das Werk Giorgellis in seiner Detailreiche zu etwas Besonderem – ein Baby, das mit einem Kaffeebecher spielt, ein Lächeln, das Öffnen der Beifahrertür, solche Momente erhalten große Aufmerksamkeit.  So  erweckt das Werk Hoffnung, es zeigt, dass es vor allem die kleinen Dinge im Leben sind, auf die es ankommt.

Da braucht es keine Action, keine Musik, kaum Dialoge, denn Farben und Schnitte sowie die Ausdrucksstärke der brillanten Schauspieler genügen völlig, um den Zuschauer auf die äußerliche Reise durch Südamerika, aber auch auf die innere Reise der Entwicklung Rubéns und seiner Beziehung zu der jungen Frau mit dem Baby mitzunehmen.

Krtik von Elisabeth Kläs (Gymnasium Wilnsdorf, Wilnsdorf)

 

FILM-ANGABEN

Titel: Las Acacias

Argentinien, Spanien 2011

Laufzeit: 85 Minuten 

Regie: Pablo Giorgelli

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