(Ganz) Junge Kritik: Grain In Ear (Mang Zhong)
Was tust du, wenn dir nur noch dein Fahrrad bleibt? Der chinesisch-koreanische Film Grain In Ear von Zhang Lu handelt von der Koreanerin, Ciu Shinju, die gemeinsam mit ihrem Sohn Chang Ho illegal in China lebt und der sino-koreanischen Minderheit angehört.
Ihr Sohn weiß nichts von den Umständen seiner Familie und der Illegalität seines Aufenthaltes in China, er würde gerne zurück nach Korea gehen. Die Hauptdarstellerin macht die alltäglichen Begegnungen eines Flüchtlings, sie muss sich beispielsweise ständig vor den Kontrolleuren in Acht nehmen. Mit einem Dreirad verkauft Ciu ihre Hausmannskost, ihr Chi kommt bei den Bewohnern ihres Ortes sehr gut an und man engagiert sie mehrfach zum kochen. Eines Tages verliebt sich ihr Kunde Kim, ein verheirateter Chinese koreanischer Herkunft, in Ciu. Die beiden beginnen eine Affäre, die aber nicht lange unentdeckt bleibt und deswegen zerbricht. Die Beziehung, wie auch der Film im Allgemeinen porträtieren mit wenig Hingabe, Humor und Spannung das Leben der Koreaner im Grenzgebiet Chinas. Ihre Lebensumstände werden eher dokumentarisch dargestellt. Die Position der Frau ist durch Zurückhaltung und Unterordnung gezeichnet.
Am Ende stirbt Cius Sohn Chang Ho und ihr bleibt nichts mehr übrig außer ihrem Fahrrad, sie geht ihren Weg weiter. Der Film verzichtet vollkommen auf Musik. Die Landschaft, weil ein Grenzgebiet oder Niemandsland, dominiert durch Kargheit, leere Straßen und ihre an Plattenbauten angelegte Barackenarchitektur. Die Kameraführung bleibt mit einer Ausnahme statisch. Der Zuschauer wird mit einer minimalistischen Handlung konfrontiert, da jedes Detail, zum Beispiel jeder Spaziergang, explizit gezeigt wird. Mit der langatmigen und ereignislosen Darstellung der Geschichte Cius begeisterte der Film daher leider das westeuropäische Publikum nicht. Ihr Tiefgang durch mangelnde Kommunikation war nur schwer verständlich, obwohl vom Regisseur anders beabsichtigt. Auch die blassen Farben sind Bestandteil der Eintönigkeit des Films. Auf Grund dessen räumen wir dem Film wenige Chancen auf eine Prämierung mit der Goldenen Kamera – hier in Cannes – ein.
Kritik von Moritz Bender, Ariane Hengst und Bernhard Lubomski (Gymnasium auf der Karthause, Koblenz)
Das Beenden eines Leidensweges
"Wenn ein Loch im Himmel über dir ist, wird es für dich immer regnen". So lautet ein ins Deutsche übertragene chinesische Sprichwort, welches der Regisseur Zhang Lu nach der Vorführung anbrachte und das den Grundgedanken der Handlung widerspiegelt. Cui Shunji ist junge Mutter, eigentlich Koreanerin und lebt mit ihrem Sohn in China. Sie hat ohne eigenes Verschulden kein Glück im Leben und ihren Unterhalt verdient sie sich mit dem Verkaufen von ihrem selbstgemachten "Kimchi", einem koreanischen Nationalgericht. Der Ertrag ist nicht groâ und sie wohnen in einer bescheidenen Behausung.
Dann verliebt sich die Frau in einen verheirateten Mann, was sie wiederum vor Probleme stellt. Die Situation spitzt sich zu als die Frau des Mannes auftaucht und die Koreanerin von der Polizei abgeholt wird. Nach der Freilassung, die sie dem Polizisten mit ihrem Körper bezahlt hat, stirbt zu allem Überfluss ihr Sohn, eine weitere Prüfung.
Fast durchweg herrschen die Stille und das Schweigen, unterbrochen wird dies nur durch wenige knappe Dialoge. Der Film wirkt als Ganzes sehr ruhig und trotz der Probleme und der Tragik des Todes am Ende, durch das überwiegende Stillstehen der Kamera auf der jeweiligen Kulisse auch sehr rein und unschuldig. Deutlich wird das ebenfalls anhand der schlichten Kleidung, der hellen Bilder und daran, dass weder bei Gewalt- noch bei Sexualakten die Kamera direkt draufhält, sondern auf einen neutralen Hintergrund schwenkt oder die Tür geschlossen wird und man nur leise Geräusche hört.
Dieses tiefgründige und vielschichtige Werk ist unter dem Aspekt eines langsamen, ruhigen Films gelungen, jedoch muss man möglichst vorher bedenken, ob ein Film dieser Art seinem eigenen Geschmack entspricht.
Kritik von Theresa Walther, Anne Bolick (Erich-Fried-Gymnasium, Berlin)
Folgen einer problematischen Immigration
Laut Umfragen sind Pizza, Döner und chinesisches Essen die beliebtesten Gerichte der Deutschen, wenn es darum geht, nicht selber kochen zu müssen. Dass es in Deutschland nicht nur "typisch deutsches Essen" gibt, ist für viele schon ganz normal, da es so gut wie an jeder Ecke einen Türken, Griechen oder Italiener gibt, der die ausländischen Spezialitäten verkauft. Wie in Deutschland braucht man in vielen Ländern, einen Gewerbeschein, um etwas verkaufen zu können, was eins der vielen Probleme der jungen Mutter Cui Ji im Film Grain in Ear des Regisseurs Zhang Lu ist. Als koreanische Immigrantin in China benötigt sie eine Erlaubnis, um auf der Straße ihre koreanische Spezialität "Kimchi" verkaufen zu können, weshalb sie immer auf der Hut vor der Straßenpatrouille ist.
Mit ihrem Sohn lebt sie in einer chinesischen Kleinstadt zwischen Bahnschienen und Ratten, nachdem sie aus Korea fliehen musste, da ihr Mann als Mörder verhaftet wurde. Das Zusammenleben von Mutter und Sohn ist sehr emotionslos, was durch lang andauernde Szenen mit wenigen Gesprächen untermalt wird. Stille und Gefühllosigkeit in den Szenen drücken aber auch die Hilflosigkeit der Mutter aus. Aber auch Geldprobleme und Existenzschwierigkeiten gehören zu ihrem Alltag, was einige Männer dazu ausnutzen, um sie sexuell zu nötigen. Ein Halt für sie ist jedoch ihr erworbener Verkaufsschein und die verbotene Affäre zu Kim, einem Mann mit ebenfalls koreanischer Herkunft. Allerdings wird das Verhältnis zu dem verheirateten Mann ohne große Emotionen dargestellt. Der gesamte Film wirkt langsam und zieht sich in die Länge, da bis auf einmal immer Standbilder und keine Musik verwendet werden. Durch die fehlende Nähe zu der Hauptperson, kann man sich nicht mit ihr identifizieren. Der Regisseur lässt kaum einen Einblick in ihre Gedanken und Gefühle zu, sodass es dem Publikum bei dem offenen Ende schwer fällt, sich vorzustellen, wie Cuis Leben weitergeht. Wird sie ihre Probleme lösen können, einen Mann finden und weiterhin Kimchi verkaufen? Oder wird sie – wenn auch sehr, sehr langsam – an einen ganz anderen Ort gehen?
Kritik von Alexander Koch, Mira Möll, Anjana Siwert (Friedrich-Magnus-Gesamtschule, Laubach)
Wie schnell, gleichmäßig und unaufhörlich sich ein Ventilator dreht, wissen wir alle. Doch ist uns auch bewusst, dass das Leben mancher Menschen genauso abläuft? Mang Zhong gelingt es, dies in seinem Film zu veranschaulichen, indem er das Portrait einer jungen Frau zeichnet, die allein für ihren Sohn sorgt.
Cui Shunji ist eine hübsche junge Frau, die aus Korea nach China gekommen ist und dort in ärmlichen Verhältnissen lebt. Sie wohnt mit ihrem Sohn in einem ehemaligen Wärterhäuschen an einem Verschiebebahnhof, Tür an Tür mit vier jungen Prostituierten. Sie selbst versucht auf ehrliche Art und Weise ihr Geld zu verdienen, indem sie jeden Tag frisches Essen zubereitet und dies auf der Straße verkauft. Wie die Wagons am Verschiebebahnhof, wird auch sie von unterschiedlichen und feigen Männern hin- und hergeschoben. Hier wird so starke Bewegung verdeutlicht, dass der Regisseur auf wechselnde Kameraeinstellungen verzichten und mit Hilfe nur weniger Farben beeindrucken konnte. Ohne dass man Cui Shunji ihre Gefûhle und Gedanken ansieht, übermittelt der Film doch starke Emotionen angesichts ihrer aussichtslosen Lage.
Ihr einziger Lebensinhalt ist ihr Sohn, dem sie ihr Leben widmet, um ihm eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Als der Junge stirbt, wird ihr ihr Lebensziel genommen, was durch die Kamerabewegung einfühlsam dargestellt ist. Die Kamera folgt ihr, wie sie ziellos in die Leere läuft. Da sie nun nichts mehr zu verlieren hat, rächt sie sich an der Gesellschaft, indem sie eine unbeteiligte Hochzeitsgesellschaft und einen ihrer Peiniger vergiftet. Dieses eine Mal setzt sie das Essen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bisher verdient hat, als Waffe gegen die Gesellschaft ein, die sie ausbeutet. Wenn man den Stecker des Ventilators aus der Steckdose zieht, läuft er nur noch mit ein wenig Schwung weiter und wird dann immer langsamer. Genauso lässt Cui Shunjis Lebenskraft nach und
Kritik von Julia Claus, Nadja Momotow und Alena Schmitz (Hildegardisschule, Bochum)
Grain In Ear (Mang Zhong); China, Korea 2004; 119 Minuten; Regie: Zhang Lu; Drehbuch: Zhang Lu; Mit Liu Lian Ji, Jin Bo, Zhu Guangxuan, Wang Tong-Hui
Diese Kritiken entstanden im Rahmen von La Toute Jeune Critique
Semaine internationale de la Critique de Cannes 2005.
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