(Ganz) Junge Kritik: Everybody dies but me


Rebellion der Klischees

 

„Ich wünschte, alle Erwachsenen wären tot.“

Janna, Katia und Vika sind russische Schülerinnen im Alter von 14 Jahren und beste Freundinnen. Als die drei erfahren, dass an ihrer Schule eine Disko veranstaltet wird, sind sie, wie alle anderen Schüler komplett aus dem Häuschen.

So beginnt die eintönige Handlung des Dramas Everyone dies but me, das es leider zu keiner Zeit schafft, den Zuschauer von seiner Darstellung zu überzeugen. Der typische Kinder-Eltern-Konflikt wird ohne neue Elemente einzubringen und eine eigene Prägung zu kreieren, beleuchtet. Die Charaktere wirken stereotyp, in ihren Handlungen teilweise sogar lächerlich, wenn sich die drei Mädchen beispielsweise mit einem Schwur ihre ewige Freundschaft versprechen, um diese am darauffolgenden Tag wieder zu kündigen. Wer die jungen Schauspielerinnen im Interview erlebt, wird den Verdacht nicht los, dass diese sich selbst spielen und damit im ärmlichen Moskauer Vorstadtbezirk völlig deplatziert wirken.

Drogen-, Alkoholkonsum und Sex müssen natürlich in diesem Film auch eine große Rolle spielen. Alle diese Themen werden angerissen, aber nicht konsequent zu Ende geführt.

Auch die Schulparty 14-jähriger Mädchen, ungeschnitten von einer einzigen Handkamera gefilmt, eignet sich hervorragend, um ein Publikum zu langweilen. Ein Zitat des zunächst von allen umschwärmten Alex nennt eine mögliche Vorlage dieses Filmes: „Not a girl, but not yet a woman.“

Wer einschlägige Teenie-Filme, wie Britney Spears’ Not A Girl oder High School Musical mag, wird Everyone dies but me lieben.

Kritik von Sebastian Gratz, Moritz Bürger, Dominique Epple & Marius Lang (Nürtingen)
 



Blin!

In einer Vorstadt in Moskau leben Katia, Vita und Zhanna, drei süße 14 Jahre junge Gymnasiastinnen, „best friends for ever“. Gemeinsam rebellieren sie auf eine anfangs kokette und unschuldige Art gegen die Autorität der Schule und ihrer Eltern. Später aber bekommt diese Rebellion eine sehr negative Wendung, als die drei Mädchen sich auf eine verlogene Weise selbst betrügen und so den Eid brechen, den sie sich erst vor kurzer Zeit gegeben hatten, nämlich beste Freunde zu bleiben bis sie erwachsen sind.

In diesem Film geht es um die ersten Erfahrungen von jungpubertierenden naiven Mädchen mit Sex, Drogen und Alkohol und um die Auseinandersetzung mit einer brutalen und hinterlistigen Umwelt.

Valeria Gaï Guermanika ist eine 23 Jahre junge unabhängige und lebensfrohe Produzentin die sich mit ihren Filmcharakteren aus Ils Mourront tous sauf moi identifiziert. Dieser Film ermöglicht ihr den Drang zu befriedigen, die Charaktere zu filmen und somit ein Werk mit autobiographischen Elementen zu erschaffen. Guermanika begleitet sie auf Schritt und Tritt durch alternierend passive und aktive Sequenzen und durch lange Großaufnahmen. Der flüssige, kontinuierliche Rhythmus des Filmes, durch die häufige Verwendung einer Handkamera lässt den Zuschauer von einer Szene in die andere schweben. So bewegt sich diese in der Szene, in der Katia mit einem Handtuch von ihrem Vater geschlagen wird,  vom Schlafzimmer aus bis in die Küche hin, zur passiven Mutter die nichts unternimmt um ihr Kind zu schützen und wieder zurück in das besagte Zimmer. Der Film Ils Mourront tous sauf moi der sich in einem sozialen Brennpunkt in Russland abspielt,  macht seinem Publikum hervorragend die dortige Situation klar durch die gedeckte Farbe der Filmbilder und durch den der Vorstadt treuen Dekor. In diesem Film ist es auffällig, dass die Musik nur an zwei Stellen präsent ist: während der Feier selbst und nachdem Katia verprügelt wurde. Dies gibt diesem Film eine negative Note und vermittelt somit überzeugend die Atmosphäre die an solchen Orten herrscht.

Der Film Ils Mourront tous sauf moi schockt wegen seiner Naivität, seiner Passivität, seiner Gewaltbereitschaft und vor allem seiner Universalität, da diese Situation sich auch in anderen Ländern abspielen könnte.

Kritik von Clara Dacharry (Saarbrücken)
 



Zickenterror auf russisch

Drei junge Mädchen, eine rebellisch, eine verwöhnt, eine naiv, schwören sich ewige Freundschaft. Doch diese völlig verschiedenen Charakterzüge lassen erahnen, dass diese nicht lange halten wird. Noch freuen sie sich auf eine Schulparty, aber nicht mehr lange, denn durch Katjas Schuld droht diese nicht stattzufinden. Eine Bewährungsprobe....

Die Regisseurin Valeria Gai Guermanika schafft es doch tatsächlich alle Klischees, die man mit einer Vorstadt verbindet, in einem Film zu vereinen. Da wären die aufeinander einprügelnden Schüler, die abgestumpften Lehrer, ausufernde Partys sowie die triste Umgebung und die arbeitslosen alkoholkranken Eltern. Alles Probleme, die in den Medien schon oft behandelt wurden. Alles was in dem Film geschieht ist von der ersten Minute an für den Zuschauer vorhersehbar.

Die Protagonisten werden von einer Handkamera begleitet. Durch diese Kameraführung hat man einen immerwährenden Eindruck amateurhafte Videoaufnahmen zu sehen. So verzichtet die junge Regisseurin fast vollkommen auf künstliche Mittel wie Licht und Hintergrundmusik, die eigentlich dazu dienen, den Szenen Tiefe zu geben.

Allein den jungen russischen Schauspielerinnen ist es gelungen dem Film Authentizität zu verleihen, da sie sich sichtlich mit ihrer Rolle identifizieren konnten.

Kritik von Anke von Appen und Christian Kosslitz (Oranienburg)
 



Vorstadtalptraum

Drei 14-jährige Mädchen stehen im Schulflur und schwören sich ewige Freundschaft bis sie erwachsen sind. Eine für alle, alle für eine?

Selbst noch zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt stehend geht deren Schwur schnell zu Bruch. Drogen, alkoholisierte, prügelnde Eltern, sexuelle Wunschträume und spießige Lehrer bestimmen den Alltag der Protagonistinnen. Ein typischer Vorstadt-Alptraum?

Die Pubertätskrisen der Charaktere erinnern den Zuschauer an Eskapaden à la Britney Spears, wie Drogenexzesse und Blitzpartnerschaften. So wundert es nicht, dass nach einer Vergewaltigung Textzeilen aus dem Lied „I’m not a girl….not yet a woman“ zitiert werden.

Die drei Figuren sind noch auf Identitätssuche. Nach der Welt der Großen, oder dem, was sie sich darunter vorstellen, gierend, stürzen sie sich von einem Rausch in den nächsten. Ein schneller Rhythmus durchzieht den Film: Eine brennende Voodoo-Puppe, ein sich ritzendes Mädchen in der Badewanne und das ständig auftauchende Motiv von Stacheldrahtzäunen kontrastieren mit langen Bildsequenzen. Diese vermitteln den Eindruck von Handyaufnahmen, wie sie auch oft im Internet von Schulhofprügeleien zu finden sind. Dadurch soll der Film authentisch wirken und sich dem Vorstadtmilieu anpassen.

Die Regisseurin Valeria Gaï Guermanika will mit dem Film „Vse umrut a ja ostanus“ (Ils mourront tous sauf moi) ein universelles Vorstadtporträt liefern. Dabei montiert sie jedoch Klischees aus der Sensationspresse, dem Betrachter hinreichend bekannt und dementsprechend fade: die typische „Ghetto-Problematik“ wird reproduziert, ohne deren Ursachen nachzuspüren.

Der Film schließt mit dem Bild eines revoltierenden Mädchens, das sich von der gesamten Welt hintergangen fühlt.

Ohne Auseinandersetzung mit den Ursachen bleibt die Revolte Trotz.

Kritik von Janice Thelen, Anaïs Jaenisch (Neuwied)


Ils mourront tous sauf moi (Vse Umrut A Ja Ostanus); Russland 2008; 80 Minuten; Regie: Valeria Gaï Guermanika; Drehbuch: Alexander Rodionov, Juri Klavdiev; Produzent:Igor Tolstunov; Mit Polina Philonenko, Agnia Kuznetsova, Olga Shuvalova

Diese Kritiken sind entstanden im Rahmen von La Toute Jeune Critique
Semaine internationale de la Critique de Cannes 2008.



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