(Ganz) Junge Kritik: Avé

Schülerkritiken zum Film Avé von Konstantin Bojanov.

AVÉ - Wenn Lügen verbinden 

„Eine alte Frau wird mit einer Axt von zwei Trampern umgebracht“, zitiert das Mädchen, Avé, aus einer Zeitung. Doch das wird in diesem Falle nicht geschehen, verspricht sie dem unbekannten Autofahrer. Zum ersten Mal im Film lügt Avé, aber aus rein praktischen Gründen, um die Sympathie der Autofahrer zu gewinnen. Danach, um anderen Personen zu helfen; doch letzten Endes, weil es ihr hilft, mit ihrem Leben klarzukommen.

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In seinem ersten Langspielfilm Avé, erzählt uns der bulgarische Regisseur die Geschichte zweier Jugendlicher, die zufällig beim Trampen aufeinander treffen. Kamen will auf die Beerdigung seines Freundes Viktor gehen, der Selbstmord begangen hat. Avé ist auf der Suche nach ihrem drogenabhängigen Bruder. Ihr gemeinsamer Weg ist von Lügen übersät. Er ist eine Flucht aus ihrem tristen Leben.

In Bojanov’s Werk ist die Lüge ein Mittel, um sich selbst zu erhalten und zu schützen. Ihm gelingt es, eine breite Palette an Themen, sei es die Liebe, die Vergänglichkeit oder den Tod, auf szenisch hervorragende Weise miteinander zu verbinden. Die wunderschöne Zärtlichkeit, die sich zwischen den beiden Protagonisten entwickelt, wird durch die sanften Bilder und intimen Perspektiven der Kamera sehr gewandt übermittelt. Einzelne Details verweisen auf die Stimmigkeit des Werks, wenn etwa Bojanov einen einfachen Kuss in einen unglaublich intensiven Moment verwandelt.

Avé steht als Metapher für die Selbstfindung einer Jugendlichen, die sich das Lied „Die Gedanken sind frei“ zu Herzen nimmt. Sehr subtil wird uns eine Sicht auf unser Leben, unsere Sorgen und unseren Umgang damit geboten. Konstantin Bojanov ist ein Künstler. 

Kritik von Antoine Stilo und Anne-Sophie Minuth (Wagenburggymnasium, Stuttgart)

 

 

Blasse Wahrheiten - Avé

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Graublasse Landschaft, zwei junge Menschen stehen an der Straße, neben nebelüberzogenden Feldern, irgendwo in Bulgarien, sie wollen weg.

Avé, eine notorische Lügnerin und der introvertierte, aufrichtige Kamen, sie kennen sich nicht.

Erst nach einem langen Verwirrspiel erfahren wir, dass Avé auf der Suche nach ihrem drogenabhängigen Bruder ist. Denn zunächst hängt sie sich an Kamen, der auf dem Weg zur Beerdigung eines Freundes ist.

Langsam rauscht das Geschehen dahin, die beiden öffnen sich einander, doch Avé scheint nie ganz den schützenden Mantel der Lüge ablegen zu können. Sie flüchtet sich, sie entweicht ohne viele wahre Worte. Die Gespräche bleiben an der Oberfläche und wabern zwischen diffusen Wahrheiten und klaren Lügen hin und her, weshalb der Film keine starken Gefühle auslöst.

Dass Avé trotz allem ein gelungener Film ist, liegt an den raffinierten Dialogen, der mitreißenden Situationskomik und den zarten Blicken zweier Figuren, die durch ihre unvermutete Verletzlichkeit authentisch wirken. Mit viel Feingefühl, Witz und Charme überzeugen Anjela Nedyakova und Ovanes Torosyan in ihren Rollen.

Der Coming-of-Age-Film von Konstantin Bojanov erzählt, wie schwer es machmal ist, sich selbst zu öffnen, sich seine Verletzlichkeit einzugestehen und anderen Menschen Vertrauen zu schenken. 

Kritik von Juni Adina Ludwig (Schiller-Gymnasium, Berlin )

 

 

Per Anhalter durch Bulgarien - Daumen hoch, Daumen runter 

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Eine Landstraße irgendwo in Bulgarien. Dort lernt Kamen die taffe Avé beim Trampen kennen, die Teenager bestreiten fortan die Reise zur Beerdigung seines Freundes gemeinsam und kommen sich näher. Konstantin Bojanovs Roadmovie ist sehr leicht und simpel erzählt und stellt sowohl ein Portrait des modernen Bulgarien als auch der Jugend dar. 

Die Protagonistin ist eine notorische Lügnerin, die sich mit erfundenen Geschichten durchs Leben schlägt, wobei die Lüge als Schutz vor der eignen Zerbrechlichkeit und ihrer Familie dient.

Der Regisseur spielt mit Wahrheit und Lüge, die irgendwann von Kamen und Avé nicht voneinander unterschieden werden können – Avé erkennt die Wahrheit nicht, wohingegen Kamen oft die Lüge nicht sieht. Vollkommene Wahrheit ist erstmals in der Sexszene sichtbar, in der die Charaktere sich nicht hinter Lügen verstecken können, und am Ende sind es Zärtlichkeit und Hoffnung, die alle sozialen Spannungen und Probleme überkommen.

Viele statische Einstellungen sowie häufige Landschaftsaufnahmen lassen den Film zuweilen etwas langatmig und wenig mitreißend wirken. Eine weitere Schwachstelle des Films ist die klischeehafte und vorhersehbare Geschichte, die so oder ähnlich auch in jedem Hollywood-Drehbuch zu lesen wäre. Zwei Ausreißer, ein Junge und ein Mädchen die sich zu Beginn nicht ausstehen können, am Ende aber Gefühle füreinander empfinden. Konstantin Bojanovs Absicht, ehrliches und einfaches Kino zu machen, ist ihm in Avé wahrhaft gelungen. Der bewusste Verzicht auf starke Bilder und eine markante Darstellung hat künstlerisch Bedeutung, lässt den Zuschauer jedoch teilweise im übertragenen Sinne auf der Strecke liegen.

Der Film beinhaltet eine süße Geschichte mit vielen Einblicken auf das Land Bulgarien, die durch das Spiel mit Wahrheit und Lüge besticht, ihm fehlt es jedoch an starker Inszenierung und der Fähigkeit, den Zuschauer emotional zu bewegen. Und was ist jede noch so schöne Geschichte, wenn sie nicht den Weg in die Herzen ihrer Zuschauer findet? 

Kritik von Annika Frenz (Gymnasium Gonsenheim, Mainz)

 

 

Glaubst du eigentlich alles, was man sagt? 

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Zwei Teenager stehen am Straßenrand. Warum und wohin Avé und Kamen trampen wollen, erfährt der Zuschauer erst später:

Sie ist von ihrer Familie weggelaufen, er möchte seinen toten Freund ein letztes Mal sehen. Ihre Wege kreuzen sich. Doch ist Avé wirklich die, für die sie sich ausgibt und was stimmt wirklich von dem, was sie Kamen erzählt? Für diesen verschwimmt die Grenze zwischen Lüge und Wahrheit immer mehr. Doch ist das überhaupt wichtig für den Zauber eines Augenblicks?

Mit seinem Roadmovie Avé schickt Regisseur Konstantin Bojanov zwei Teenager auf die Reise des Erwachsenwerdens und auf dieser Reise spielt die Auseinandersetzung mit der Lüge die Hauptrolle. Avé verurteilt ihre Eltern, weil diese die Drogenprobleme ihres Bruders verstecken und somit lügen, um ihr Ansehen zu wahren. Trotzdem stellt sie fest, dass ein psychisches und physisches Überleben auf der Straße nur mit Hilfe der Lüge möglich ist. Diese hilft ihr, sich zu schützen und dient, nachdem ihr Bruder letztlich stirbt, als Fluchtinstrument in eine Traumwelt.

Anders als viele Roadmovies hat der Film ein offenes Ende und so wird auch der Konflikt zwischen Lüge und Wahrheit nicht zu Ende geführt. Für ihre Lügerei wird Avé im Film nicht verurteilt, sondern es wird dem Zuschauer überlassen, ein eigenes Urteil zu bilden. Das jedoch fällt teilweise schwer.

Die Kamera fängt die unterschiedlichen Stationen und Konflikte der Reise gekonnt ein. Meist stillstehende Bilder, die auf viel Blickkontakt der Protagonisten setzen, führen dem Zuschauer die Gefühle  von Avé und Kamen vor Augen und die Musikuntermalung, die sich auf verschiedene Genres stützt, unterstreicht die ebenfalls widerstreitenden inneren Konflikte der Protagonisten.

Bojanovs Film ist herrlich nah am alltäglichen Konflikt zwischen Wahrheit und Lüge, Erwachsenwerden und Kindsein. Jedoch macht er es einem in seiner facettenreichen Aufmachung teilweise schwer, den roten Faden zu behalten. 

Kritik von Miriam Müller (Gymnasium Wilnsdorf)

 

 

FILM-ANGABEN

Titel: Avé

Bulgarien 2011

Laufzeit: 86 Minuten

Regie: Konstantin Bojanov

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