(Ganz) Junge Kritik: A Stranger of Mine (Unmei Janai Hito)
Den Blickwinkel nicht verlieren und den Überblick behalten
Es ist ein Zufall welche Karte man in einem Spiel erhält, die Karo Sieben oder Kreuz Ass. Es ist auch ein Zufall welchen Menschen man während eines Lebens begegnet, ob man genau zur gleichen Zeit in einem Restaurant sitzt oder im richtigen Moment die Straße entlangfährt. Genau durch solche Zufälle kreuzen sich die Wege der fünf Filmfiguren, einem jungen Geschäftsmann, einem engagierten Detektiv, einer Frau, die Angst vor dem Alleinsein hat, einem Mafiaboss und dessen Freundin. Manche kennen sich schon, manche sind erst völlig unbeteiligt und geraten hinein in die verstrickte Geschichte. Alle teilen den Drang nach Anerkennung, Liebe und Geborgenheit. Jedoch wird ihr Denken und Handeln durch das im Film bestätigte Klischee der Reserviertheit von Japanern beeinflusst. Die verbreiteten Vorstellungen über den Inhalt von japanischen Filmen, wie stuntreiche Kampfszenen und alte Kulturen werden nicht bedient, weil die Handlung realitätsnah in der Neuzeit spielt.
Der Vorteil des Films ist der gut gelungene Wechsel der verschiedenen Blickwinkel. Jedem der fünf Charaktere wird nacheinander über die Schulter geschaut und man beobachtet die Handlung aus ihrer Sicht. Nach und nach werden die Lücken geschlossen und es folgt der gewisse Aha-Effekt. Als Rahmen wird die Sicht der jungen Frau genutzt, welche auch die einzige Charakterfigur ist, die Einblicke in ihr Denken zulässt. Die anfänglichen Probleme sind am Ende der Geschichte in veränderter Weise immer noch vorhanden, trotzdem haben sich die Charaktere sichtbar weiterentwickelt.
Auch mithilfe der Musik wird dies wunderbar untermalt, die gefühlsunterstützenden Melodien sind ausschließlich instrumental und gezielt an den richtigen Stellen eingesetzt. Neben den kurzen Dialogen lacht man viel und gern über die vereinzelt eingebauten alltäglichen Passagen. Das Werk von Uchida Keuji gibt einen wunderbaren Einblick in die verschiedenen Welten der jungen Japaner und ist äußerst sehenswert.
Kritik von Anne Bolick, Theresa Walther, Violette Sarrazy (Erich-Fried-Gymnasium, Berlin)
Schaffst du es, das Puzzle zusammenzusetzen?
Ein Mädchen allein-
Ein schüchterner, junger Mann-
Ein verwegener Privatdetektiv-
Ein zerstreuter Mafiaboss und seine hinterlistige Geliebte-
Kaum zu glauben, aber Uchida Kenji schafft es in seinem Film A stranger of mine, dass all diese Charaktere in nur einer Nacht aufeinandertreffen.
Was macht das Mädchen so ganz allein? Und warum ist es so verzweifelt? Finden Miyata und sie zusammen? Eine Liebesgeschichte mit Happy Ending? Was hat der Detektiv mit der Geliebten zu tun? Doch eher ein Krimi? Gerade glaubt man, die Geschichte zu verstehen, da mischt sich auch noch die japanische Mafia ein!
Man erlebt das Geschehen aus der Sicht der verschiedenen Personen und die Fäden laufen erst nach und nach zusammen. Beispielsweise wird die scheinbar ungestörte Zweisamkeit in ein anderes Licht gerückt, wenn die Szene ein zweites Mal nicht mehr aus der Sicht der Verliebten gezeigt wird, sondern aus der eines entnervten Mafioso unterm Bett. Die Kamera zeigt hier sein Blickfeld und somit nur die nackten Füße der beiden.
Genauso vielfältig wie die dargestellten Perspektiven ist auch die jeweils dazugehörige Musik von Ishibashi Mitsuharu: Ändert sich die Perspektive, ändert sich auch die Musik, die entgegen der Erwartung, nicht typisch japanisch ist. Ein ausgesprochen lustiger Film, der außerdem noch gut durchdacht und in sich schlüssig ist.
Kritik von Alena Schmitz, Nadja Momotow und Julia Claus (Hildegardis-Schule, Bochum)
Es kommt immer auf die Perspektive an
Wenn man den Kinosaal verlässt, hat man das Gefühl, als käme man gerade aus einem Raum mit lauter Spiegeln, in dem man aus wechselnden Perspektiven sich selbst in verschiedenen Situationen gesehen hat, die unterschiedliche Bedeutungen erhalten. Regisseur Uchida Kenji gelingt es auf geniale Art und Weise in seinem Film A Stranger Of Mine (Unmei Janai Hito) den einzelnen Szenen durch abwechslungsreiche Kameraführung eine andere Bedeutung zu geben und klärt erst am Ende des Filmes auf, was bis dahin geschehen ist. So sind nach dem Prolog die wichtigsten Szenen zu sehen, für die man zunächst eine ganz banale Erklärung findet. Nach und nach werden die Szenen jedoch aus anderen Sichtweisen dargestellt, sodass die wahren Zusammenhänge klar werden. Durch die Einteilung des Filmes in drei Episoden, in denen die Begebenheiten aus der Sicht eines verlassenen Mädchens und eines schüchternen Mannes, eines Detektivs und eines Mafiabosses gezeigt werden, baut sich die Spannung immer weiter auf – davon gefesselt erkennt der Zuschauer schrittweise die Zusammenhänge. Gezielte Kameraführung auf diejenigen Personen, aus deren Sicht eine Situation in dem Moment erläutert wird, bringt Details ans Licht, die man vorher nicht sehen konnte, was die einzelnen Szenen zu einer zusammenhängenden Geschichte verschmelzen lässt. Man erkennt, dass die gezeigten Personen alle eine Verbindung zueinander haben und sich durch die Handlung des einen auf das Verhalten des anderen schließen lässt.
Der Film schafft es zugleich verschiedene Seiten Japans zu zeigen und verschafft einen Einblick in dessen Kultur und Alltag. So erfährt das Publikum, dass man im Land der aufgehenden Sonne die Schuhe sogar zum Einbrechen auszieht, und dass die Strümpfe beim Betreten der Wohnung sofort gewaschen werden. Darin wird die Komik des Filmes deutlich, die auch durch die Schüchternheit des unbeholfenen Miyata im Umgang mit der verlassenen Kuwata hervorgehoben wird. Musik und Ton unterstreichen die Erzählung, da zu den unterschiedlichen Episoden unterschiedliche Musikstile zu hören sind. Die Musik stoppt an markanten Stellen, wie zum Beispiel beim Abziehen des Verlobungsringes oder beim Zuschlagen einer Autotür, was eine abgeschlossene Handlung betont. Insgesamt ist der Film anspruchsvoll, vielschichtig und regt zum Nachdenken an, überzeugt aber auch durch gute Situationskomik und tolle schauspielerische Leistung. Wie der Regisseur dem Zuschauer empfiehlt, genügt eine Portion Popcorn und etwas Kombinationsgabe, um den Film genießen zu können.
Kritik von Alexander Koch, Mira Möll und Anjana Siwert (Friedrich-Magnus-Gesamtschule, Laubach)
"Hallo, wo bist du gerade?"
Diese unverbindliche Floskel steht heute zu Beginn fast jeden Handygespräches und war auch für Kenji Uchida, dem Regisseur von A Stranger Of Mine, die zentrale Idee, um die herum er geschickt seine Verwicklungskomödie spinnt. Angelpunkt der Handlung bildet ein Restaurant in Tokio, in dem die einzelnen Schicksale der fünf Hauptcharaktere zusammenlaufen. Hier trifft der sensible Miyata, der sich nach der Trennung von seiner Freundin Ayumi in einer tiefen Identitätskrise befindet, zum ersten Mal auf Kuwata, die, nachdem sie ihren Freund verlassen hat, verzweifelt und perspektivlos auf der Straße wieder findet. Spontaner Vermittler zwischen den beiden ist Kanda, Jugendfreund Miyatas und Privatdetektiv, der das Abendessen unfreiwillig initiieren musste. Dieses scheinbar unbeabsichtigte Zusammentreffen ist jedoch alles andere als reiner Zufall, sondern ergibt sich unwiderruflich durch parallel verlaufende Verwicklungen mit den japanischen Mafiosi, den Yakuza, deren Boss Asai – neuer Freund Ayumis – mit dem Versuch sein Gesicht zu wahren, alle Handlungsstränge zusammentreibt.
Obwohl Komödie, besticht der Film jederzeit durch seine Natürlichkeit und die Originalität der Charaktere und setzt nach und nach die Handlungsstücke nahtlos zu einem großen Puzzle zusammen, in dem auf jede Aktion eine Reaktion folgt. Ebenso unterstützt die auffallend westlich geprägte und breit gefächerte Musik, die von Klassik über Jazz bis zu Elementen des Metals reicht, die Atmosphäre der jeweiligen Szenen und die Emotionen der Charaktere. Die durchgängige Komplexität und die intelligent und humorvoll geführte Narration des Komplotts sind bewundernswert. Dabei bleibt die Komödie völlig neutral und ungezwungen und nahm nicht zuletzt aus diesem Grunde das Publikum des Espace Miramar völlig für sich ein.
Sowohl der Film als auch der sympathische Regisseur verdienen internationale Würdigung.
Kritik von Moritz Bender, Bernhard Lubomski und Ariane Hengst (Gymnasium auf der Karthause, Koblenz)
Unmei Janai Hito (A Stranger of Mine); Japan 2004; 98 Minuten; Regie: Uchida Kenji; Drehbuch: Uchida Kenji; Produzent: Amano Mayumi; Mit Nakamura Yasuhi, Kirishima Reika, Yamanaka Soh, Itaya Yuka, Yamashita Kisuke
Diese Kritiken entstanden im Rahmen von La Toute Jeune Critique
Semaine internationale de la Critique de Cannes 2005.
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