(Ganz) Junge Kritik: 17 Filles
Schülerkritiken zum Film 17 Filles von Delphine und Muriel Coulin.
No one can stop a dreaming girl
Schwangerschaft als Unabhängigkeitserklärung an die Gesellschaft?! Im Debütfilm von Delphine und Muriel Coulin träumen 17 junge Mädchen von „einem zweiten Leben außerhalb der Schule, davon, zweihundertprozentig intensiv zu leben und alles besser zu machen als die Eltern“. Der Wunsch nach innerer Freiheit, Unabhängigkeit und Auflehnung gegen Normen und Regeln der Gesellschaft findet sein Ventil im Beschluss der Mädchen, gleichzeitig schwanger zu werden. Während sich die neue, daraus entstehende Situation im Verlauf des Filmes bereichernd auf die Intensität der Mädchenfreundschaften auswirkt, führt sie jedoch auch zu Differenzen mit der Gesellschaft und zu inneren Konflikten, Zweifeln und Unsicherheit bezüglich des eigenen Handelns bei den Mädchen.

Beim Betrachten der Ultraschallbilder überkommen die Mädchen wundersame Gefühle, die durch nah gefilmte glänzende Augen nach außen treten. Bei den Unterwasseraufnahmen der Schwangerschaftsgymnastik und der Inszenierung einer Lehrerkonferenz werden kleine Lacher hervorgerufen, indem für die teilnehmenden Persönlichkeiten auf wunderbar überzogene Klischees zurückgegriffen wird. Der Film findet somit stets die richtige Balance zwischen tiefen Emotionen und einer gewissen Komik.
17 filles ist somit ein Film voller Konfrontationen: Die Mädchen sitzen nachdenklich und zweifelnd in ihren Kinderzimmern, die Kamera steht still. Kurz darauf feiern sie rauchend und trinkend in einer Gruppe von Menschen, die Kamera ist bewegter, spiegelt die innere Unsicherheit der Mädchen wider und symbolisiert ihr Unvermögen, Verantwortung zu übernehmen.
Der alltägliche Konflikt im Leben junger Mädchen, zwischen Kind- und Erwachsensein, und das Aufeinanderprallen der eigenen Identität und der an sie gerichteten Vorstellungen der Gesellschaft macht 17 filles zu einem Film, der träumende Mädchen berührt.
Kritik von Miriam Müller (Gymnasium Wilnsdorf )
Wellen schlagen
Camille träumt. Von einem Leben außerhalb der heruntergekommenen Hafenstadt aus tristen Hochhaustürmen und Beton, von Freiheit, von Familie. Nachts schaut sie mit ihren Freundinnen aufs Meer. Als sie schwanger wird, scheinen ihre Hoffnungen ein abruptes Ende zu finden; doch anstatt zu verzweifeln, verwandelt sie ihre Schwangerschaft in ein Manifest für Selbstbestimmung und das Ausbrechen aus der Norm. Bald laufen 17 schwangere Mädchen durch die Schule und zwingen enttäuschte Eltern, bestürzte Lehrer und ratlose Mitschüler dazu, sich eine Frage zu stellen: Wer darf über den weiblichen Körper bestimmen?

Eine entwaffnende Energie und ein allem trotzender Optimismus durchziehen 17 filles, den Debütspielfilm der Coulin-Schwestern Muriel und Delphine. Verbunden durch rasche Schnitte fließen Farben über die Leinwand, finden sich zusammen zu gespiegelten Sonnenuntergängen, statischen Hochhauslandschaften, Himmelsfetzen und Stadtlichtern, die in der Dunkelheit verebben. Niemand kann diese jungen Mädchen davon abhalten, zu träumen. Doch Träume können auch zerschellen, plötzlich, auf einen Schlag, ohne Vorwarnung. Dieses Gefühl der Grenzenlosigkeit, das sein Ende erst im Gefängnis des eigenen Körpers findet, fängt 17 filles in ironietropfenden Gesprächen und nachdenklichem Schweigen ein.
Trotz allem scheint der Film oft nur kleine Wellen an der Oberfläche eines aufgewühlten Meeres zu schlagen, dessen Tiefe fern und unergründet bleibt. Zu viele Leben, zu viele Persönlichkeiten wollen die Regisseurinnen dem Zuschauer nahe bringen, und verheddern sich dabei zuweilen in ihrem Vorhaben.
Die Stärke des Filmes liegt am Ende in seinen Bildern. In den Momenten, in denen sich die Kamera in der Weite des Meeres verliert, um im nächsten Augenblick Feinheiten des sich wandelnden Körpers einzufangen, blasse Haut, zitternde Wimpern. Körper, über die jeder bestimmen will, die am Ende jedoch nur sich selbst gehören.
Kritik von Juni Adina Ludwig und Roberta Huldisch (Schiller-Gymnasium, Berlin)
Selbstbestimmung und Gruppenzwang

Eine langweilige Kleinstadt an der Atlantikküste, schwangere Teenager und Einsamkeit.
Delphine und Muriel Coulins Debütfilm 17 filles basiert auf einer wahren Begebenheit und erzählt die Geschichte der 17-jährigen schwangeren Camille, die ihre Freunde dazu verleitet, ebenfalls schwanger zu werden.
Interessant sind die unterschiedlichen Motive für den bewussten Entschluss zur Schwangerschaft – die einen wollen bedingungslose Liebe erfahren, sich selbst beweisen, aus den Zwängen der Eltern und der Gesellschaft ausbrechen, oder auch einfach aus der Einsamkeit ihres Lebens entkommen. Außenseiterin Florence möchte dazu gehören, und geht dabei so weit, die Schwangerschaft vorzutäuschen.
Wunderschöne Farbgebung, fantastisches Einsetzen von Licht und stimmungsvolle Musik geben dem Film seine Ästhetik. Der Ton des Films ist jung und frisch – die Ausgelassenheit der jungen Mädchen wird durch die sehr laute, freche Musik untermalt. Im Kontrast dazu stehen die ruhigen Momente, in denen die Protagonisten sich alleine in ihrem Zimmer mit Selbstzweifeln beschäftigen und die durch statische Einstellungen passend inszeniert werden. Die extreme Naivität und Verantwortungslosigkeit der Jugendlichen, die während der Schwangerschaft rauchen und trinken, kontrastieren mit der karikierten Darstellung der Erwachsenen im Film, sodass es dem Zuschauer schwer fällt, sich mit den Charakteren zu identifizieren.
17 filles ist sicherlich ein thematisch interessanter Film, der von Erwachsenwerden, Selbstbestimmung und Freiheit erzählt. Jedoch kann er durch den leichtsinnigen Umgang der Mädchen mit dem eigenen Körper und dem Thema Schwangerschaft eine falsche Botschaft vermitteln und unter Umständen könnte er sogar Jugendliche zur Schwangerschaft motivieren.
Denn « nichts kann ein träumendes Mädchen aufhalten »...
Kritik von Annika Frenz (Gymnasium Gonsenheim, Mainz)
Wenn Muscheln träumen

„Niemand kann ein Mädchen aufhalten, das Träume hat.“
Ein letzter Satz, der im Kopf bleibt. Ein Satz, der vielleicht einen winzigen Teil der folgenschweren und alles verändernden Entscheidung der fünf Protagonistinnen erklärt.
Um einem Leben in der tristen Kleinstadt Lorient ohne wirklichen Zukunftsperspektiven und Chancen zu entkommen, entscheiden sich 17 Mädchen, ein Kind in die Welt zu setzen. Ein Entschluss, der auf großen Widerstand trifft.
17 filles beschreibt vor allem Themen wie Verantwortung und Freundschaft. Ihre Probleme glauben die erwachsen gewordenen Kinder in der Freiheit vergessen zu können, und gehen ohne Rücksicht auf Verluste ihren Weg. Die 16-Jährige Hauptprotagonistin Camille Fournier will alles. Sofort.
Es ist ein Spiel mit dem Feuer, auf das sie sich einlässt. Eine Redewendung, die in diesem Film auch wörtlich zu nehmen ist.
Der Film arbeitet mit vielen Kontrasten, die sich auch im wahren Leben wieder finden. Wenn nach lauter Musik plötzlich eine tiefgründige Stille folgt oder die leere Einsamkeit in erfüllendes Glück verwandelt wird, lassen sich die wahren Gefühle deutlich erkennen. Besonders beeindruckend sind Szenen, in denen die einzelnen Mädchen alleine in ihrem Zimmer gefilmt werden, der Zuschauer scheint ungehindert in ihre Seele blicken zu können. Gleichzeitig werden die Einzigartigkeit und die Vielseitigkeit der Charaktere, die sich wie Muscheln von einander unterscheiden, deutlich.
Wunderschöne Landschaftsaufnahmen stellen sich den sozialen Problemen entgegen. Daraus entwickelt sich eine Art Balance, in der am Ende aber die Realität die Schönheit dominiert. Detailverliebte Bilder bringen die Unsicherheit und besonders auch die Verantwortungslosigkeit der Mädchen zum Ausdruck. Es reicht ein Blick oder eine Geste, um innere Leere sichtbar werden zu lassen oder das Publikum zu provozieren.
Schließlich kommt alles anders als man denkt, denn eine strahlende Muschel verschwindet für immer im Meer.
Kritik von Ronja Keifer (Wagenburg-Gymnasium, Stuttgart)
FILM-ANGABEN
Titel: 17 Girls
Originaltitel: 17 filles
Frankreich 2011
Laufzeit: 90 Minuten
Regie: Delphine Coulin, Muriel Coulin
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