Fokus Fernost
Studenten der Universität Regensburg haben im Rahmen einer Übung zum Filmjournalismus das Filmfest München besucht und sich individuell oder in Kleingruppen den verschiedenen Sektionen gewidmet. Einige der Texte finden hier auf critic.de ihre Publikation.
Auch dieses Jahr widmete das Filmfestkomitee München dem asiatischen Kino eine Sektion. Während im Olympiajahr 2008 dem Publikum zwölf Filme des chinesischen Autorenkinos präsentiert wurden, beschloss man 2009 zu Recht, die Reihe auszuweiten: neben diversen vietnamesischen, philippinischen, thailändischen und indonesischen Filmen wurden die Werke vierer chinesischer, dreier japanischer und eines koreanischen Regisseurs vorgestellt.
Im Programm fanden sich sowohl Filme bereits bekannter Regisseure, wie etwa Achilles and the Tortoise (Akiresu to Kame, 2008) von dem japanischen Filmemacher, Schauspieler und Künstler Takeshi Kitano (unter anderem bekannt durch die Filme Zatoichi – Der blinde Samurai, 2003 und Hana-bi – Feuerblume, 1997), als auch die Werke von Spielfilmregieneulingen, wie etwa Yang Ik-June, Kevin Feng Ke und Li Dawei, die zudem in München zu Gast waren und dem Publikum Rede und Antwort standen.
Der japanische Film beschäftigt sich in großem Maße mit existentiellen Fragen, wie etwa im Animationsfilm The Sky Crawlers (Sukai Kurora, 2008) von Mamoru Oshii, der nach dem Sinn des Erwachsenwerdens in einer von Krieg und Tod beherrschten Welt fragt. Es werden übersinnliche Kräfte und die Macht der Träume thematisiert, wie in Shinya Tsukamotos Nightmare Detective 2 (Akumu Tantei 2, 2008), oder die Schicksale Einzelner erzählt, etwa das eines erfolglosen Künstlers in Takeshi Kitanos (selbst Künstler und Maler aller im Film gezeigter Bilder der Hauptfigur) Achilles and the Tortoise. Kitano widmet sich Fragen über die Möglichkeiten und Grenzen der Kunst.
Im Gegensatz zu diesen existentiellen und beinahe poetischen Themen wendet sich der koreanische Regisseur Yang Ik-June in seinem Film Breathless (Ddongpari, 2008) dem für das junge koreanische Kino typischen Thema Gewalt zu. Die zunächst standardisiert wirkende Story kehrt jedoch der typischen Genrekonstellation „Mafia und Gangster“ den Rücken und beleuchtet das koreanische Tabuthema „Gewalt in der Familie“, die der Regisseur als Auslöser für die Brutalität auf den Straßen sieht.
Das junge chinesische Kino gehört zu den spannendsten der Welt und das beweisen auch die von den Programmmachern ausgewählten Filme:
Die Schattenseite der ehemaligen Kronkolonie Hongkong, das sich in einem Zustand des sozialen Stillstands befindet, zeigt Philip Yung in Glamorous Youth (2009) auf. Das feinfühlige Porträt der Jugend Hongkongs eröffnet den Blick auf die Orientierungslosigkeit sowohl der Jugend als auch der Erwachsenen und ist hierbei mühelos auf andere Länder übertragbar. Ähnlich verhält es sich bei den Filmen Letters from the Death Row (Ba Bai Bang, 2008) von Kevin Feng Ke, der die Verfassung der Menschen in einem chinesischen Todestrakt thematisiert und damit kein allein chinesisches Problem aufwirft, und Er Dong (2008) von Regisseur Yang Jin, der von einem Außenseiter und Individualisten erzählt, der sich in eine Gesellschaft, die aus Erziehung und Gehorsam besteht, nicht einfügen kann und will. Etwas andere Töne schlägt Li Dawei mit seinem Film A Tale of Two Donkeys (Zou Zhu Qiao, 2007) an. In einer atemberaubenden Fabel erzählt er von einer archaischen Begegnung zwischen Mensch und Natur, die vor Witz nur so schäumt.
Bei all der Vielfalt an Filmen überrascht es jedoch, dass durchaus eine inhaltliche Parallele gezogen werden kann: mit einem großen Fundus an Ideen bewaffnet wandten sich die Regisseure dem Problem zu, das viele Asiaten belastet – die scheinbare Unvereinbarkeit von Tradition und Moderne und dem daraus resultierenden Bruch zwischen den Generationen.
Hierbei bedarf das asiatische Kino keiner großen Worte. In den Filmen werden die meisten Gefühle und Botschaften durch das Schweigen der Charaktere vermittelt; was maßgeblich zur Poesie und Kunst dieser Kinematographie beiträgt.
Besonders fällt auf, dass die chinesischen, japanischen und koreanischen am Puls der Zeit liegenden Filme neben der bereits bekannten künstlerischen, provokativen und radikalen auch eine humoristische, schräge und poetische Seite besitzen. .
Die gelungene auf dem Filmfest München dargebotene Mischung repräsentierte das asiatische Kino in seinen inhaltlichen und ästhetischen Besonderheiten. Mit dem Filmkontinent „Fernost“ ist weiter zu rechnen.
Carina Ehrenreich
Kommentare zu „Fokus Fernost“
Es gibt bisher noch keine Kommentare.