Ein Licht, das durch Lücken fällt: Women Make Film
Inspiriert durch eine 14-stündige Kompilation, die die Filmgeschichte neu vermisst, zeigt das Berliner Arsenal zwischen September und Dezember eine Reihe zu 13 Regisseurinnen – und findet dabei Verbindungen jenseits nationaler Zugehörigkeiten.

Hinter den Bäumen liegt die Sonne. Sie scheint durch die Lücken, die sich zwischen den Blättern auftun, wenn sie durch den Wind in Bewegung versetzt werden. Je länger diese Einstellung in The Arch (Dong fu ren, 1970) zu sehen ist, desto unklarer wird, welches Verhältnis sie eröffnet. Denn bahnt sich nicht das Licht selbst den Weg, ganz ohne das Zutun der Luft, stürmt endlich in den Vordergrund, um als Strahl erkennbar zu werden und auf die Netzhaut zu fallen? An der Sonne hängt das Leben und der Tag, bis die Augen müde werden und die Nacht mit den Kometen prahlt.
Eine Kartierung weiblichen Filmemachens

An der Sonne hängt auch die Hoffnung, so legt es Regisseurin Tang Shu Shuen offen, auf Veränderung vielleicht, die doch den beständigen Rhythmus des Gewohnten stören würde. The Arch erzählt von einer Dreiecksgeschichte während der Ming-Dynastie im 17. Jahrhundert, von der Überraschung einer Mutter, sich nach dem Tod des Mannes erneut zu verlieben, und vom Umgang mit diesen Gefühlen, die sie doch eigentlich für die Tochter vorgesehen hatte. Wie sich Begehren innerhalb einer dörflichen Gemeinschaft strukturiert, zeigt die in Hong Kong geborene Tang mit ihrem Film, der den Anfang der Filmreihe Women Make Film markiert.

Ausgehend von dem gleichnamigen 14-stündigen Kompilationsfilm von Mark Cousins aus dem Jahr 2018 unternimmt das Berliner Kino Arsenal ab dem 9. September den Versuch, weibliches Filmemachen in seiner Vielgestaltigkeit zu kartieren. Von den insgesamt 183 Künstlerinnen, aus deren Werken Cousins seinen Streifzug durch die Filmgeschichte gebastelt hat, wurden 13 Regisseurinnen aus unterschiedlichen Epochen und Ländern ausgewählt: Gilda de Abreu, Dinara Asanova, Astrid Henning-Jensen, Wanda Jakubowska, Ana Mariscal, Marva Nabili, Sumitra Peries, Maria Plyta, Olga Preobrazhenskaya, Yuliya Solntseva und Vera Stroyeva; Beiträge von Tang Shu Shuen und Binka Zhelyazkova, der ersten Spielfilmregisseurin Bulgariens, die zwischen 1957 und 1988 Filme drehte, stehen zu Beginn von drei thematisch sortierten Blöcken.
Wann sind wir da?

In fünf Teilen wird dabei auch Cousins Film gezeigt, der den Untertitel „A new road movie through cinema” trägt. Der Weg zur Gleichberechtigung ist eine bumpy road, unsere Fahrt wird noch eine ganze Weile andauern (132 Jahre, prophezeit etwa der im Juli veröffentlichte Global-Gender-Gap-Report des Weltwirtschaftsforums). Initiativen wie Pro Quote Film werden nicht müde, Verbesserungen für all diejenigen vor und hinter der Kamera zu fordern, die Benachteiligung in der Film- und Medienbranche erfahren. Auch die Filmgeschichte sei sexistisch, so heißt es in dem von Tilda Swinton gesprochenen Text, der die Bilder von Cousins Women Make Film untermalt, und zwar aufgrund ihrer Auslassungen. Was sich ihrem Netz entzieht, scheint nicht zu existieren.

Zuletzt hatte sich die von Erika Balsom und Hila Peleg kuratierte Ausstellung No Master Territories – Feminist Worldmaking and the Moving Image im Berliner Haus der Kulturen der Welt, über die Esther Buss im Filmdienst geschrieben hat, eindrucksvoll mit dieser Frage der Kanonbildung beschäftigt. Während Besucher*innen dort in individuell bestimmbarer Reihenfolge Filme sichten konnten, von Frauen über Frauen, die zwischen 1970 und 1990 oftmals im aktivistischen Kontext entstanden sind, sich gegenseitig kommentierten und von Balsom/Peleg in den Ausstellungskontext überführt wurden, lässt die Reihe Women Make Film, wenn sie das Kino mit seinen Lichtstrahlen neu vermisst, tiefere Blicke in einzelne Biografien zu – nicht ohne dabei ebenfalls Verbindungen jenseits nationaler Zugehörigkeiten und zeitlicher Grenzen zu suchen und eine Kollektivität zu entwerfen.
Weiter und nach vorne
„And time moves on”, heißt es am Ende von The Arch. Und weiter: „Anguish and torment remain momentous only because we feel the pain.” Die Blätter rauschen immer noch im Wind, die Zeit zieht weiter, während sich zwei Hände treffen und nach dem Cricket-Schläger greifen, um sich miteinander in das Spiel zu begeben, das Zerstörung heißt.
Die Reihe Woman Make Film – Perspektiven von 13 Regisseurinnen ist vom 9. September bis 18. Dezember 2022 im Berliner Kino Arsenal zu sehen. Auf der Homepage werden Informationen zu den 13 Filmemacherinnen und ihren Werken dauerhaft zur Verfügung gestellt.
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