Die befreite Leinwand - Hollywood Blacklist
Im September zeigt das Berliner Arsenal eine Filmreihe, die sich jenen widmet, die während des Kalten Krieges unter Kommunismusverdacht standen. Dabei kommt ein überraschend politisches Bildreservoir Hollywoods zwischen Großer Depression und McCarthy zum Vorschein.

Erst ganz am Schluss des sogenannten Waldorf Statements – in dem die Chefs der großen Filmstudios im Dezember 1947 ankündigten, „keinerlei Kommunisten mehr anzustellen“, und so mit ihrer schwarzen Liste begannen – ist eine gewisse Vorsicht spürbar. Auf keinen Fall wolle man sich beim Ausschluss kommunistischer Umtriebe von Hysterie oder Einschüchterungen leiten lassen, heißt es da. „To this end we will invite the Hollywood talents guilds to work with us to eliminate any subversives, to protect the innocent, and to safeguard free speech and a free screen wherever threatened.“ Das berüchtigte Dokument ist geradezu ein Musterbeispiel für das zentrale US-amerikanische Dilemma des frühen Kalten Krieges, in dem die Freiheit im Abstrakten als zentrales Distinktionsmerkmal gegenüber dem Feind im Osten in Stellung gebracht, aus Angst vor dessen wachsendem Einfluss aber zugleich die konkrete Freiheit durchaus eingeschränkt werden musste. Der „free screen“ teilte das Schicksal der „free speech“: Die Kinoleinwand wurde als immer schon existenter Raum der Freiheit behauptet, zugleich musste er von „unamerikanischen“ Einflüssen erst befreit werden.
Antifaschistisch, antikapitalistisch

Von was man die Leinwand da befreite, das lässt sich im September im Berliner Arsenal begutachten. Die von Hannes Brühwiler kuratierte Reihe „Hollywood Blacklist“ widmet sich dem Filmschaffen derjenigen, die spätestens im „Age of McCarthyism“ zu Beginn der 1950er Jahre nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen durften. Im Zentrum stehen dabei nicht die berühmten „Hollywood Ten“, die sich 1947 weigerten, dem Kongress die berüchtigte Sind-oder-waren-Sie-jemals-Frage zu beantworten und die Aufmerksamkeit des House Un-American Activities Committee (HUAC) erst so richtig auf Hollywood lenkten, sondern jene Filmemacher, die erst infolge dieser Ereignisse von Berufsverboten betroffen waren. Es sind vorwiegend Werke zu sehen, die zwischen den späten 1930ern und den beginnenden 1950er Jahren entstanden sind. Sie beweisen, dass es trotz aller Selbstzensur seit der Installation des Hays Code, trotz der Indienstnahme des Kinos für staatliche Zwecke während des Zweiten Weltkriegs und trotz des direkt im Anschluss an den Krieg durchgesetzten antikommunistischen Konsenses in den Jahren um den „Good War“ herum ein genuin politisches Hollywoodkino gab. Ein Kino, das sich aus den Tumulten von Großer Depression, Weltkrieg und neuer Nachkriegsordnung heraus mit der faschistischen Gefahr ebenso auseinandersetzte wie mit der kapitalistischen Klassengesellschaft, mit Geschlechter- ebenso wie mit Race-Verhältnissen.

Mit diesem thematisch wie historisch breiten Ansatz folgt die Reihe dem Spirit der Dokumentation Red Hollywood von Thom Andersen und Noël Burch, die ebenfalls im Programm zu sehen sein wird. Dort sind einige der auch in der Filmreihe häufiger vertretenen Personen als Talking Heads zu sehen – etwa der eindrucksvolle Abraham Polonsky –, doch geht es Andersen und Burch weniger um eine Heroisierung vergessener Regisseure und Drehbuchautoren und ihren Kampf gegen das System als um die Bilder, die dieser Kampf produzierte. Bilder des faschistischen Terrors etwa, wie in Irving Pichels warnendem The Man I Married (1940), der ein Jahr vor Kriegseintritt der USA tatsächlich noch dafür sorgte, dass der Kongress in Hollywood wegen Kriegstreiberei ermittelte. Oder Bilder des tödlichen Kapitals, wie in Polonskys wütend anti-kapitalistischem Force of Evil (1948), dessen Logik der Regisseur im Interview mit Andersen und Burch nochmals unterstreicht: „All films about crime are about capitalism because capitalism is about crime.“ Bilder des Working-Class-Struggle, häufig verkörpert vom noch während der McCarthy-Zeit verstorbenen John Garfield, etwa in Michael Curtiz’ The Breaking Point (1950) oder in He Ran All the Way (1951) von John Berry, der vor einer HUAC-Vorladung aus dem Fenster seiner Wohnung floh. Und feministische Bilder, wie in I Can Get It For You Wholesale (1951), in dem sich Susan Hayward zum Missfallen der Männerschaft vom Modell zur Designerin hocharbeitet.
Sonderfälle und Mehrdeutigkeiten

Einige hübsche Sonderfälle hält das Programm bereit: Da gibt es den nicht in den USA, sondern in Großbritannien entstandenen Cry, the Beloved Country (1951), in dem Zoltan Korda auf die südafrikanische Apartheid blickt. Da gibt es Nicholas Rays Johnny Guitar (1954), der im Ausklang der Hysterie die HUAC-Hexenjagd nochmal in ein Western-Setting versetzt, und Luis Buñuels viel zu wenig bekannte Satire The Young One (La joven, 1960), nach einem Drehbuch des HUAC-Verfolgten Hugo Butler. Da gibt es den frühen Farbfilm The Boy with Green Hair (1948), in dem sich die Haare eines Kriegswaisen auf einmal grün färben. Und schließlich gibt es da den erstaunlichen Salt of the Earth (1954), den eine ganze Reihe von Blackgelisteten unter widrigsten Umständen und weitestgehend independent fertigstellten. Das war nicht nur wegen der Berufsverbote nötig, sondern wohl auch, weil der kämpferisch-empathische Blick auf einen Bergarbeiterstreik und den begleitenden Kampf der Frauen für ihre Rechte dem Hollywood-Establishment etwas zu viel „free screen“ gewesen sein dürfte.

Aber es geht nicht nur um oppositionelles Filmemachen, sondern auch um die Mehrdeutigkeit, die dem Bewegtbild selbst inhärent ist. Vor allem die vielen Beispiele, die Andersen und Burch in ihrer Dokumentation aufführen, machen das Kino nicht nur als umkämpftes Medium oppositioneller Parteien sichtbar, sondern als ambivalenten Resonanzraum der Geschichte selbst. So zeigt Red Hollywood, wie sich die während des Krieges fortwährend verändernden Allianzen zu zwischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten changierenden Russlandbildern fügten; wie sich die plötzliche Nachkriegsnotwendigkeit, die Frauen von der Fabrik zurück an den Herd zu bekommen, fiktionaler Geschichten bemächtigte; oder wie die Familie als mitleidende Gemeinschaft für den arbeitslosen Mann auch in Filmen auf einmal den Platz der solidarischen Kollegenschaft einnahm. Doch weil das Kino zwar auf seine Zeit hört, aber diese eben doch überdauert, werden historische Diskurse nicht nur verfestigt, sondern immer auch verflüssigt, in Bewegung versetzt und dadurch in die Freiheit entlassen. Die Übersetzung von Diskursen in Bilder setzt immer einen Begehrensüberschuss frei, der diese Operation sabotiert und in alle Richtungen offen ist. Der Screen ist der Gesellschaft in Sachen Freiheit dann eben doch immer schon einen kleinen Schritt voraus, auch und gerade dann wenn diese ihn von etwas frei halten will.
Kommentare zu „Die befreite Leinwand - Hollywood Blacklist “
Es gibt bisher noch keine Kommentare.