Der glückliche Skeptiker

Der neue Film von Hong Sang-soo, Hahaha – Cannes Tagebuch, 7. Folge

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Wenn man in einen Film des Koreaners Hong Sang-soo geht, weiß man, was einen in der Regel erwartet: Es kommen eigentlich keine Kinder und auch keine Tiere vor in Hongs Filmen. Und wenig Privatwohnungen. Man trifft sich an öffentlichen Plätzen, vorzugsweise in Restaurants. Menschen, meist zu zweit, werden zu sehen sein, die viel miteinander reden und ebenso viel essen. Sie trinken auch viel beim Essen. Betrinken sich. Die Handlung spielt oft in der Stadt. Es geht in den Gesprächen oft um Abwesende, um Lebenspartner und Freunde oder Verwandte. Um die Arbeit – es sind oft Künstler und Intellektuelle – und um den Sinn des Lebens.

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Es ist ebenso erstaunlich wie großartig, wie Hong Sang-soo dieses einfache Grundprinzip seit Jahren variiert und ihm immer Neues abgewinnt. Natürlich erinnert das vor allem an Rohmer, in seiner Leichtigkeit, scheinbaren Einfachheit, und auch die leichte Klaviermusik, die manchmal einen Szenenwechsel begleitet, mutet französisch an.

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Hahaha, sein neuer Film, der in „Un certain regard“ läuft, setzt mit einem Essen ein. Man sieht es nur in Form von Schwarzweißfotos; zwei Freunde treffen sich und erzählen als doppelte Off-Erzähler abwechselnd von ihrem gemeinsamen Aufenthalt in der südlichen Provinzstadt Tongyeong. Der eine ist ein Regisseur, der andere ein Schriftsteller mit Depressionen. Es kommen noch ein paar Figuren hinzu, insgesamt dreht sich alles um drei Männer und drei Frauen, um die sich ein Reigen aus Liebe und Begehren entspinnt, voller Irrungen und Wirrungen und doch jederzeit gelassen.

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Immer wieder wird auch hier viel getrunken und viel geredet, und wenn es so etwas wie eine moralische Botschaft in Hongs Filmen gibt, dann ist das der Glaube an die Kraft und die Möglichkeiten der Kommunikation. Alle reden immer über alles mit allen. Das bringt zwar nichts im Sinne einer Problemlösung, aber es trägt zur Aufklärung bei, zum Mehr-Wissen, es scheint zu erleichtern, es tut gut, es spendet Trost.

Die Gespräche drehen sich um vieles: Ein untergründiges Thema ist diesmal die Frage, was ein Held ist. Und ob die moderne Gesellschaft noch Helden möglich macht und nötig hat. Unnötig hinzuzufügen: Hong, der glückliche Skeptiker, glaubt das nicht. Eine Figur sagt: „Dying for a higher good is a joke now.“

Ein zweiter Erzählstrang ist die philosophische Frage nach dem Verhältnis von Wissen und Erfahrung: „The less you know, the more you see“, sagt der Regisseur einmal, und Hong identifiziert sich damit. Seine Filme lehren uns Offenheit, wollen befreien. Einmal träumt der Regisseur, trifft einen alten Kriegshelden und bekommt zu hören: „See with your eyes. Don’t see with the thoughts of others.“

Es gibt Reflexionen über das Betteln und unseren Umgang mit Bettlern, über Existenzialismus und natürlich über die Liebe. Hahaha ist eine Comédie humaine, eine Sommergeschichte, sehr menschlich und sehr schön.

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