Brüchige Vertrautheit - Filme von Aysun Bademsoy

Seit über dreißig Jahren porträtiert Aysun Bademsoy Menschen, die sich zwischen verschiedenen Welten und Kulturen zurechtfinden müssen. Im Filmmuseum Frankfurt läuft ab heute eine Werkschau mit acht Filmen der deutschtürkischen Regisseurin. 

Der Begriff Heimat ist für den 15-jährigen Yusuf nicht leicht zu greifen. Seine Familie ist zwar schon vor längerer Zeit nach Deutschland gezogen, der Junge kehrt jedoch regelmäßig in die Türkei zurück, um dort zur Schule zu gehen. Ist er nun zuhause, wo er geboren ist und seine Kindheit verbracht hat, oder doch dort, wo die Eltern seit mehreren Jahren leben? Heimat bedeutet Nähe und Vertrautheit, doch das gibt es für den Jungen immer nur mit Abstrichen. In der Schule etwa bleiben ihm die „richtigen“ Türken fremd, während er sich bei den Deutschtürken gut aufgehoben fühlt.

Mit dem halbstündigen Nirgends ist man richtig da (1994) gab Aysun Bademsoy im Rahmen der 3sat-Reihe Fremde Kinder ihr Regiedebüt. Ihr großes Thema wie auch ihre präzise beobachtende und unaufdringlich mitfühlende Art der Inszenierung hatte sie schon damals gefunden. Auch fast alle ihrer darauffolgenden Dokumentarfilme widmen sich Menschen, die drohen, zwischen verschiedenen Welten und Erwartungen zerrieben zu werden. Meist geht es dabei um die brüchige Identität von Deutschtürken.

Eine zentrale Stellung in Bademsoys Filmografie nimmt eine mittlerweile drei Jahrzehnte und vier Filme umfassende Langzeitbeobachtung über eine Kreuzberger Mädchenfußballmannschaft ein. Hier verschiebt sich mit der Zeit zwar die Perspektive, aber die Frage bleibt gleich: Wie kann man zwischen konservativer türkischer Tradition und einer deutschen Mehrheitsgesellschaft, die einen immer wieder zurückweist, frei und selbstbestimmt existieren? Vor allem für Gasterbeiterkinder der ersten Generation, für die es noch niemanden gab, der es ihnen vorgelebt hat.

Mit den Jahren erzählen die Filme dieser Reihe zunehmend davon, was aus den Träumen und Idealen von einst geworden ist – und Spielerinnen (2024) zeigt schließlich, was heute die mittlerweile erwachsenen Töchter der Mädchen von einst über ihre Identität denken. Hoffnungsvoll bleiben Bademsoys Filme nicht nur wegen ihrer beharrlichen Protagonistinnen, die ihre Kraft aus Stolz und Wut schöpfen, sondern auch weil – bei den Fußballerinnen ebenso wie bei Yusuf – deutlich wird, dass selbst mangelnde Zugehörigkeit verbinden kann.

Bademsoys Filme nähern sich ihrem Sujet immer wieder von neuen Blickwinkeln. Am Rand der Städte (2006) porträtiert etwa mehrere deutschtürkische Familien, die, nicht selten aus Enttäuschung über die Lebensbedingungen in Deutschland, zurück in die alte Heimat gegangen sind. Die frisch aus dem Boden gestampfte Hochhaussiedlung, in der sie nun leben, wirkt profillos und irreal – und verkörpert dadurch das ambivalente Heimatgefühl der Familien.

Wie verletzend und demütigend in Deutschland teilweise mit den ehemaligen Gastarbeitern umgegangen wurde, davon handelt Spuren (2019). Hier sind es die Hinterbliebenen der Opfer des rechtsextremen NSU, die zu Wort kommen. Die Regisseurin gibt dabei jenen Menschen, Erfahrungen und Gefühlen eine Bühne, die in der Medienberichterstattung konsequent zu kurz gekommen sind.

Von Freitag, den 25. Juli bis kommenden Mittwoch zeigt die Kinothek Asta Nielsen im Frankfurter Filmmuseum acht von Aysun Bademsoys Filmen. Am Wochenende wird die Regisseurin bei allen Vorführungen anwesend sein, sowie am Samstag auch der mittlerweile längst erwachsene Yusuf und sein Bruder.

Zum Programm der Reihe geht es hier

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