Bloody Buns: Ein Serienkiller im Remake-Fleischwolf
In Herman Yaus The Untold Story werden in quälend langen Szenen Körper zerlegt. Im Heimkino-Remake Bloody Buns geht die wahre Folter auf das Konto kalauernder Cops. Wann der Ultra-Low-Budget-Film genau erschien und wer Regie führte, ist nicht restlos geklärt.

Rund 15 Millionen Hongkong-Dollar spielte Herman Yaus The Untold Story 1993 ein, einen Preis für den besten Hauptdarsteller bei den Hong Kong Film Awards gab es obendrauf. Die Verfilmung eines wahren Verbrechens zählt damit zu den erfolgreichsten Exemplaren der sogenannten Category-III-Filme. Die höchste der 1988 in Hongkong eingeführten Altersbeschränkungen sperrte Zuschauer unter 18 Jahren aus dem Sälen. Im boomenden Kinomarkt der damaligen Kronkolonie entwickelte sich das CAT-III-Label daraufhin zum Ansporn für Exploitation-Regisseure. Erotik, Gewalt oder eine Mischung aus beidem füllten die Säle. Nicht alle Filme mit einem Category-3-Rating lassen sich in diesem Sinne als „CAT III-Filme“ bezeichnen. Wong Kar-wais schwule Liebesgeschichte Happy Together (1997) erhielt die Altersfreigabe offenkundig aus anderen Gründen. Doch Filmtitel wie Sex and Zen (1991), Naked Killer (1992), Raped by an Angel (1993) und A Chinese Torture Chamber Story (1994) sprachen für sich und ihre Schauwerte.

Ungefähr zehn Jahre nach The Untold Story – das genaue Jahr ist umstritten – erschien das Remake Bloody Buns (2002/03). In den Jahren nach dem Originalfilm war die Hongkonger Filmindustrie drastisch geschrumpft. 1993 kamen 242 Filme in die Kinos, 2005 waren es nur noch 55. Der Niedergang – bedingt unter anderem durch Hollywood-Konkurrenz, asiatische Finanzkrise und ausgedünnte Qualität – zwang viele Filmschaffende in den Berufswechsel. Oder den Direct-to-VCD-Markt.

Video Compact Discs, die günstigere Alternative zu DVDs, sind besonders in asiatischen Märkten vertreten; wegen ihrer schlechten Bild- und Tonqualität hängt ihnen dabei der Ruf als Wegwerf-Discs an. Filme, die Jahre zuvor mit einem etwas höheren Budget im Kino gelandet wären, wurden nun auf Sparflamme für den Direct-to-DVD-Markt gedreht. Bloody Buns gehörte dazu. So gelangte der Film auch ohne größere Kino-Auswertung in die Läden chinesischstämmiger Communitys in den USA, Kanada oder Australien.
Ein Film, ein Regisseur, zwei Namen

Auch die Identität des Regisseurs wirft Fragen auf. Zwei Namen werden hier widersprüchlichen Quellen zufolge mit Bloody Buns in Verbindung gebracht: Napoleon Pang und Tian Jun (i.e. Tin Chun). Der Vorspann führt Pang als Kameramann und Tian als Regisseur. Einschlägige chinesische Seiten über Tian Jun führen als eines seiner (vielen) Aliasse: Napoleon Pang. Dieser Tian Jun begann seine Karriere als Kameramann bei den Shaw Bros., ging über zur Regie in TV und Film und dreht mittlerweile pädagogisch wertvolle Kinderkomödien in der Volksrepublik China. Der Direct-to-VCD-Markt bot Filmemachern wie ihm für ein paar Jahre eine finanzielle Brücke zwischen der schrumpfenden Hongkonger Filmindustrie und dem wachsenden Markt im Norden. Günstig gedrehte Verschnitte der Young and Dangerous- und God of Gambler-Filme aus den glorreichen Zeiten des Hongkong-Kinos bevölkern seine Filmografie. Und die von Kameramann und Regisseur Napoleon Pang ebenso.

Entweder handelt es sich bei Pang und Tian um ein und dieselbe Person. Oder aber der eine baute sich in China ein neues Standbein auf, während der andere nach ein paar Jahren intensiver VCD-Produktion von der Bildfläche der Online-Filmdatenbanken verschwand. Beides sind stimmige Schicksale, wenn man die Entwicklung der Filmindustrie in der Sonderverwaltungszone betrachtet. Doch egal, wer nun Regie geführt hat: Bloody Buns entstammt dieser Brückenzeit, als sich Hongkong als eigenständige Filmindustrie betrachten ließ und mit Infernal Affairs (2002) ein Hoffnungsschimmer am einheimischen Box-Office-Horizont erschien.
Stählerner Spaß

Im chinesischen Titel kündigt Bloody Buns bereits die Verwandtschaft zu Herman Yaus CAT-III-Erfolg an. Kann man den Originaltitel von The Untold Story grob mit „Menschliche BBQ-Schweinebrötchen im Restaurant Pat Sin“ übersetzen, kommt der Nachfolger schneller auf den Punkt: „Neue menschliche BBQ-Schweinebrötchen“. Bloody Buns weist sich damit bereits als Remake aus und weniger als Neuverfilmung realer Ereignisse. Diese sorgten in Hongkong und Macau in den 1980er Jahren für Aufsehen.

Nachdem im August 1985 Körperteile an die Strände von Macau geschwemmt wurden, führten Untersuchungen die Polizei zum Hotel und Restaurant Pat Sin. Die Familie Zheng, die dieses Etablissement betrieben hatte, war von Verwandten vermisst gemeldet worden. Kurioserweise war das Restaurant trotzdem in Betrieb. Als der neue Eigentümer Huang Zhiheng im September die Grenze nach Festlandchina überschreiten wollte, nahm die Polizei ihn in Gewahrsam. Wenig später wurde er des Mordes an der zehnköpfigen Familie Zheng angeklagt. Im Gefängnis nahm sich Huang das Leben.

Die Geschichte, die Opfer seien zu pork buns verarbeitet worden, entstammt einer urbanen Legende. In The Untold Story und Bloody Buns gehört sie zum filmisch „wahren“ Verbrechen. Der Serienkiller verarbeitet seine Opfer zu Fleischbällchen und serviert sie danach den unwissenden Kunden. Daraus entwickelt The Untold Story einen inszenatorischen Dualismus: auf der einen Seite die düstere Erzählung des Killers Wong Chi-hang, auf der anderen die Polizei. Wong vergewaltigt und mordet sich durch seine Belegschaft. Mit dem Fleischermesser zerlegt er Menschenkörper, als handele es sich um einen weiteren Rohstoff, der auf Verarbeitung und Verkauf wartet. Morden und Schlachten werden in diesen Sequenzen gleichermaßen Platz eingeräumt, wobei der von Anthony Wong gespielte Killer jeden zugänglichen Körper in seiner Umgebung auf Basis von dessen Nutzwert zu betrachten scheint. Der Unterton einer Rache an allen, die ihn benachteiligt oder respektlos behandelt haben, hallt bei jedem Hieb des Fleischermessers nach. Es gibt in Wong Chi-hangs Geschichte Körper und noch mehr Körper, und irgendwann gehört sein eigener dazu

Währenddessen gehen die Polizisten ihren Ermittlungen im Gewand einer stählernen Slapstick-Komödie nach. Derart unbeirrt gestaltet sich der Humor, dass infrage steht, was brutaler ist: die Morde oder die Witzeleien. Als diese beiden filmischen Kräfte aufeinandertreffen, wird Wong Chi-hang in langen Sequenzen von Erniedrigung und Folter durch Mitgefangene und Polizisten gewissermaßen zerrieben. Erst im erzwungenen Geständnis setzt er sich wieder zusammen, gewinnt die Oberhand. Im Flashback schildert er die Ermordung der Eheleute und ihrer fünf Kinder. Auch dieser Killer nimmt sich das Leben, bevor eine Texttafel den von der urbanen Legende gefütterten Film an den wahren Kern der Erzählung anknüpft.
True Crime auf Sparflamme

Bloody Buns beginnt mit solch einer Texttafel, die das berühmte wahre Verbrechen einer Neubetrachtung zu unterziehen gedenkt – ein Wiederaufnahmeverfahren in filmischer Form. Die Ruinen der Pauluskirche situieren den Film zusätzlich in Macau, doch wie beim Original spielt sich diese Geschichte überwiegend in kalten, tristen Innenräumen ab, die in verschiedenen Metropolen (oder Filmstudios) des Perlflussdeltas zu finden sein könnten. Auch hier werden Leichenteile angeschwemmt, auch hier kommt die Polizei auf Wongs Spur, nimmt ihn fest und foltert ihn schließlich bis zum großen Flashback. Und auch hier gehen Serienkillerfilm und Keystone-Cops-Klamauk ineinander über. Die Blaupause von Bloody Buns ist klar erkennbar.

Durch das reduzierte Budget des Direct-to-VCD-Modells ergeben sich dennoch gravierende Unterschiede in der ästhetischen Beschaffenheit. Die kahle Umgebung vermittelt den Eindruck, der gesamte Film wurde in ein und demselben frisch geputzten Raum gedreht. Das Schauspiel scheint auf seine groben Bestandteile heruntergebrochen: cartooneske Gesten, eindeutige Blicke, kurz angebundene Sätze. Ganze Minuten ziehen vorbei, in denen sich die Cops wegen Leichenteilen angewidert die Nase zukneifen. Der plättende Klamauk der Vorlage wird als Folge des gesunkenen Budgets multipliziert. Szenen der stänkernden Cops ziehen sich in die Länge, die Stänkereien dünnen aus. Füllzeit bleibt. Nötige Füllzeit, weil die Macher auf die blutigen Schauwerte der Vorlage weitgehend verzichten.

Bloody Buns entwickelt weit weniger Reibung aus den widerstreitenden Kräften von todernstem Gore und Slapstick. Die Komödie hat von vornherein die Oberhand. Hackt der diesmal von Hugo Ng gespielte Wong Chi-hang desinteressiert auf einem Schweineschädel ein, wird das zwar ebenso gedehnt wie der Polizisten-Spaß. Die eigentlichen Morde wirken indes zusammengestutzt. Wo die Menschenkörper im Original in quälend langen Szenen in ihre Einzelteile zerlegt wurden, erscheint nun die knappe Schilderung der Tötung, bevor die wahre Marter durch die Comedy-Cops von vorn beginnt. Manche Szenen rund um den Killer ließen sich dank Ausleuchtung, Kulissen und Spiel ohne größere visuelle Irritationen in ein nachmittägliches TV-Dokudrama aus den frühen 2000er Jahren schneiden.

Diese True-Crime-Nachstellung bettet sich mangels Brutalität leichter in den komödiantischen Rahmen ein, als es bei The Untold Story der Fall ist. Was dem Remake trotz gleichen Ausgangs eine andere Note verleiht. In The Untold Story ist der Killer lange Zeit gleichauf mit den Ermittlern. Den komödiantischen Eskapaden der Polizei setzt er im filmischen Kräftegleichgewicht die Gräueltaten entgegen. Jede Tat unterstreicht die Unfähigkeit der Gesetzeshüter, stellt sie bloß, bis der Mörder selbst als Opfer der polizeilichen Folter den Beweis dafür vorlegt.
Im Remake mordet Wong Chi-gang von vornherein aus der filmisch unterlegenen Position heraus. Die kalauernden Polypen walzen ihn ohne Gegenwehr nieder. Eine Texttafel erklärt das Wiederaufnahmeverfahren für beendet. Gleiches Ergebnis, ganz anderer Film.
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