Als Superman undenkbar: Kevin Costner zum 70.
Niemals ein Revolutionär, doch stets ein Korrektiv der Allmächtigen. Kevin Costner verkörpert den Typus des ruhig entschlossenen Helden – und war doch immer bereit, den dadurch erworbenen Ruhm für seine Herzensprojekte aufs Spiel zu setzen. Eine Würdigung.

Zu Beginn von The Highwaymen (2019) wird eine Legende aus dem Ruhestand zurückgeholt. Der ehemalige Texas Ranger Frank Hamer soll Jagd auf Bonnie und Clyde machen. Wohin ihn seine Jagd dabei auch immer bringt, wo auch immer sein Name genannt wird: man kennt ihn. Nur fallen die Meinungen zu seiner Rückkehr höchst unterschiedlich aus und vor allem sind die Leute – und nicht zuletzt er selbst – überrascht, wie alt er inzwischen geworden ist. Gespielt wird Hamer von Kevin Costner, von einer Legende, die sich zwar nie zur Ruhe gesetzt hat, deren Karriere im letzten Vierteljahrhundert aber doch fernab jener Relevanz ablief, die sie einmal hatte. Wenn Costner im Film zum ersten Mal zu sehen ist, werden nicht wenige Zuschauer erstaunt sein, wie alt er inzwischen geworden ist. In diesem Aspekt überschneidet sich die Geschichte des Films mit jener seines Hauptdarstellers: einem Mann (Hamer/Costner) wird im Alter nochmal eine Chance gegeben, das zu machen, wozu er geboren scheint.
Der Weg zum Helden der frühen 90er

Ende der 1980er Jahre war Costner mit vier aufeinander folgenden Filmen in drei Jahren zum Star aufgestiegen. Diese vier Filme – The Untouchables: Die Unbestechlichen (1987), No Way Out - Es gibt kein Zurück (1987), Annies Männer (Bull Durham, 1988) und Feld der Träume (Field of Dreams, 1989) – stehen am Ende eines Weges, in dem er zunehmend ins Zentrum seiner Filme gerückt war. In den vorhergehenden Filmen war Costner immer Teil eines Ensembles gewesen, doch dieses Ensemble um ihn war beständig geschmolzen. So war er in Der große Frust (The Big Chill, 1984) noch eine kleine Nummer unter vielen, in Silverado (1985) dann der Junge, Wilde von vier glorreichen Westernhelden und danach im (sensationellen) Die Sieger (American Flyers, 1985) schon nur mehr einer von zwei Rennrad-fahrenden Brüdern. Nach dem Erfolg – an der Kinokasse und bei den Kritikern – der oben genannten vier Filme waren Costners Filme nunmehr nur auf ihn zugeschnitten.

Es folgte mit Revenge – Eine gefährliche Affäre (1990) ein Film der leider etwas verschüttgehen sollte. Denn die kommenden vier Filme (wieder innerhalb von drei Jahren veröffentlicht), sollten zu den erfolgreichsten, meistdiskutierten und -referenzierten Filmen ihrer Zeit gehören. Sein Regiedebüt und der erste Film seiner eigenen Produktionsfirma, Der mit dem Wolf tanzt (Dances with Wolves, 1990), war für zwölf Oscars nominiert und gewann sieben – unter anderem jenen für den besten Film des Jahres. Die folgenden Filme Robin Hood - König der Diebe, (Robin Hood: Prince of Thieves, 1991), JFK: Tatort Dallas (1991) und Bodyguard (The Bodyguard, 1992) verfestigten Costners Status als einer der größten Hollywoodstars seiner Zeit – wenn nicht sogar der größte.
Das erotische Ideal einer anderen Zeit

Rückblickend ist überraschend, wie schnell und wie absolut dieser Aufstieg war. Damals, als er sich vollzog, erschien er aber wie eine organische Entwicklung, eine natürliche Folge aus Costners unwiderstehlicher Persona. Wiederholt kommt es in den Filmen dazu, dass er Frauen in charmanten Spielchen nicht abkauft, dass sie nicht von ihm angezogen sind. Woraufhin er ihnen ihren Platz lässt, bis sie es nicht mehr abstreiten können. Am deutlichsten ist diese unüberwindliche Attraktivität in Bodyguard. Sobald der von Costner gespielte Frank Farmer hier die Villa von Popstar Rachel Marron (Whitney Houston) betritt, sind sie und ihre Schwester Costner sofort erlegen. Sie können kaum ihre Blicke von ihm lösen, und Costner gleicht im Grunde dem Katana, das er Rachel in einer überaus sinnlichen Szene vorführt. Die Klinge des japanischen Schwertes ist im Film so scharf, dass sie ein dünnes, seidenes Tuch zerschneidet, das darauf niederschwebt: sanft und unaufhaltsam dringt er zu uns vor.

Costners Reiz lag (und liegt) dabei in seiner Mischung aus Jugend und Alter, aus selbstbewusster, energischer Einfachheit und zweifelnder Komplexität, aus Härte und Weiche. Sein Körper nimmt den Raum, in dem er sich bewegt, stets sicher ein, lässt seinen Mitmenschen aber wie selbstverständlich ihren Platz. Ob er zum Beispiel in No Way Out nun mit Sonnenbrille und Hawaiihemd innerhalb einer grölenden Party telefoniert, im Rückraum einer Limousine erotische Abenteuer erlebt oder in Uniform völlig fokussiert durchs Pentagon schnellt, immer scheint er richtig am Platz zu sein. Sein Blick schwankt zwischen gedankenverlorener Empfindsamkeit und unerschütterlicher Zielgerichtetheit. Sein Lächeln, mit dessen Anzeichen von Schüchternheit, ist ungemein warm, gewinnend, einladend. Seine Rollen waren stets cocky Draufgänger, die aber bis ins Mark Naivlinge blieben. Idealisten und Einzelgänger, die an die Liebe und ihre Träume glaubten, auch wenn sie an dem Kreuz ihrer selbstgesuchten Verantwortung schwer zu tragen hatten.
Ein Mann von dieser Welt

Wer einen kompakten Eindruck der eigentümlichen Faszination dieser Persönlichkeit gewinnen möchte, schaue Field of Dreams. Dort spielt Costner einen Mann, der ein Baseballfeld auf seinem Maisfeld baut, obwohl er damit seine Farm und seine Familie an den Rand des Ruins bringt. Einfach, weil er einem Traum und dem Hinweis geheimnisvoller Stimmen folgt. Niemand kann ihn aufhalten, nicht mal seine Zweifel. Und am Ende steht kaum überraschend sein Triumph über die Welt und die Realität.

Für die Dekonstruktion und kritische Aufschlüsselung dieser Persönlichkeit gibt es das Roadmovie Perfect World (1993). In diesem entführt Costner, der oft als großer Bruder und (Ersatz-)Vater besetzt wird, einen Jungen und fährt mit ihm durchs Land, die Polizei im Schlepptau. Für dieses Kind wird er zur nie erwachsen gewordenen Vaterfigur, die sprunghaft zwischen stützendem Vorbild und Spielkamerad wechselt, die aber auch zum Psychopathen werden kann, wenn sich die innere Kindlichkeit und die entschiedene Durchsetzungskraft uneingeschränkt verbinden.

Gerade dieses Element, eine stets durchschimmernde Fehlbarkeit, war die Krux von Costners Karriere. Er war nicht perfekt und schon gar nicht taugte er zum Übermenschen. Kevin Costner war stets jemand von dieser Welt. Als Superman ist er undenkbar, als sein weltlicher Vater aber die Idealbesetzung. In Man of Steel (2013) und Batman v Superman: Dawn of Justice (2016), in diesen von den Daddy-Issues ihrer Figuren angetrieben Filmen, brillierte Costner als moralisches, geerdetes Korrektiv für die Allmacht seines Ziehsohns.
Der Spießer mit Vokuhila

Im Jahr 1995 beginnt die scheinbar unaufhaltsame Dynamik dieser Karriere ins Stocken zu geraten. Schon lange vor dem Kinostart von Waterworld gehen Geschichten über das überzogene Budget um. Der seinerzeit teuerste Film aller Zeiten mit seinen chaotischen Produktionsbedingungen hat schnell den Ruf eines Debakels, an dem auch sein relativer Erfolg an den Kinokassen nichts ändern kann. Das Problem lag tiefer: Costner schien als postapokalyptischer Held die irdischen Sphären zu verlassen – und sah damit plötzlich nicht mehr so unwiderstehlich aus. Sein Erfolg kippte. Hohn und Spott setzten ein.

Oder anders: Eine Wahrheit seiner Persönlichkeit war durchgehend eine latente Neigung zum Konservativen, zum Spießertum. Klassisch US-amerikanisch spielte er immer wieder in Western mit und wurde spät in seiner Karriere zum Countrysänger. Auch in seinen Rollen als Einzelkämpfer, wie etwa in Robin Hood, war Costner höchstens ein Mann der geordneten Rebellion, aber keinesfalls der Revolution. Wie wenig er der Rockstar war, den eine chaotische Produktionsgeschichte wie die Waterworlds nahelegte, ist in einem sprechenden Moment auf Film gebannt: In der Madonna-Dokumentation Truth or Dare (1991) reden die beiden backstage miteinander. Costner, Vokuhila tragend, sagt, dass er ihre Show ordentlich fand. Sie verabschieden sich, drehen sich voneinander weg und Madonna steckt demonstrativ den Finger in den Rachen, um anzuzeigen, wie sehr sie Costner zum Kotzen findet. Gerüchteweise kostete diese Geste Madonna die Rolle in Bodyguard. Die Episode zeigt aber auch, dass Costner vielleicht glaubhaft den Beschützer eines Popstars spielen kann, dass Glamour ihn aber tatsächlich abzustoßen scheint.
Es sind die Filme, die klein geworden sind

Zwei Jahre nach Waterworld war mit seiner zweiten Regiearbeit Postman im Grunde schon alles erledigt. Der Film wurde verrissen und sein Macher zu einem sich selbstüberschätzenden Egomanen erklärt – Einschätzungen, die ein heutiger Blick auf den diesen ziemlich schönen Film nicht zwangsläufig stützt. Doch mit diesem Debakel war Kevin Costner zur Witzfigur geworden, und als er etwas mehr als ein Jahr später mit Message in a Bottle - Der Beginn einer großen Liebe wieder in den Kinos auftauchte, wirkte es wie eine reumütige Rückkehr zu seinen Wurzeln und zu kleinen Filmen.

Er drehte weiter Filme, auch als leading man. In den größeren Produktionen war er aber nun wieder nur mehr Teil eines Ensembles – oder tauchte überhaupt nur in Nebenrollen auf. Die Dinge schienen ihren unausweichlichen Gang zu nehmen und schneller als er aufgestiegen war, wurde Costner zu einem lediglich ehemals Bedeutenden. Seine Karriere folgte im Grunde dem Muster eines Börsencrashs oder der historischen Tulpenmanie. In kürzester Zeit fiel diesem Goldkind alles in den Schoß, aber irgendwann platzte die Blase und zurück blieb nur der Schatten des einstigen Phänomens. Und wir mussten uns im anbrechenden neuen Jahrhundert mit Filmen zufriedengeben, in denen Kevin Costner zwar auftauchte, die für einen wie ihn jedoch zu klein wirkten.
Alt und kein bisschen weise

Das Schönste an dieser faszinierenden Karriere ist aber, dass Costner im Lauf des vergangenen Jahrzehnts mit der Serie Yellowstone oder eben einem Film wie The Highwaymen doch wieder an Relevanz gewinnen konnte. Dass der Ruf der Witzfigur langsam verblasste und dass die Grandeur dieses Schauspielers wieder nachdrücklich spürbar wurde. Umgehend nutzte Costner sein wiedergewonnenes Renommee, um einen ausladenden vierteiligen Westernepos zu realisieren – mit sich in der Hauptrolle. Und genauso umgehend scheint er schon mit dem ersten Kapitel von Horizon (2024) wieder baden gegangen zu sein. Kritik und Publikum reagierten mit, im besten Fall, wohlwollender Indifferenz und ob nach dem mittlerweile erschienenen zweiten Teil auch die geplanten weiteren Teile finanziert werden können, ist mehr als ungewiss. Dieser große, gravitätische Mann scheint einfach nicht ganz erwachsen und vernünftig werden zu wollen. Kevin Costner greift weiter nach den Sternen – so er denn gelassen wird.
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