Abfallprodukte der Liebe – Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter
Eine Ausstellung in der Akademie der Künste zeigt die lebenslange Freundschaft dreier Filmschaffender als ein gemeinsames Königreich der Sehnsucht, das zwischen der Schönheit und dem Wissen um den Tod als einziger Gewissheit oszilliert.

Die Ausstellung Abfallprodukte der Liebe in der Akademie der Künste beginnt mit einem perfekten Vanitas-Symbol – als Erstes sieht man einen großen schwarzen Kasten voller Rosenblätter. An der Tafel links daneben stehen Informationen zum Leben und Schaffen von Werner Schroeter, Elfi Mikesch und Rosa von Praunheim. Wer mit ihren Arbeiten bisher nur flüchtig vertraut ist, erfährt hier, dass die drei Filmschaffenden eine seit den 1960er Jahren bestehende Freundschaft verbindet. Der 2010 verstorbene Schroeter und von Praunheim hatten eine kurze amouröse Beziehung, inspirierten und unterstützen einander dann bei ihren Filmen. Die in Österreich geborene Fotografin, Kamerafrau und Regisseurin Elfi Mikesch war mehrfach für die Bildgestaltung zuständig.
Der rote Faden wird nach und nach greifbar

Die Ausstellung macht also die Freundschaft der drei Künstler zu ihrem manifesten Gegenstand, findet aber auch Gefallen daran, die ästhetischen Unterschiede und Brüche offenzulegen. Die lassen sich vor allem, gibt Rosa von Praunheim selbst zu Protokoll, am ungleichen Favorisieren von Inhalt und Form festmachen. In den direkt unter der Infotafel platzierten Glasvitrinen finden sich Filmskizzen Werner Schroeters, seine schlichten Devotionalien wie ein Album mit Zeitungsausschnitten über die von ihm verehrte Callas und die Traueranzeige zum Tod eines Geliebten. Kontrapunktisch dazu wirkt die egomanisch sortierte Auswahl von Praunheims: das Bundesverdienstkreuz, auf einer Unterhose ausgebreitet; eine Zahnbürste; Medikamente gegen Prostatabeschwerden; eigene Bücher und DVDs, nagelneu in Plastikfolie verpackt. Man begeht die weiteren Räume, die jedem der drei Künstler individuell gewidmet sind, trifft auf weitere Bezüge und Querverweise und fühlt sich zugleich in jeweils ganz verschiedenen Wirklichkeiten angekommen, mitunter sogar in verschiedenen Koordinatensystemen. Die Darstellungslogik – so lässt sich vermuten – sieht es vor, dass der rote Faden erst nach und nach greifbar wird.
Die Schau in der Akademie der Künste kündigt eine „Verdichtung künstlerischer Freundschaft zum biografischen Motiv“ an, was bemerkenswert ist, denn wohl jede andere Ausstellung hätte den Bogen in die Gegenrichtung geschlagen. Die Freundschaft ist kein Mythos, um die höllische Ironie Lautréamonts zu paraphrasieren, dessen Werk Schroeter sehr bewunderte. Man sagt auch, dass die Freundschaft bestehen bleibt, während die Liebe verblüht. Das gemeinsame biografische Motiv hat hier mit dem Wagnis zu tun, das die Selbstbestimmung in der Kunst und der Sexualität vom Selbst abverlangt. Abfallprodukte der Liebe, kuratiert von Mikesch, von Praunheim sowie Schroeters Biografin Claudia Lenssen, versammelt nun das, was davon übrig bleibt – Film- und Interviewausschnitte, Fotografien und Filmstills, Klanginstallationen, Briefe und Zitate. Das Ergebnis ist ein gemeinsames Königreich der Sehnsucht, eine intensive, schreiende und sehr tragische Welt, die zwischen der Schönheit und dem Wissen um den Tod als der einzigen Gewissheit oszilliert.
Wunderschön und hässlich zugleich

Der erste schwarz und etwas düster gehaltene Raum steht ganz im Zeichnen der großartigen Magdalena Montezuma, deren monumentales, mythisches Gesicht für Werner Schroeters psychologiefreies Kino des großen Ausdrucks stand. Man liest nach, sie habe ihr Gesicht nie leiden können, schminkte sich jedoch sehr gerne und betrachtete das verwandelte Selbst im Spiegel wie eine Fremde. Im weiteren Schroeter-Raum verschiebt sich der Fokus von der „Eitelkeit des Films“ auf Fotografie und Theater, die, so erfährt man hier, dem Leben viel näher seien. Die Kuratierenden wagen unerwartet klägliche Arrangements aus Notenpulten. Auf dem Boden liegt ein mit Bildschirm versehenes Modell einer Theaterbühne: Die Zitate des Regisseurs werden darauf in einem leicht trashigen Effekt Buchstabe für Buchstabe eingeblendet. Die sehr primitivistisch gezeichneten Kostüm- und Bühnenbildskizzen von Alberte Barsacq stiften Verwirrung. Alles zusammen wirkt es jedoch großartig, hässlich und wunderschön zugleich.
Durch Gitterstäbe (Rosa von Praunheim wurde in einem Gefängnis im lettischen Riga geboren) wechselt man anschließend in so etwas wie einen Nachbau eines Wohnzimmers, eine quietschbunte Welt aus Plüsch- und Plastiktieren, aus dahingeklatschten Bildern und Kollagen, Filmplakaten und Kampfparolen: Raus aus den Toiletten, rein in die Straßen! Rosas Superstar Lotti Huber – ein wunderbar vulgäres Gegenstück zu Schroeters Montezuma – zieht an den Wänden ihre Grimassen. In einer der gemütlichen Seitenkammern kann man sich aufs Bett legen, die penisförmigen Schafe zählen und sich Rosas automatisches Schreiben anhören wie eine süße Gute-Nacht-Geschichte. Seine schrillen aktivistischen Filme hatten immer eine sanfte Seite. Sterne und Schwänze überall – die totale Sexualität von Praunheims ist auch intensiv gelebter Liebeswahn, ein Schrei, eine Utopie.
Rückschöpfung hin zu Brüchen und Unvollkommenheiten

Der Raum von Elfi Mikesch befindet sich genau in der Mitte. Dieser Teil der Schau trifft einen am tiefsten und entzieht sich, da kaum durch Text vermittelt, einer klaren Einordnung. Ihre Filme und Videoinstallationen, die in zwei Blackboxes laufen, Fotografien, klein- und großformatige Bildnegative präsentieren eine vielseitige Künstlerin, die es verstand, einiges im Laufe der Zeit hinter sich zu lassen. „Rückschöpfung“, eine Wortkreation Simone Weils, beschreibt sehr gut ihren künstlerischen Wandel weg von der kunstvollen Dramatik und der „optimalen Einstellung“, die Werner Schroeter etwa in seinem Opernfilm Abfallprodukte der Liebe (1996) – von ihm leiht die Ausstellung den schönen Titel – ausdrücklich von ihr wünschte, hin zu Brüchen und Unvollkommenheiten, zu Fleisch und Knochen ihrer Stücke-Installation, hin zum blanken Affekt der griechischen Statuenköpfen. Viele der ausgestellten Bilder stammen aus Mikeschs 2014 entstandenen Film Fieber, einer autobiografisch inspirierten Geschichte über Wirkung und Macht der Bilder. Ein junges Mädchen wird von den Kriegsfotografien ihres Vaters umgetrieben, die er als Fremdenlegionär in Nordafrika und Syrien selbst aufgenommen hat. Das Kind kann sich diese Bilder, ob sie nun rabiat oder nur alltägliche Schnappschüsse sind, nicht erklären; sie deckt sich damit zu und bildet sich ein, keine würde sie sehen und sie dafür die Welt. Als erwachsene Frau sucht sie weiter nach dem Ursprung dieser Bilder und den Geschichten, die ihr nicht gehören. Fotografie – ein Abfallprodukt der Liebe, sie hält im Jetzt fest, was bereits der Vergangenheit angehört.
Die Ausstellung ist noch bis zum 12.8. in der Akademie der Künste am Pariser Platz zu sehen. Das Programm wird ergänzt durch Filmvorführungen, Talks und Konzerte: https://www.adk.de/de/programm/index.htm?we_objectID=58391
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