„Ich will nicht so tun, als wäre ich Robert Altman“ – Interview mit Andrew Bujalski

Der Mumblecore-Pionier Andrew Bujalski sprach mit critic.de über das Scheitern in Arbeitskontexten, den Reiz unverbesserlicher Optimisten und wie sein gerade auf DVD erschienener neuer Film Support the Girls unversehens ein Ensemblestück wurde.


Karsten Munt: Auf eine strikte Dramaturgie und klare Aussagen scheinen deine Filme nicht hinzuwirken. Vielmehr suchen sie immer nach den Nuancen menschlichen Verhaltens in einem jeweils sehr spezifischen Umfeld.

Andrew Bujalski: Statements interessieren mich nicht sonderlich. Wenn ich einen Film zu einer These zusammenfassen kann, die auf einen Aufkleber passt, könnte ich mir die Zeit sparen und Aufkleber drucken lassen. Ich möchte nur dann einen Film machen, wenn es keine andere Ausdrucksform gibt. Alles muss so gestaltet sein, dass es nur dann ein Bild ergibt, wenn alle Elemente des Films ineinandergreifen. Das geht nicht ohne Nuancen.

KM: Das beschreibt in meinen Augen auch den Humor deiner Filme, der mehr aus der Interaktion der Figuren zu erwachsen scheint, als ständig Witze oder Punchlines zu produzieren.

AB: Das hoffe ich. Für mich ist jeder meiner Filme eine Komödie, auch wenn einige einen offensichtlicheren Humor haben als andere. Ich glaube, das hängt völlig mit der jeweiligen Perspektive und meinem eigenen Sinn für Humor zusammen. Dazu habe ich eine sehr ausschweifende Fantasie. Das Ergebnis ist dann wohl oder übel die Art von Geschichte, die mich persönlich amüsiert, und die Form von Kino, die mich persönlich interessiert. Ich schaue lieber Filme, von denen ich nicht weiß, wo sie mich hinführen, und die mich nicht wie eine dramaturgisch rigoros getaktete und perfekt designte Maschine leiten. Das bereitet mir kein Vergnügen und entspricht nicht meiner Vorstellung von Kino.

KM: Eine Vorstellung, die du mit Kameramann Matthias Grunsky teilst …

AB: Es scheint mir mittlerweile fast unmöglich, einen Film ohne ihn zu drehen. Wir haben uns in jungen Jahren kennengelernt, als ich auf der Suche nach einem Kameramann war. Wir hatten eine Art Blind Date in einem Café. Matthias, der als Österreicher ein echter Schokoladenliebhaber ist, hat dort ein gigantisches Stück Schokoladenkuchen verschlungen und war mir sofort sehr sympathisch. Entsprechend haben wir schnell eine gemeinsame Sprache gefunden. Er ist einfach ein wunderbarer und lustiger Mensch und darüber hinaus natürlich ein fantastischer Kameramann, der über ein erstaunliches Wissen über Bildsprache und Formate verfügt, sei es analog oder digital – etwas, was mir absolut abgeht.

KM: Deine letzten beiden Filmen scheinen sich um Alltagskämpfe innerhalb der Strukturen neuer Arbeitswelten zu drehen. Die Fitness-Trainer in Results scheitern an ihren eigenen Idealen der Selbstoptimierung, während Tina es in Support The Girls nicht gelingt, ihre Mädels gegen das Umfeld einer sexistischen Franchise-Bar zu verteidigen. Sind das bewusste Reflexionen neoliberaler Arbeitswelten?

AB: Das ist primär ein Ausdruck meiner eigenen Lebensrealität. Ich weiß nicht, wie es für andere Menschen funktioniert, aber auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft gibt es sicherlich Arbeitsverhältnisse, die die eigene Lebensweise dominieren. Für mich persönlich ist das einfach eine Realität des Älterwerdens, die mir sehr gewöhnlich erscheint. Ich habe ein Kind und ein Haus, das ich abbezahlen muss. Trotzdem frage ich mich natürlich, ob ich wieder etwas schreiben könnte, was sich gänzlich auf zwischenmenschliche Beziehungen konzentriert, außerhalb eines Arbeitskontextes. Das ist für mich noch immer eine sehr reizvolle Idee, auch wenn ich nicht wüsste, wie das jetzt aussehen würde – mein Leben ist heute einfach ein anderes.

KM: Das Scheitern in diesen Arbeitskontexten scheint dir auch wichtig zu sein ...

AB: Als Mann über vierzig habe ich natürlich eine ganze Menge von Versagen gesehen und erlebt. Es hat sich sozusagen in die Struktur meines Lebens gewoben. Auch wenn es sicherlich ein Gemeinplatz des klassischen Dramas ist, glaube ich sehr an den noblen Versuch, sich nach dem eigenen Versagen wieder und wieder aufzurichten. In Results und Support the Girls gibt es, obwohl es zwei tonal sehr unterschiedliche Filme sind, eine Verbindung zwischen den Figuren von Guy Pierce und Regina Hall. Beide sind im Grunde unverbesserliche Optimisten, die darauf bestehen, das Beste in allem und jedem zu sehen, auch wenn es sie wieder und wieder in Schwierigkeiten bringt. Solche Figuren haben mich erzählerisch wie auch im wirklichen Leben immer fasziniert. Menschen, die auch dann auf ihrem Optimismus beharren, wenn alle äußeren Umstände das Gegenteil nahelegen. Vielleicht ist das auch der Ausdruck eines Überlebensmechanismus, in dem viel von meiner Persönlichkeit steckt.

KM: Würdest du sagen, dass deine Filme eher vom Kollektiv als vom Individuum her gedacht sind?

AB: Support the Girls ist dafür eine Art Experiment. In meinem ersten Film Funny Haha gab es eine Figur, die in jeder Szene auftrat. Ich mag diese Erzählstruktur sehr, auch wenn ich sie seitdem nicht mehr angewandt habe. Als ich dann Support the Girls geschrieben habe, hatte ich sie wieder im Kopf und dachte, es sei einfacher, mich auf eine Figur zu fokussieren, anstatt so zu tun, als wäre ich Robert Altman und könnte zwanzig Figuren erzählerisch zusammenzustricken. Ironischer- und paradoxerweise ist es dann doch so gekommen, obwohl der Film sich sehr auf Lisa konzentriert. Denn natürlich gibt es so viele Figuren in ihrem Umfeld, dass Support the Girls ein Ensemblestück geworden ist, mit vielen unterschiedlichen Stimmen und Facetten. Ich konnte dem nicht widerstehen, weil ich die Nebenfiguren nicht zu Ornamenten für die Protagonisten machen will. Ich wollte, dass all diese Menschen eine wirklich eigene Stimme bekommen.

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