„Ich komme nur nicht hinterher mit dem Schreiben.“

Interview mit Sandra Nettelbeck zu Sergeant Pepper

Vor drei Jahren hat Sandra Nettelbeck mit ihrem ersten Kinofilm Bella Martha einen beachtlichen Überraschungserfolg erzielt - nicht nur in Deutschland. Nun kommt mit Sergeant Pepper der Nachfolger in die Kinos, ein beschwingter Kinderfilm über eine Freundschaft zwischen einem Hund namens Sergeant Pepper und einem kleinen Jungen namens Felix. critic.de traf Sandra Nettelbeck in Berlin zum Interview.

critic.de: Warum haben Sie sich nach Bella Martha einen Kinderfilm ausgesucht?
Sandra Nettelbeck: Die Geschichte gab es schon vor Martha. Ich habe das Drehbuch während der Post-Produktion zu Martha geschrieben, brauchte dringend ein bisschen comic relief. Es hat mir großen Spaß gemacht, es zu schreiben. Aber mit zweiten Filmen ist das ja immer so eine Sache.

Bella Martha war ein großer Erfolg, auch im Ausland. Hat man Sie da unter Druck gesetzt?
Unter Druck gesetzt eigentlich nicht. Es ermöglicht einem auch viel, zum Beispiel dass man einen Film so kurzfristig finanziert. Man setzt sich natürlich selber unter Druck.

Wie kamen Sie auf den Titel des Films?
Eigentlich sollte Pepper, der Hund, am Ende ein Beatles-Lied singen. Aber das ließ sich finanziell nicht machen. Ursprünglich hat der Name aber nichts mit den Beatles zu tun. Ich saß zu Hause und habe mir Titel überlegt und dann kam plötzlich Sergeant Pepper. Ich dachte: Das ist ein klasse Name für einen Hund. Er hat gleichzeitig etwas Ernstes und Förmliches und Pepper klingt ja ganz liebevoll. Und es ist ein Titel, der in jeder Sprache funktioniert.

Momentan läuft noch ein anderer deutscher Kinderfilm mit Hund im Kino, Mein Bruder ist ein Hund (Regie: Peter Timm). Sehen Sie sich dazu in Konkurrenz?
Vor Martha kam Big Night [USA 1996, Regie: Campbell Scott und Stanley Tucci, Anm. d. Red.] ins Kino. Ich fand den so klasse, das hat mich total ins Schleudern gebracht. Ich habe dann beschlossen: Jetzt gucke ich überhaupt keine Kochfilme mehr an. Deswegen habe ich mir vor Sergeant Pepper gesagt: Ich schaue mir nichts an. So macht man einfach seinen Film und ob daraus eine Konkurrenz entsteht ist das Problem anderer Leute.

Ihre bisherigen Filme haben sich immer um Frauen gedreht, nun sind die Protagonisten ein kleiner Hund und ein Junge. Hat es sie gereizt, einen Film aus einer ganz anderen Perspektive zu drehen?
Kinder faszinieren mich sowieso. Marthas Nichte Lina [gespielt von Maxime Foerste, Anm. d. Red.] spielt auch eine ganz große Rolle in Martha: Ihr Blick auf die Welt und wie sie Martha verändert. Einerseits ist es schwierig mit Kindern zu drehen, weil man ja immer unter Zeitdruck steht und den ganzen Stress woanders lassen muss. Den Kindern soll es Spaß machen, sie dürfen nicht mitbekommen, dass die Arbeit anstrengend ist. Das ist manchmal nicht so einfach. Trotzdem finde ich Kinderfiguren toll. Felix ist ja ein sehr merkwürdiger Junge. Er hat viel mit Martha gemeinsam. Beide sind einsiedlerische Charaktere, die nichts wissen wollen von der Welt. Sie haben sich alles so eingerichtet, wie sie es gut finden. Und dann begegnen sie jemandem, der erst mal alles umkrempelt und sie sehr verändert. Sie sind ja auch nicht zufällig beim selben Therapeuten.

Sowohl Bella Martha als auch Sergeant Pepper haben Sie in Hamburg gedreht. Wie wichtig ist es für Sie in Ihrer Heimatstadt zu arbeiten?
Die Hamburger Filmförderung war die erste, die uns für Martha Geld gegeben haben. Das vergesse ich dann auch nicht, denn ich wollte Martha unbedingt in Hamburg drehen. Sie hat für mich ganz viel mit Hamburg zu tun. Die Rückkehr nach Hamburg mit Sergeant Pepper hat insofern etwas mit meinem Verhältnis zur Hamburger Filmförderung zu tun, weil sie trotz aller Widerstände Martha so mochten und betreut haben. Da komme ich eben gerne zurück. In Sergeant Pepper kommt Hamburg nun nicht wirklich vor, es könnte überall spielen. Aber ich finde es gut, wenn man sich am Drehort auskennt.

Wie wichtig ist Ihr Kameramann, Michael Bertl, der jetzt schon das vierte Mal mit Ihnen arbeitete, für das Visuelle?
Sehr wichtig. Bei Martha war ganz klar welche Farben wir haben wollten. Diese ganzen warmen Erdtöne, bloß kein blau und grün. Wir haben immer alles, was nicht ins Konzept passte, aus dem Bild geschoben. Bei Pepper haben wir uns zusammengesetzt und gesagt: Wir wollen mit bunten Farben arbeiten, was eigentlich nicht so unser Ding ist.

Oft arbeiten sie mit Menschen zusammen, die Sie bereits kennen und mit denen Sie bereits gearbeitet haben. Wie wichtig ist Ihnen das?
Ich würde das gerne noch viel mehr tun, mein harter Kern ist ja noch relativ klein. Seit Sergeant Pepper gibt es ein neues Familienmitglied, Guy Fletcher, der für die Musik verantwortlich ist. Ich bin total begeistert von dem Score, den er gemacht hat. Es war meine erste ganz intensive Zusammenarbeit mit einem Komponisten. Früher hat er bei den Dire Straits gespielt. Und meine Schauspieler liebe ich immer sehr, klar. Ich komme nur nicht hinterher mit dem Schreiben. Mit Christiane Paul würde ich ganz gerne wieder etwas machen und auch mit Martina Gedeck. Da ich gerne immer neue Sachen ausprobiere, etwas ganz anderes schreibe, liegt das gar nicht so nahe, dass ich dann sofort wieder dieselben besetze. Zumindest in den kleinen Rollen kommen sie dann doch in meine Filme.

Haben diese vielen kleinen Gast-Auftritte eine bestimmte Funktion? Da ist zum Beispiel Sophie Rois in einer sehr kleinen Szene, die noch nicht einmal eine Minute lang ist.
Ich kenne Sophie ein bisschen aus Berlin und finde, dass sie eine ganz tolle Schauspielerin ist. Dass sie kam, lag daran, dass sie das Buch toll fand und Zeit hatte, mal für einen Tag nach Hamburg zu fahren. Aber eine bestimmte Funktion haben die Rollen nicht. Eins der Highlights war natürlich Martina Gedeck als Martha. Martha buchstabiert dem Therapeuten den Belgischen Zucker, den er für den Kuchen am Ende von Martha braucht. Die Geschichten [von Sergeant Pepper und Bella Martha, Anm. d. Red.] begegnen sich vor dem Ende von Martha, obwohl der Therapeut inzwischen in einem anderen Büro sitzt. Aber das ist vor allem Privatvergnügen, denn es sieht ja nicht jeder, dass das Martina ist.

Sie arbeiten auch mit Stereotypen, sei es Sergio Castellitos italienischer Koch in Bella Martha oder Barbara Auer als böse Hexe und Ullrich Thomsen als schusseliger Erfinder.
Bei Martha weiß der Italiener selber, dass er ein Klischee ist und das benutzt er auch. Das Spiel mit den Klischees findet auf der erzählerischen Ebene statt. Bei einem Film wie Sergeant Pepper findet das eher auf der formalen Ebene statt. Deshalb ist Sergeant Pepper auch in vieler Hinsicht der privatere Film, ich habe mir viel mehr erlaubt und viel mehr ausprobiert. Ich habe zum ersten Mal den Blick so bewusst auf das Formale gerichtet, das hat mich früher nicht so sehr interessiert. Es zu übertreiben, nichts auszulassen, zu kommentieren und zu zitieren, was das Zeug hält, darauf kam es mir an. Bei den Verfolgungsjagden merken die Figuren selber: Gleich müssen wir wieder losrennen. Im Grunde genommen ist das völlig absurd. Warum rennen die schon wieder um das Haus herum? Wobei die Verfolgungsjagden mich am wenigsten interessieren. Ich möchte, dass die Kinder die Szenen beim Therapeuten mitnehmen, wenn Felix versucht sich und seine Freundschaft zu dem Hund zu erklären. Darum geht es mir. Gleichzeitig weiß ich, ich mache einen family entertainment Film, das heißt die Verfolgungsjagden, das Gift und die Fesseln gehören dazu.

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Fotos: © 2004 Constantin Film, München / MTM Medien & Television München / Bavaria Film

Kommentare zu „„Ich komme nur nicht hinterher mit dem Schreiben.““


Jürgen Weusthoff

Sehr geehrte Frau Nettelbeck,
wie ich weiss, haben Sie - ebenso wie ich - früher mal die Odenwaldschule besucht (ich noch früher).
Habe im Laufe der Jahre und im engen Verbund mit meiner Schulklasse eine Sammlung persönlicher Erinnerungsstücke an Lehrer- und Schülerpersönlichkeiten der OSO zusammengestellt, die ich auch Ihnen gern zur Verfügung stellen würde. Damit ist keine Absicht verbunden (was sollte die auch sein?), einzig die Bitte um eine postalische Anschrift, um Ihnen die Texte zukommen zu lassen.
Mit freundlichem Gruß
J. Weusthoff






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