"Ich glaube an die Kritik" - Interview mit Rebecca Zlotowski

Die Regisseurin und die Kritiker: Im Interview spricht Rebecca Zlotowski über Diversität an Filmsets, ihr sich wandelndes feministisches Engagement - und erklärt, warum ihr neuester Film nur in Cannes zu einem Erfolg werden konnte.

Ein Interview von Chloé Rolland aus La Lettre du SFCC

Chloé Rolland: Hat die Filmkritik für die Entwicklung Ihrer Arbeit eine Rolle gespielt

Rebecca Zlotowski: Natürlich! Ich glaube an die Kritik, und daran, dass ich mich durch sie verbessere. Das sage ich nicht einfach nur so, daran glaube ich wirklich. Und das kommt auch vor, wenn auch nicht so oft. Ich betrachte die Kritik nicht wie ein Horoskop, glaube nur an sie, wenn sie meine Filme mag und nicht mehr, wenn sie nichts mit ihnen anfangen kann. Es ist mir egal, ob dem Kritiker etwas gefällt oder nicht gefällt, ob er berührt ist oder nicht: Ich will, dass mir jemand meinen Film erklärt. Dass man mir von außen zeigt, was ich gemacht habe und dass sich ein anderes Gehirn – ein versierteres, weil es mehr Filme sieht – in den Dienst meiner selbst stellt. Für mich ist es die Aufgabe der Kritik, das Vorhaben des Films zu verstehen und zu bewerten, zu sagen, ob und aus welchen Gründen dieses Vorhaben dem Film gelingt. Diesen Dialog erwarte ich von der Kritik.

Glauben Sie, dass es unter den Kritikern immer noch eine „politique des auteurs“ gibt? Haben Sie das Gefühl, dass die Kritiker eher flatterhaft geworden sind und nur den Film selbst beurteilen, oder gibt es noch eine Art von Kontinuität, von einer Verbundenheit mit bestimmten Regisseuren?

Ja. Nach vier Filmen und einer Serie spüre ich, dass manche Kritiker sich durch eine gewisse Loyalität auszeichnen, durch ein Interesse, das meine Arbeit bei ihnen weckt, während ich andererseits weiß, und das ist eher gesund, dass jeder meiner Filme hinterfragt wird. Einige Leute mögen vielleicht einen meiner Filme und einen anderen hassen sie. Ich erinnere mich an einen Kritiker, der eine sehr verletzende, aber treffende Kritik zu Grand Central geschrieben hat. Er sprach von der Harmlosigkeit des Films und ich glaube, er hatte Recht. Der Film beschäftigte sich mit Begriffen von Gefahr, mit Eros und Thanatos ... aber letztlich war das Thema vielleicht interessanter als der Film (das sagt man sich wahrscheinlich jedes Mal über die eigenen Filme, wenn man nicht völlig selbstverliebt ist). Als ich also diesen Text las – sechs Monate später, weil er damals zu verletzend war, mit bösartigen Spitzen – hat er mich gerade erhellt. Der gleiche Kritiker hat Planetarium dann geliebt. Wir trafen uns damals und sprachen noch einmal über den Text zu Grand Central und er sagte mir, dass er wegen diesem Text von seiner Zeitung eingestellt wurde, weil die Redaktion diese Kritik gleichzeitig als böse, lustig, scharf und mutig (weil der Film insgesamt ziemlich gut ankam) empfunden hatte. Er hatte also wahrscheinlich ein Bedürfnis, noch eins oben drauf zusetzen. Das ist schade und es ist eine Schwachstelle des Berufs: Manchmal hat man das Gefühl, dass Nuancen unerwünscht sind, weil gerade deren Abwesenheit einen Hype erzeugt und dem jeweiligen Autor seinen Platz auf dem Spielfeld verschafft. Wenn es nur noch darum geht, richtet sich die Kritik letztlich nur an die Kritiker selbst – und das ist nicht das Konstruktivste, was sie tun kann ...

In der Kritik lassen sich drei Formen unterscheiden. Es gibt eine Kritik, die sich mit einem Empfehlungscharakter an die Zuschauer wendet. Diese verschwindet meiner Meinung nach insofern, als heute die Zuschauer selbst diese präskriptive Rolle für andere Zuschauer spielen. Dann gibt es die Kritik, die sich sowohl an die Zuschauer als auch an die Filmemacher richtet. Die ist für mich am interessantesten, weil sie es schafft, eine imaginäre Verbindung mit dem Filmemacher herzustellen und den Zuschauer zu führen. Schließlich gibt es eine Kritik, die sich nur an andere Kritiker richtet und dadurch einen Bruch mit den Zuschauern und den Filmemachern erzeugt. Dieser Ansatz macht aus den Geschmäckern von Kritikern Modelle. Das schafft Unfreiheit. Und das Einzige, was sich zu verfolgen lohnt, ist die Freiheit. Ob man nun Filmemacher oder Kritiker ist, man muss in erster Linie die Mittel finden, die uns die Freiheit geben, zu machen, zu sprechen, zu schaffen, zu widersprechen, widersprochen zu werden, uns auszudrücken.

Sie gelten als intellektuelle Filmemacherin. Hat das Auswirkungen auf die Rezeption Ihrer Filme? Ist das etwas, wofür Sie kritisiert werden?

Wenn früher von meiner intellektuellen Seite die Rede war, dann war das eher eine Würdigung: Journalisten haben erkannt, dass in meinen Filmen Gedanken zum Ausdruck kommen. Dass das als Angriff gemeint ist, ist eher ein neueres Phänomen und daher beunruhigend. Ich bin 39 Jahre alt und ich bin fast mein ganzes Leben lang vor diesem Verdacht geschützt gewesen, ich glaube, wegen meiner akademischen Laufbahn. Aber in letzter Zeit haben mich mehrere Männer persönlich attackiert, die sich durch meine Äußerungen angegriffen fühlten und die, anstatt mir zu widersprechen, behaupteten, ich sei unfähig zu denken. Hier verbindet sich ein Anti-Intellektualismus, der derzeit durch die Demokratien zirkuliert, mit einer Frauenfeindlichkeit, die sich letztlich dadurch ausdrückt, dass man einer Frau, die im öffentlichen Raum etwas Komplexeres artikuliert, mit dem man nicht einverstanden ist, das Denken allgemein abspricht. Das habe ich kürzlich zum Beispiel in der Radiosendung Le Masque et la plume gehört, wo es hieß: „Sie denkt, dass sie denkt.“ Das hat mich überrascht.

Und seit Ihrem Engagement im
50/50-Kollektiv für Geschlechterparität, glauben Sie, dass Sie Intellektuelle und Aktivistin sein können?

Ich engagiere mich erst seit kurzem. Ich wurde häufig auf meine politischen Überzeugungen angesprochen, indem ich systematisch dazu aufgefordert wurde, auf die Frage nach dem Weiblichen zu antworten. Ich versteckte mich hinter meinem Status als Künstlerin, aber nach einer Weile endet das in Heuchelei. Es war also wirklich die Kritik, die mich politisiert hat.

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es gibt einen latenten Sexismus in der Frage der Emotionen. Es ist nicht das politische Engagement als solches, das uns plötzlich in die Schusslinie gebracht hat, es ist vor allem die Tatsache, dass wir uns bewusst auf dem Gebiet des Denkens bewegen und nicht auf dem der Intuition, der Emotionen, des Instinkts. Das ist das, was manche stört. Filmemacherinnen sollen immer sehr emotional sein. Sie sollen über Dinge sprechen, die sie angeblich kennen, das heißt, die Welt der Gefühle, die Welt der Mutterschaft, möglicherweise Romantik, Liebe und so weiter. Und wenn man dann mit Filmen kommt, die nicht auf einem leicht zugänglichen System der Emotionen basieren, sondern als Denkwerkzeuge formuliert sind, wird das praktisch als eine Beleidigung unseres Geschlechts wahrgenommen. Wir sind nicht mehr dort, wo man uns erwartet. Das destabilisiert, stört, und dieser diskursive Ansatz wird manchmal nicht verstanden. Denn dann betreten wir eine Grauzone: Was ist eigentlich Emotion? Was ist ein emotionaler Film? Warum gelten meine Filme oft als kalt und distanziert, aber bei Bruno Dumont wird das nicht in dieser Weise kritisiert? Warum gibt es einerseits ein spektakuläres Jonglieren mit Gedanken und Konzepten und dann ist ein Film ein Misserfolg, wenn er nicht berührt?

Gleichzeitig wurde Ihr letzter Film außerordentlich gut aufgenommen. Es wurde viel über Brigitte Bardot geredet. Es gab And God Created Woman, und jetzt heißt es And Woman Created Zahia. Es gibt eine Übernahme der Deutungshoheit des Femininen: Du kannst entscheiden, wer du bist, wie du aussiehst ...

Mein feministisches Engagement in den letzten Jahren hat vielleicht einige Fallstricke aus dem Weg geräumt. Ich konnte mir erlauben, diesen Film zu machen, weil es keinen Zweifel um seine feministische Dimension geben würde, eine Dimension, die hier versteckter ist als beispielsweise beim neuen Film von Céline Sciamma. Porträt einer jungen Frau in Flammen ist eine Arbeit von kristalliner Reinheit, sehr direkt. In meinem Film braucht man eine Art popkulturelle Vorstellungskraft, um zu verstehen, dass die Figur der Zahia Dehar eine feministische Figur ist, auch in ihrer angenommenen Beziehung zur Prostitution, die einer bestimmten post-feministischen Literatur entspricht. Aus all diesen Gründen fühlte ich mich also berechtigt und frei, den Film zu machen. Ich habe in gewisser Weise diesen Job angenommen, um den ich mehr als andere Filmemacher gebeten werde, nämlich mich gegen Sexismus zu engagieren. Ich habe mir das wieder angeeignet, indem ich mir gesagt habe: Wenn es einen Film gibt, den ich jetzt machen sollte, dann ist es dieser. Also los geht’s! Ich war sehr angenehm überrascht von der Rezeption des Films durch die Kritik, sehr bewegt, dass der Film so schnell und vollständig verstanden wurde. Es war eine echte Lektion. Ich denke auch, dass diese Rezeption durch die Filmfestspiele von Cannes bedingt wurde. Wäre er nicht in Cannes präsentiert worden, wäre das Schicksal dieses Films ganz anders verlaufen.

Warum?

Weil die Filmfestspiele von Cannes der große Ort der Kritiker sind. Für mich ist das Festival von Cannes das Festival der Filmemacher und Kritiker, nicht der Schauspieler, anders als zum Beispiel in Venedig. Cannes ist der große Moment, in dem die Kritiker die Macht haben: die Macht, einen Film zu tragen oder zu vernichten. Ich denke also, wenn der Film nicht in Cannes genommen worden wäre, wenn er nicht an diesem Ort, der den Kritikern gewidmet ist, als anspruchsvolles Objekt, als Autorenfilm, erkannt worden wäre, wäre das anders und wahrscheinlich schwieriger gewesen.

Die Auswahl für Cannes hat den Boulevard-Aspekt reduziert?

Ja, das soziologische Phänomen, der mögliche Zynismus um das Thema. Und dann kam ich aus einem Misserfolg heraus, kommerziell, aber auch teilweise bei der Kritik, weil Planetarium nicht nach Cannes eingeladen worden war, so dass man mir auch hätte unterstellen können, opportunistisch und zynisch zu agieren, nach einem Hype zu suchen. Im Gegensatz zu anderen Filmemachern hatte ich in meinem Verhältnis mit der Kritik aber immer das Glück, niemals missverstanden worden zu sein. Ich wurde nie an einen Platz in der Kinolandschaft gestellt, der nicht meiner war. Ich wurde immer richtig verortet, nämlich im freien Autorenkino. Dann hat man die Filme gemocht oder eben nicht.

War Filmkritik ein wichtiger Bestandteil Ihrer Entwicklung zur Cinephilen, bevor Sie Filmemacherin wurden?

Ja. Mithilfe der Kritik habe ich mich erschaffen, sowohl als Filmliebhaberin als auch im akademischen Bereich. Meine Sehnsucht nach dem Kino wurde durch das Lesen von Kritikern genährt, von Bazin bis Pauline Kael, von Manny Farber bis Daney. Diese Lektüre hat mir viel beigebracht und war wirklich wichtig.

Als eine Form über das Kino nachzudenken?

Ja, aber auch, weil wir von einer Generation inspiriert wurden, in der die Kritiker auch Filmemacher waren. Toubianas und De Baecques Truffaut-Biographie zum Beispiel ist einer der ersten dicken Wälzer, die ich mit 14 oder 15 Jahren gelesen habe. Und ich sagte mir: Es ist toll, es ist ein verführerisches, bewegendes Leben, und gleichzeitig ist er ein Kritiker, es gibt Texte darüber zu lesen... Und es ging noch weiter... Ich habe mich besonders für Semiotik interessiert. Für die Sprache, was auch immer das ist. Also Sprache in der Literatur, aber auch im Kino. Es klingt wirklich langweilig, aber schon bald las ich Genette und Christian Metz. Für diejenigen, die Christian Metz noch kennen, ist das wahrscheinlich eine Schande, denn das ist wirklich nicht sehr attraktiv, er schreibt trocken, streng, speziell ... Aber ich würde lügen, wenn ich diese Geschichte nicht erzählen würde. Es war Teil meiner Ausbildung. Ich habe zum Beispiel lange gebraucht, um zu verstehen, dass Literatur etwas anderes ist als eine musikalische Sprache. Vielleicht mochte ich deshalb das Kino und es war eine Chance in meinem Leben, es zu entdecken, denn da habe ich entdeckt, dass man Gefühle haben kann. Im Kino war es direkter. Der emotionale und erzählerische Teil des Kinos war offensichtlicher als in der Literatur. Aber ich war genauso leidenschaftlich an der Literatur interessiert.

Haben Sie sich je an Kritiken versucht?

Nein, niemals. Weil ich nicht schreibe. Ich schreibe Filme, aber ich schreibe nicht. Und für mich ist Filmkritik Schreiben. Die Kritiker, die ich mag, sind die, die schreiben.

Sprechen Sie unter Filmemachern, zum Beispiel beim SRF [dem Verband von Filmregisseuren in Frankreich, Anm. d. Ü.], über Kritik, haben Sie einen Standpunkt, einen Gedanken dazu?

Wir reden nicht viel darüber. Aus Scham, glaube ich. Weil es etwas Demütigendes hat, sich zu beschweren. Aber ich merke, dass es ein Problem mit dem Beruf gibt, dass er mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke immer prekärer wird, dass er an Einfluss auf den Kinobesuch verloren hat. Denn selbst wenn man die gesamte Kritik hinter sich hat, kommt es oft vor, dass Filme nicht funktionieren: Was bedeutet das? Manchmal gibt es eine bestimmte Art von Rezeption, die ein bestimmtes Publikum auf Distanz halten kann. Man kann in sozialen Netzwerken sehen, dass es bei einer einstimmigen Reaktion zu einer Gereiztheit oder Verärgerung kommt, fast einer Feindschaft, die sich vor dem Hintergrund eines gewissen Anti-Intellektualismus entwickelt und auch mit der Idee verbunden ist, dass die Kritik sich untereinander verständigt. Ich habe deswegen den Eindruck, dass wir als Kritiker und Filmemacher gemeinsam einer Art Abscheu vor dem Denken gegenüberstehen. Und deshalb müssen wir auch sehr vorsichtig miteinander umgehen. Wir sollten in der Lage sein, gemeinsam darüber zu reden. Aber manchmal sind die Kritiker selbst nicht bereit, kritisiert zu werden. Als wir Filmemacher zum Beispiel unsere Meinungsverschiedenheiten mit Frédéric Bonnaud, dem Chef der Cinémathèque, der aber vor allem ein Kritiker ist, zum Ausdruck brachten, als er die Brisseau-Retrospektive zensierte, war das ungeheuer heftig. Das ist ein Kritiker, der es nicht gewohnt war, von Filmemachern kritisiert zu werden.

Die Präsentation von Polanskis neuem Film J'accuse in Venedig hat erneut für Kontroversen gesorgt, wie bei der Festivalvorführung in La Roche-sur-Yon, wo das Festival aufgrund der Intervention von Adèle Haenel* vor dem Film eine Debatte veranstaltet hat. Was halten Sie davon?

Von Zeit zu Zeit muss man wissen, wie man Filmemacher vor sich selbst schützt – ich denke an Polanskis brandstifterartiges Presseheft in Venedig, die ihn zum schlimmsten Verteidiger seines Films gemacht hat. Wenn ich Kuratorin oder Kritikerin wäre, würde ich mir so sehr wünschen, dass jeder Polanskis Film mag, aber ich hätte eben auch das Gefühl, dass er aus unterschiedlichen Gründen so problematisch ist, dass ich erst recht alles tun muss, um meine Werschätzung rüberzubringen. Dazu gehört auch, ihm keine Hommagen, Retrospektiven, persönliche Ehrungen, Auswahlen auf den größten Festivals anzubieten, da der Film nicht Gefahr läuft, nicht produziert oder gezeigt zu werden. Sondern diese Plätze im Programm für sonst weniger sichtbare Filme zu nutzen oder ein Gleichgewicht herzustellen, indem man einen Platz für das Unsichtbare lässt. Sich einen Wettstreit liefern in der Recherche und Arbeit, um etwas auszugraben, um eine Begegnung zwischen einem Publikum und ihnen zu schaffen. Wird diese Arbeit immer gemacht? Da bin ich nicht sicher.

Es wäre etwas anderes, und daher überraschend, neu und interessant, sich zu fragen, wie wir die Filme bestimmter Autoren mit einer, wie ich es nenne, „Begleitrede“ versehen können. Debattieren und Nachdenken ist nie eine Zeitverschwendung.

Es ist klar, dass es in diesen Polemiken um ebenso polarisierende, faszinierende wie komplexe Begriffe gibt: eine Reflexion über den Begriff des Opfers – transitives Opfer versus absolutes Opfer (ein Filmemacher kann Opfer einer Situation sein, ohne Opfer zu sein) –, eine marxistische Reflexion über die Umverteilung der Arbeit zwischen Männern und Frauen, ihre Gleichheit, ihre Vergeltung, eine anthropologische Reflexion über die Frage des Begehrens usw. Diese Fragen zu entwirren erfordert Zeit, Wohlwollen auf allen Seiten, aber auch eine Anerkennung der Komplexität. Wenn wir uns keine Komplexität erlauben, können wir genauso gut schweigen.

Ich möchte hinzufügen, dass es heuchlerisch ist, wenn man um den heißen Brei herumredet: Wenn ich für den nationalen Schullehrplan zuständig wäre, würde ich in der Lage sein wollen, Drieu la Rochelle, Bardèche und Brasillach, die sehr gute Autoren sind, auf den Lehrplan zu setzen. Aber wenn ich sie alle im selben Jahr zusammenführe, ohne mein Projekt zu erklären, würde ich verstehen, dass man aus ihnen Rückschlüsse auf einen politischen Gedanken, eine politische Linie ziehen könnte. Um drei Filmemacher zu nehmen, die in Bezug auf sexuelle Themen polarisieren und deren Filme ich liebe, Polanski, Woody Allen und Brisseau, kann man sagen, dass ihre Arbeit, im Gegensatz zu den genannten Autoren, nicht die Positionen enthält, für die sie verurteilt oder belastet werden: immerhin. Ich denke, wir dürfen nicht um den heißen Brei herumreden, wir müssen erkennen, dass die Berichterstattung über diese Leute heute kontextualisiert werden muss. Wenn diese Arbeit nicht getan wird, zeigt man jenen Menschen, die sich nicht gehört fühlen, den Mittelfinger. Die oisutuve Medienberichterstattung über sie (außer leider für Brisseau, der sozial am zerbrechlichsten war) wird dann als das Fortbestehen einer alten Welt erlebt, die sich nicht reformieren kann. Und es ist diese Frustration, die derzeit zum Ausdruck kommt – selbst wenn sie in manchen Fällen unerträglich ist, wenn sie den Werken selbst jeden Weg versperrt und alles durcheinander bringt. In solchen Fällen hat sich das Denken auf allen Seiten verlaufen.

Sich um eine Vielfalt bei den Geschlechtern zu bemühen, führt dazu, die Diversität in anderer Hinsicht zu bedenken: ethnische Herkunft, soziale Herkunft, Religion... Als Kritiker und Filmemacher ist uns gemein, dass wir uns alle sehr ähneln. Wie wird das bei den Filmemachern reflektiert? Auf der Seite der Kritik ist es immer noch recht komplex.

Es ist eine lange Arbeit, die mit einem neuen Bewusstsein beginnt. 50/50 hat eine quantifizierende Studie über die Verfassung der französischen und dann der europäischen Kritik durchgeführt, deren Ergebnisse in diesem Jahr in Berlin vorgestellt werden, und sie ist spannend. Wenn man die Ahnungen, die man hat, ein wenig erhärtet, indem man sie in Zahlen ausdrückt, kann man sich der Ungleichheiten bewusst werden, und dieses politische Bewusstsein ist ein erster Schritt, der oft unterschätzt wird. Die Konsequenz daraus wäre für mich eher eine Arbeit mit Anreizen als mit Quoten. Ich fühle mich nicht wohl mit dem Gedanken der positiven Diskriminierung. Ich bin eine Tochter von Migranten und jedes Mal, wenn ich etwas verdient habe und dann vermutet wurde, dass es eigentlich unverdient war, hat mich das traurig gemacht. Deshalb habe ich ein Problem damit. Ich will nicht, dass die Leute die Dinge durch eine Quote bekommen. Das ist sicherlich ein Fehler, denn um schnell etwas zu ändern, müsste man das sicher tun, aber das ist meine Haltung. Und so können wir es auch mit Anreizen finanzieller Art machen. Wenn wir Regisseure ein diverseres Set haben – mehr Frauen, mehr Menschen, die ethnisch oder sozial diskriminiert werden –, dann gewinnen wir etwas. Das wirft dann aber eine Frage auf, nämlich: Wie erfassen wir unsere Teams? Weil wir Menschen nicht nach Herkunft oder Hautfarbe kategorisieren und statistisch erfassen dürfen. Glücklicherweise, nebenbei bemerkt. Aber gleichzeitig muss man das umgehen. Denn im Moment dient das nur der herrschenden Klasse und hat nicht verhindert, dass die Diskriminierten diskriminiert werden. Also arbeiten wir daran. Wie können wir ethnische Diversität zählbar machen? Nun, wir folgen dem Wunsch derer, die sich diskriminiert fühlen, sich zu registrieren. Es wird also Online-Plattformen geben, in denen sich die Leute selbst eintragen. Es ist nicht die perfekte Lösung, denn es wird wahrscheinlich einige Leute ausschließen, die sich durch eine solche Eintragung gedemütigt fühlen. Aber wir werden sehen, wir werden es versuchen, wir werden vorwärts gehen. Es lohnt sich, denn wenn unsere Branche diese Arbeit nicht macht, hat sie alles zu verlieren, sowohl im Bereich der Repräsentation als auch ökonomisch. 

*Das Interview wurde geführt vor den durch Mediapart veröffentlichten Recherchen zu den von Adèle Haenel erlittenen Übergriffen und vor dem Bekanntwerden eines weiteren Vergewaltigungsvorwurfs gegenüber Roman Polanski in Le Parisien.

Übersetzung von Jonas Nestroy und Till Kadritzke

Ursprünglich veröffentlicht in La Lettre du SFCC, der Zeitschrift des französischen Filmkritikverbands unter Leitung des Chefredakteurs Nicolas Marcadé.

Vielen Dank an Chloé Rolland, Nicolas Marcadé, Marion Dubois-Daras und den SFCC.

 

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