„Es macht Spaß, eine Figur zu peinigen“

Interview mit Brad Anderson zu The Machinist

The Machinist ist der bislang einzige von sechs Spielfilmen des Regisseurs Brad Anderson, der in deutschen Kinos startet. Seine Filme liefen bislang auch in den USA nur in ausgewählten Kinos, wurden zwar ebenso außerhalb der amerikanischen Grenzen auf etlichen Festivals vorgestellt, schafften es aber kaum auf reguläre Kinopläne. Thomas Abeltshauser traf den Regisseur auf der Berlinale, wo der Film im Panorama lief, zum Gespräch.

critic.de: Sie waren in Deutschland bislang wenig bekannt, in den USA sind Sie dagegen mit Filmen wie Session 9 schon ein gefeierter Independent-Regisseur.
Brad Anderson: Stimmt, man könnte sagen, dass ich so etwas wie der typische US-Independent-Regisseur bin. Mein erster Film hat vielleicht 50.000 Dollar gekostet, auf Kreditkarte und war ein Werk mit viel Herzblut, wie es typisch ist für diese Branche. Die meisten meiner Filme hatten entweder Premiere auf dem Sundance Filmfestival oder wurden zumindest dort gezeigt. Normalerweise schreibe, inszeniere und schneide ich meine Filme selbst, sie sind also mein Ding. Ich habe meine eigenen Ansichten, wenn Sie wissen, was ich meine.

Sie haben auch schon mit Warner Brothers wegen eines Skripts verhandelt. Sind Sie lieber Independent oder würde Sie auch ein großes Budget reizen?
Ich hoffe, ich bleibe immer unabhängig, egal ob ich einen Fünfmillionendollarfilm oder einen für 15 mache. Meine Hoffnung ist, dass ich immer in der Lage bin, den Film so zu machen, wie ich will und meine eigene Vision realisieren kann. Denn so sollte es sein. Man will doch eine Vision, die hinter einem Film steht, auch wenn es immer eine Kollaboration ist. Danach strebt doch jeder Regisseur: die künstlerische Kontrolle. Du bist für deinen Film verantwortlich, es ist dein Ding. Diese Kontrolle bekommt man sicherlich nicht im Studiosystem, es sei denn man ist ein Starregisseur.

Ihr Film wurde von einer spanischen Produktionsfirma finanziert und in Barcelona gedreht. Ist es heutzutage schwieriger, Independentfilme in den USA zu drehen?
Selbst die europäische Geldquelle trocknet langsam aus. In den letzten Jahren wurde es immer schwieriger, selbst hier eine Finanzierung zu bekommen. Aber viele Filmemacher wie David Lynch werden aus Europa kofinanziert, weil ihre Filme dort gut laufen. Weil sie Filme machen, die einen gewissen künstlerischen Anspruch haben. Die US-Independentszene hat Ähnlichkeiten mit dem europäischen Filmsystem, in dem selbst bei größeren Produktionen der Regisseur die Kontrolle behält und seine Vision respektiert wird. Als Independent-Filmemacher muss man Opportunist sein. Man muss dahin gehen, wo das Geld ist. Und manchmal muss man seine Visionen anpassen, damit es funktioniert.

Das Drehbuch stammt diesmal nicht von Ihnen. Wie entstand das Projekt?
Ich bekam Scott Kosars Skript von meiner Agentur und mochte es sofort. Also habe ich mich mit den US-Produzenten getroffen, die ursprünglich an Bord waren und wir haben das Projekt mit unterschiedlichen Besetzungen durchgespielt. Aber es schien nirgendwo hinzuführen. Schließlich hat Christian Bale es gelesen und war begeistert und seine Begeisterung hat auch mich wieder angesteckt, so dass wir anfingen, überall nach Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen, auch außerhalb der USA. Meine Agenten haben sich dann mit den Filmax-Leuten in Spanien getroffen, die meinen Film Session 9 mochten und mit mir arbeiten wollten. Sie sagten: „Wir machen den Film, aber Sie müssen ihn in Barcelona drehen.“ Das war die einzige Bedingung.

Wie haben Sie Christian Bale überzeugt, für die Rolle fast 30 Kilo Gewicht zu verlieren?
Ich musste ihn gar nicht überzeugen, er machte es freiwillig. Es steht im Script, seine Figur ist beschrieben als eine wandelnde 45-Kilo Vogelscheuche. Es war also klar, dass er abnehmen muss. Ich musste ihn nicht bitten, es zu tun. Als er in Barcelona ankam, war er bereits sehr mager.

Aber dachten Sie, dass er soviel abnimmt?
Nein, das hatte ich nicht erwartet. Als ich ihn sah, war ein Teil von mir entsetzt, der andere Teil dachte ‚Das ist großartig, er sieht richtig – cool aus! Das wird auf Film sicher super aussehen!’ Aber es ist natürlich wichtig für die Geschichte, zu sehen wie sich diese Figur verwandelt. Am Ende realisiert man, dass dieser Typ einfach bei lebendigem Leib aufgefressen wird von seinem schlechten Gewissen. Wenn man diese Verwandlung nicht gesehen hätte, wäre es nur halb so interessant. Gleichzeitig war klar, dass wir es nicht mit Digitaleffekten machen würden. Es musste schon echt sein. Und Christian hat es durchgezogen.

The Machinist ist eine sehr komplexe Struktur aus Bildern und Metaphern. Was waren die Einflüsse?
Dazu müssten Sie eher den Drehbuchautor Scott Kosar fragen, ich habe ja nur sein Buch interpretiert. Ich weiß, dass er beim Schreiben sehr von russischer Literatur beeinflusst war, vor allem Dostojewski. Viele Themen und Symbole des Films sind daran angelehnt. Die Geschichte war zwar ursprünglich in Südkalifornien angesiedelt, aber mir erschien es immer mehr wie Prag. Es hatte einfach diese merkwürdigen osteuropäischen Motive, Wirtinnen, Doppelgänger und all das. Dass es in L.A. spielen sollte, diese Kombination, war einfach so seltsam. Scotts Einflüsse waren also eher literarisch, während meine visuell waren. Ich hatte immer Polanski und Hitchcock im Kopf, auch bei der Musik dachte ich vor allem an Bernard Herrmann, es sollte etwas zeitloses haben, auf keinen Fall zeitgenössisch. Kubrick spukt auch immer irgendwo in meinem Hinterkopf. Ich mag die düsteren, unheimlichen Filme, deshalb war mit Sicherheit auch der deutsche Expressionismus ein Einfluss, Filme wie Das Cabinet des Dr. Caligari und Nosferatu. Es gibt zu Beginn eine Einstellung, in der Christian wie der Typ aus Caligari guckt. Das war so der Ton, den wir haben wollten. Der Kampf der Hauptfigur hat ja auch ein absurdes Element, fast satirisch. Wie eine Katze, die ihren eigenen Schwanz jagt. Die Geschichte ist natürlich tragisch, aber auch auf eine merkwürdige Art komisch.

Was fasziniert Sie so an den dunklen Seiten der Menschen?
Keine Ahnung, vielleicht habe ich selbst ein paar unentdeckte Geheimnisse. Es interessiert mich einfach im Moment. Ich habe auch schon romantische Komödien gemacht. The Machinist und der Film davor, Session 9, sind Ausdruck meines derzeitigen Interesses an oder meiner Obsession mit Psychosen. Zugegeben: Es macht Spaß, eine Figur zu peinigen und zu überlegen, wie man das möglichst visuell darstellt, ohne viel Dialog. Was geht im Kopf dieser Figur vor, ohne sie sprechen zu lassen.

Würden Sie sagen, Ihr Film spiegelt auch den derzeitigen Zustand der Gesellschaft wider?
Sie meinen eine psychotische Gesellschaft in einem Art Post-9/11-Trauma? Ich sehe das nicht wirklich. Der Film berührt vielleicht dieses Gefühl von Paranoia, das derzeit herrscht, dass man nicht mehr genau weiß, wer Freund und Feind ist, aber es war keine bewusste Entscheidung. Aber wer kennt schon sein Unterbewusstes?

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