Yakuza Apocalypse: The Great War of the Underworld – Kritik

Godzilla-Frosch vs. Vampir-Yakuza. Kultregisseur Takashi Miike zelebriert die eigene Unvorhersehbarkeit auf vorhersehbare Weise.

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Who’s afraid of the big bad frog? Wenn vom Frosch die Rede ist, geht die Stimme des Sprechenden in ein ehrfürchtiges Raunen über. Der weltweit größte Terrorist soll er sein. Dann taucht er – der Osama bin Laden der Amphibienwelt – nach rund einer Stunde zum ersten Mal auf der Leinwand auf und sieht aus, als wäre er einem Teletubbies-Set entflohen. Bei Treppenstufen braucht er fremde Hilfe. Am Fuße der Treppe angekommen, schnappt er sich dann aber einen Knüppel, drischt wie ein Berserker auf einige angekettete Häftlinge ein und schlägt den gesamten Keller kurz und klein. Wenig später wird er von Maschinengewehren durchlöchert, von einem LKW überfahren und mit Handgranaten beworfen – ohne dass ihm das irgendetwas ausmacht. Wenn seine Gegner sich vergeblich ausgetobt haben, richtet er seinen „Todesblick“ auf sie, wodurch sie zunächst erstarren und sich dann wie ein Metronom zu bewegen beginnen. Und als der Todesblick nicht mehr ausreicht, holt er sich Verstärkung durch einen gewaltigen Godzilla-Frosch, der direkt auf der Sonnenoberfläche zu leben scheint.

Der Plot in fünf Zeichen: 08/15

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Der Frosch-Auftritt macht vor allem deshalb solchen Spaß, weil er inmitten des dünnen, voller altbekannter Klischees steckenden Plots von Yakuza Apocalypse: The Great War of the Underworld (Gokudou daisensou) ein überraschendes Element ist. Die Erzählung selbst riecht arg nach einer verstaubten Kopie genretypischer Standardsituationen: Der Gegner des bösen Frosches ist der gute lokale Yakuza-Boss – ein edler Ritter, dessen Truppen die nutzlose Polizei ersetzen und die Stadtbevölkerung vor Mord und Vergewaltigung schützen. Der unterwürfige, junge Kagayama  (Hayato Ichihara) wird Zeuge, als der Boss eines Nachts Rivalen zum Opfer fällt. Nach dessen Tod spalten sich seine Anhänger in zwei Lager: die Abtrünnigen und die Gerechten. Kagayama wird zum Anführer der Gerechten, der seinen Lehrmeister rächen will. Zunächst erweist er sich noch als zu unerfahren dafür, langsam aber wächst er an seiner Aufgabe. Doch natürlich wäre er nichts ohne sein love interest, das sich kurz vor Schluss opfern will, damit Kagayama die Welt retten undsoweiter...

Das Prinzip Miike

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Nun ist die Wiederholung des Immergleichen ohnehin ein Kennzeichen des Genrekinos. Deshalb braucht Miike diesen Frosch, der gerade nicht ins Yakuza-Genre passt. Seine Präsenz clasht mit dem Kontext des Films, seine Brutalität wiederum ist eine Antithese zu seinem Aussehen, das wir eigentlich mit lieben, knuffigen Maskottchen assoziieren. Genau diese beiden Zutaten – Unvorhersehbares und exzessive Gewalt – sind die entscheidenden Erkennungsmerkmale des japanischen Kultregisseurs. Dass er jene aus Kontrasten, der Vermischung disparater Elemente entstehende Absurdität fast zwanghaft immer wieder erzeugt, macht das Unvorhersehbare allerdings vorhersehbar. Klar: Dass in Yakuza Apocalypse ein Kampffrosch auftritt, kann man ohne Vorab-Infos nicht erahnen. Dass Miike kräftig am Weirdness-Faktor schrauben wird, steht hingegen von vornherein fest. Dieser unbedingte Wille zur Schrägheit wirkt mitunter etwas bemüht und denkfaul.

Natürlich bleibt es nicht beim Frosch allein: Die Guten sind nicht einfach nur Yakuza, sondern Vampir-Yakuza, die einerseits menschliches Blut brauchen und sich andererseits damit um das eigene Geschäftsmodell bringen. Denn wer soll n och Schutzgelder an die Yakuza zahlen, wenn nach und nach alle Stadtbewohner durch Vampirbisse selbst zu Yakuza werden? Zusätzlich zu Killerfröschen und Blutsauger-Mafiosi gibt es dann noch Vampir-Lebendnahrung in Form häkelnder Häftlinge, eine langhaarige Nerd-Kampfmaschine, einen Englisch sprechenden Cowboy mit Mini-Sarg auf dem Rücken sowie einen Kappa – ein aus Underwater Love (Onna no kappa, 2011) bekanntes dämonisches Wasserwesen.

Wie ein Porno ohne Cumshot

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Neben der vorhersehbaren Unvorhersehbarkeit und der exzessiven Gewalt fällt ein weiteres Moment auf, das Yakuza Apocalypse zu einem „echten Miike“ macht: die Autorenhandschrift in Form der Subversion. Denn natürlich will Miike dann doch mehr, als nur einen Genrefilm zu drehen. Das zeigt sich schon daran, dass er die zwei für diesen Film relevanten Genres kein bisschen ernst nimmt. Die Härte und Maskulinität vieler Yakuza-Filme wird ersetzt durch albernes Verhalten, schrilles Geschreie und extra trashige Billigmodelle von Häusern, Landschaften und Menschen – ganz zu schweigen von den hemmungslos übertriebenen Kampfgeräuschen. Einmal heißt es im Film sogar: „Nimm das Wort ‚Blödsinn‘ aus dem Begriff ‚Yakuza‘ weg und es bleibt nichts mehr übrig.“ Auch um die Konventionen des Vampirfilms schert sich Miike einen Dreck: Tageslicht und Kruzifixe sind für die Blutsauger selbstverständlich.

Vor allem aber betreibt Miike genüsslich und mit entschlossener Verweigerungshaltung Fanboy-Teasing. In der ersten Hälfte des Films gibt es längere Passagen ohne jegliche Action oder musikalische Untermalung – für manchen Freund spektakulärer Kampfkunstfilme mag das eine Geduldsprobe sein. Richtig kurios wird Miikes provokanter Trotz aber im (Non-)Grande Finale: Kagayamas Kampf gegen den fiesen Langhaar-Nerd ist an Tempomangel und Ödheit kaum zu überbieten. Und als dann die Endschlacht zwischen Kagayama und dem Godzilla-Frosch beginnt, in der es mindestens um die Rettung der Welt geht, blendet Miike einfach ab und lässt die Credits rollen. Das ist ein amüsanter Affront, entspricht es doch in etwa einem Pornofilm, der mitten im Akt, kurz vor dem Cumshot, aufhört.

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Kommentare


Thorsten Hanisch

"Dass Miike kräftig am Weirdness-Faktor schrauben wird, steht hingegen von vornherein fest." = Nö, kurz vor YAKUZA APOCALYPSE wurde von Miike z.B. THE LION STANDING IN THE WIND veröffentlicht. Ein Drama, ganz ohne "Weirdness-Faktor". Das sind aber leider die (zahlreichen Filme) dieses einzigartigen, extrem vielseitigen Künstlers, die gerne ignoriert werden, um ihn auf "weird" festschrauben zu können....






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