Gegen den Strom – Kritik

Die menschengemachte Erderwärmung bedroht weltweit Lebensräume. Politik und Wirtschaft verschlimmern das Problem, anstatt es zu verbessern. Nur eine heldenhafte isländische Gesangslehrerin stellt sich ihnen in Gegen den Strom in den Weg.

Island ist wunderschön, das weiß jeder. Überall endloses Grün, heiße Quellen und warmherzige Kauzigkeit. Dazu die weltweit bekannte Musik mit den melancholischen Hörnern und der feinsinnige politische Humor. Regisseur Benedikt Erlingsson bedient sich aus alledem in vollen Zügen, um aus Gegen den Strom eine lustige, folkloristische, aber auch zynische Komödie zu machen.

Isländische Lara Croft

Halla, eine aktive 50-Jährige mit Herz und Kampfgeist, ist Gesangslehrerin, macht Tai-Chi und kämpft nebenher unter vollem Körpereinsatz gegen den Klimawandel wie eine isländische Lara Croft. Ihr Widerstand ist praktisch. Er erfordert Handschuhe, Stahlseile, gelegentlich auch Dynamit. Er ist hörbar, wenn Metall kreischend auf Metall trifft, weil Halla mit Hightech-Pfeil und -Bogen die Hauptader einer Stromtrasse attackiert. Das Kabel reißt, und in der nahe gelegenen Raffinerie fällt der Strom aus. Männer in gelben Anzügen rennen aufgebracht umher, während Halla sich übers Grün aus dem Staub macht; im Hintergrund spielt eine Band und schaut ihr hinterher. Helikopter fahnden, das Staatsfernsehen berichtet, ein nichtsahnender dunkelhäutiger Tourist auf Fahrradtour wird provisorisch dreimal festgenommen. Nach ihren Attacken auf die öffentliche Infrastruktur steht die „Bergfrau“, wie sie sich selbst nennt, aber schnell wieder aufgeräumt vor ihrer Gesangsklasse.

Hallas Wohnung säumen Poster von Mandela und Ghandi, sie lebt bewusst und naturverbunden, ist fit und aufgeweckt. Doch aus dem Fernseher dringen apokalyptischen Wahrheiten, denen nicht zu entkommen ist. Umweltkatastrophen, davor flüchtende Menschenmassen, der drohende Verlust weltweiter Lebensräume. Angesichts all dessen steckt Halla vor Wut gerne mal einige Sekunden lang den Kopf in große Mooshaufen und atmet tief durch. Am liebsten würde sie vielleicht ewig so verweilen, doch Aufgeben gilt nicht. Die naive Bevölkerung muss zur Vernunft gerufen werden, die korrupte Politik sogar dazu gezwungen. Während Halla im städtischen Umfeld als Aktivistin auftritt, die die Passivität der schweigenden Mehrheit nicht ertragen kann, wirkt sie in der Natur wie verwandelt. Ihre Mission wird zur Berufung, ihr Körper verschmilzt mit Bergen, Flüssen, Tieren, ihre Mimik und Gestik bekommen einen Geschmeidigkeit und Zähigkeit ursprünglichen Anklangs.

Rettung vor der eigenen Ernsthaftigkeit

Manchmal wird Erlingsson noch während solcher Szenen besonders ulkig und führt seinen poppigsten Stilbruch ein, ein isländisches Musikantentrio, das zeitweise durch ein weibliches Pendant aus der Ukraine abgelöst wird. An zahllosen Stellen stehen die Musiker mitten in der Szene, mal auf der grünen Wiese, mal in Hallas Wohnung oder auf dem Rathausdach, gänzlich unbeteiligt, aber der Handlung folgend, in und aus der Szene musizierend. Manchmal machen sie Pausen, rauchen und schauen auf ihre Smartphones. Komisch. Und irgendwie so, als wollte sich der Film vor seiner eigenen Ernsthaftigkeit retten.

Nach einem erneuten Sabotageakt geht Halla an die Öffentlichkeit und wirft ein Bekennerinnenschreiben vom Rathausdach. Darin stellt sie Forderungen, ruft zum Sinneswandel auf. Doch das System, dem sie bisher stets so gut Finten schlagen konnte, überwältigt sie. Der politische und mediale Betrieb zerfleischt ihre Aussagen, bringt die Öffentlichkeit gegen sie auf, macht sie zur Kriminellen. Selbst ihre nichtsahnende Schwester ist gegen die extremistisch anmutende Bergfrau. Alles scheint verloren, doch dann legt Halla natürlich erst richtig los.

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