Wilde Unschuld – Kritik
Nach mehreren eher unspektakulären Filmauftritten kann man Julianne Moore mit diesem Familiendrama nach einer wahren Begebenheit endlich wieder in einer glamourösen Hauptrolle erleben.

Die besten Geschichten soll bekanntlich das Leben schreiben. Wilde Unschuld (Savage Grace) nimmt diese leicht dahin gesagte Floskel durchaus ernst. Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich in einer amerikanischen Familie der Oberschicht zugetragen hat: Nachdem die Schauspielerin Barbara Daly den vermögenden Brooks Baekeland geheiratet hat, zeugen die beiden trotz einer spannungsreichen Ehe einen Sohn. Als Brooks Jahre später die Familie wegen einer Geliebten verlässt, entwickelt sich zwischen der suizidgefährdeten Barbara und dem als Ersatz für Brooks völlig überforderten Sohn ein zerstörerisches, inzestuöses Abhängigkeitsverhältnis, das schließlich in einem Mord endet.
Tom Kalin greift in seinem Spielfilmdebüt auf das von Natalie Robins und Steven M.L. Aronson verfasste Buch Savage Grace: The True Story of a Doomed Family (1985) zurück, das sich ausgiebig mit dem Fall beschäftigt. Seinen Film schneidet er ganz auf Julianne Moore als Barbara Daly zu, die mit ihrer furiosen Darbietung Mitstreiter wie Stephen Dillane (Brooks) und Eddie Redmayne, der mit Tony die eigentliche Hauptfigur verkörpert, in den Schatten stellt. Die unter extremen Gefühlsschwankungen leidende Barbara spielt Moore mit einer ungeheuren Intensität. Ihre mitunter sehr theatralische Spielweise wirkt nicht nur deshalb angemessen, weil Barbara eine verhinderte Schauspielerin ist, sondern auch, weil der Film eine Welt der oberen Zehntausend inszeniert, in der es darum geht, sich gebührend in Szene zu setzen.

Kalin konzentriert sich in seiner Verfilmung ohnehin nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf das Milieu, in dem sich die Figuren bewegen. Wenn die Familie in den sechs, zwischen den ereignisreichen Jahren 1946 und 1972 spielenden Kapiteln des Films immer wieder ihren Wohnort von einem europäischen Land zum nächsten verlagert, bleiben sie dabei in ihrer eigenen Welt gefangen, völlig unberührt von den sozialen und politischen Entwicklungen der Zeit. Die Welt der Oberschicht inszeniert Kalin durch eine Abfolge dekadenter Rituale und unbeschwertem Wohlstand. Der Umgang mit Adeligen und Künstlern und das Privileg, einfach nur das zu tun, nach dem einem gerade der Kopf steht, übt nicht nur eine gewisse Faszination aus, sondern bietet auch einen Kontrast zu den zerrütteten psychischen Verhältnissen, die sich hinter dieser Fassade verbergen.
Dieser Faszination für den Lebensstil der Familie und die nostalgischen, maßgeschneiderten Anzüge und Kleider scheint Kalin selbst zu erliegen, was sich etwa darin zeigt, dass er solchen Elementen mitunter mehr Aufmerksamkeit schenkt, als dem für die Handlung zentralen Mutter-Sohn-Verhältnis. Besonders im Mittelteil, der prädestiniert wäre für eine psychologische Entwicklung dieser Beziehung, verliert der Film sein Hauptmotiv aus den Augen. Anstatt den Grundkonflikt zum Ende hin weiter zu steigern, stagnieren die Spannungen zwischen Barbara und Tony nur noch. Solche Schwächen kann man dem Film hinsichtlich einer beeindruckenden Julianne Moore zumindest teilweise verzeihen.
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