Welcome Home Baby – Kritik

Berlinale 2025 – Panorama: Unsere Vergangenheit holt uns alle ein – insbesondere, wenn wir sie verdrängen. Welcome Home Baby macht aus dieser Idee einen visuell starken, allerdings auch recht formelhaften Horrorfilm.

Alles beginnt auf dem Lande: Regisseur Andreas Prochaska startet mit gleich zwei Prologen in sein neues Werk Welcome Home Baby. Der erste spielt im tiefen, finsteren Wald, der zweite in der Stadt. Die kinderlose Notärztin Judith (Julia Franz Richter) muss aus der Stadt aufs Land zurückkehren – von Berlin in ein kleines österreichisches Dorf, von der Gegenwart in die Vergangenheit. Zurück aufs Land – das mag für manche StadtbewohnerInnen schon Horror genug sein. Doch Judith stehen noch viel größere Schrecken bevor, denn sie muss sich den Traumata ihrer Jugend stellen. Ihre Eltern haben sie einst weggegeben, ohne dass Judith wüsste, warum – und auch sonst kann sie sich kaum an ihre Kindheit erinnern.

Ihre Erinnerungen werden rasch wieder wach, als sie mit ihrem Mann Ryan (Reinout Scholten van Aschat) in dem Dorf eintrifft, in dem das Haus ihrer Eltern, das sie nun erben soll. Eigentlich will Judith das schlossähnliche Anwesen schnell verkaufen, doch bald schon geschehen merkwürdige Dinge: Mal läuft sie in einen See, ohne es zu bemerken, mal erwacht sie unerwartet im Wald und immer wieder hat sie mentale Aussetzer, die sich mitunter über Wochen oder gar Monate erstrecken. Und dann sind da noch jene seltsamen alten Damen, die absolut alles tun, um sie vom Verbleib auf dem Dorfe zu überzeugen – und, noch viel wichtiger, vom Kinderkriegen.

Kamera und Schnitt lösen den Raum auf

Welcome Home Baby ist deutlich näher am Mainstream angesiedelt als viele der oft sehr geduldigen, verstörenden Horrorfilme, die das österreichische Kino in den letzten Jahren hervorgebracht hat, wie etwa Luzifer (2021), Des Teufels Bad (2024), Ich seh, ich seh (2014), Hagazussa (2017) oder der No-Budget-Lumpenproletariats-Neostumm-Experimental-Gruselfilm 2551.01 (2021). Der Plot ist – gerade in der zweiten Hälfte – rasant, die Dialoge stecken voller schwarzem Humor und der Horror wird weniger über die Atmosphäre erzeugt als mit recht simplen Jump-Scares, Akustik-Terror, digitalen Bildstörungen und bedeutungsschwangeren Zooms.

Dabei ist die wohl größte Stärke des Films seine enorme visuelle Kraft. Mal kriecht Judith in breiten Cinemascope-Bildern blutüberströmt durchs Bad, dann sehen wir sie in düsteren Unterwasser-Aufnahmen in die Tiefe tauchen – in anderen Momenten erwacht sie schließlich auf sattem grünem Moos inmitten eines mystisch anmutenden Waldes. Sowohl am Anfang als auch im Finale rüttelt die Kamera mit Kopfüber-Aufnahmen am Orientierungssinn des Publikums. An anderen Stellen löst der Schnitt das Raumgefühl auf, in dem er unterschiedliche Orte zu einem kontinuierlichen, physisch unmöglichen Raum montiert. Der absolute Höhepunkt ist aber die Ansammlung perfider österreichischer Landfrauen, die Kamerafrau Carmen Treichl dank Make-Up und Ausleuchtung so einfängt, dass sie wie eine Mischung aus Hexen, Nonnen und Zombies wirken.

Horror-Klischees und Fernsehfilm-Methoden

Der Plot hingegen verlässt sich – bis zum recht wirren Finale – zunehmend auf abgekaute, formelhafte Versatzstücke des Horrorgenres: Widerwillige Mutterschaft als Leitmotiv? Check! Aufwach-Szenen, die das zuvor Gesehene als bloßen Traum markieren? Check! Figuren, die, vor die Wahl zwischen Flucht in die tageslichthelle Außenwelt und Flucht in düstere, mit Totenköpfen vollgestopfte Katakomben gestellt, zielsicher letztere Option wählen? Check!

Hinzu kommt, dass man immer wieder spürt, wie sich die Fördergelder-spendenden TV-Redaktionen von ZDF und ORF möglicherweise eingemischt haben: In gestelzten Dialogen erklärt Ryan seiner Frau (und dem Publikum) Judiths Aussetzer. Zuvor schon gehörte Sätze werden im passenden Moment erneut eingespielt, damit man ja versteht, was die Protagonistin gerade zu ihren Handlungen motiviert. Und wer es immer noch nicht kapiert hat, bekommt im Abspann das deutsche Cover eines französischen Lieds zu hören, das uns darauf hinweist, dass unsere Vergangenheit für immer in uns lebt und uns prägt.

Eine vielleicht interessantere Lesart wäre es, den Film weniger als Beschäftigung mit den Traumata der Vergangenheit zu sehen – sondern als Statement dazu, wie reaktionäre Ideologien zunehmend die körperliche Selbstbestimmung von Frauen bedrohen. In Welcome Home Baby soll Judith nicht einfach selbst entscheiden dürfen, was sie mit ihrem Leben und ihrem Körper macht. Stattdessen übernimmt eine religiös geprägte Gemeinschaft diese Entscheidung für sie. Der Twist: Prochaska bettet das Ganze nicht in einen patriarchalen Kontext ein, sondern in einen matriarchalen.

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