Ultimate Chase - Die letzte Jagd – Kritik
In Ultimate Chase ist das Virus keine unsichtbare Gefahr, sondern ein grell geschminktes Monster. Doch der große B-Filmemacher Albert Pyun, Architekt und Maler zugleich, hat einen Impfstoff: Natasha Henstridge und Christopher Lambert, the flesh and the spirit.

Ist das überhaupt noch ein Virenfilm? Irgendwo im Drehbuch spukt eine todbringende ansteckende Krankheit herum, das schon, sie scheint etwas mit der Erbmasse des Kommunismus in Osteuropa zu tun zu haben: zerbrochene Staaten, zerplatzte Träume, eine Müllhalde der Geschichte, aus der ein Virus entschlüpft. Wir sehen auch, früh in Ultimate Chase - Die letzte Jagd (Adrenalin – Fear the Rush), eine tastende Kamerafahrt durch einen apokalyptischen Krankenhausgang, alles tot und kaputt und blutverschmiert, und irgendetwas ist entkommen. Ein Virus, aber nicht als freischwebende, unsichtbare Gefahr, sondern gebündelt in einem monströsen Einzelkörper. Ein wenig wie in Elia Kazans Panic in the Streets (1950), nur noch einmal deutlich paranoider: „Wenn er überlebt, werden alle anderen sterben.“
Die Filmwracks des Albert Pyun

Eine Virenkatastrophe im engeren Sinne findet im Folgenden allerdings höchstens im Off des Bildes statt. Immer mal wieder gibt Ultimate Chase eine Ahnung davon, dass irgendwo da draußen das Chaos tobt, dass Krisenstäbe eingerichtet, ganze Städte abgeriegelt werden, dass sich ein Schwarzmarkt und Widerstandsgruppen bilden… Faktisch sehen wir allerdings nur eine Gruppe uniformierter Kämpfer, angeführt von Natasha Henstridge und Christopher Lambert, die in einem gigantischen, baufälligen, nasskalten Haus ein grell geschminktes Monster jagen; und die dabei, wiewohl das Objekt ihrer Jagd angeblich die ganze Welt infizieren kann, nicht einmal jene simplen Gesichtsmasken tragen, ohne die wir das Haus derzeit selbst zum Sonntagsspaziergang nicht verlassen sollen. Wer sich an solchen Ungereimtheiten stört, ist allerdings ohnehin nicht gut aufgehoben im Kino des Albert Pyun.

Pyun ist ein tragisch Großer des B-Filmschaffens. Seine zumeist im Schnittbereich von Science Fiction, Horror und Fantasy angesiedelten Actionthriller haben fast immer winzige Budgets, fast immer muss er mit aufs schnelle Geld schielenden Produzenten um seine Vision kämpfen, fast immer verliert er diesen Kampf – und fast immer sind die Filmwracks, die dabei schließlich herauskommen, trotzdem irgendwie super.
Türkises Leuchten in dunklen Pfützen

Im Fall von Ultimate Chase war der Produzent Bob Weinstein, Harveys Bruder. Der hatte Pyuns ursprüngliche Fassung ziemlich rabiat zerhackt, weite Teile der ursprünglich vermutlich ziemlich weit ins Science-Fiction-haft-Epische ausgreifenden narrativen Rahmung entfernt und das wenige, was an Handlung dann noch übrig geblieben war, kurzerhand von Osteuropa in die USA verlegt, sodass wir nun mit den Straßen eines postapokalyptischen Boston konfrontiert werden, das verdächtig nach einem verschlafenen slowakischen Bergdorf ausschaut. Teile des Films wurden wohl auch neu gedreht; welche genau das sind, lässt sich heute nicht mehr wirklich eruieren, insbesondere weil Pyun inzwischen zurückgeschlagen und eine Schnittfassung angefertigt hat, die wiederum aus dem Weinstein-Cut das eine oder andere entfernt und wieder (notdürftig) europäisiert. Wie als wäre Ultimate Chase selbst von einem Virus befallen, das dem Film langsam aber sicher noch den letzten Rest textueller Kohärenz raubt.

Aber letztlich sind das alles Oberflächenirritationen, die nichts mehr zählen, wenn wir uns mit Henstridge und Lambert ins postsowjetische Tunnelsystem stürzen. Pyun, merkt man schnell, ist im Grunde seines Herzens kein Erzähler, sondern ein Architekt und ein Maler. Plötzlich ist alles nur noch Stein und Metall, tropfendes Wasser und, vor allem, flirrendes Licht; buntes, ursprungsloses Licht, wie gezeichnet, hier ein türkises Leuchten, das sich in dunklen Pfützen spiegelt, da ein goldener Schleier, der sich in Wassertropfen bricht. Architekt und Maler: Pyuns Licht kann einen Raum konturieren und irrealisieren, manchmal beides zugleich. Mal zwängt es uns ins klaustrophobisch enge Dunkel, mal öffnet sich eine lichte Weite, in der wir uns schutzlos und nackt fühlen. In einem Moment verfolgen wir minutiös, wie Henstridge ihren Körper ausbalancieren muss, um von einem Metallgerüst in einen Lüftungsschacht zu klettern, im nächsten öffnet sich vor Lambert aus heiterem Himmel ein dunkles Loch und er stürzt hilflos ins undefinierte Nichts hinein. Oder auch: Wenn der Film viel Wert darauf legt, den Impact einer Kugel, die sich in Fleisch bohrt, nachvollziehbar zu machen, dann folgt daraus nicht, dass jemand, der ein gutes Dutzend Volltreffer abbekommen hat, nicht trotzdem ein paar Minuten später wieder praktisch unverletzt ins Geschehen eingreifen kann.
Am Ende Antikörper

Henstridge und Lambert: Das sind keine psycho- oder auch nur handlungslogisch ausdefinierten Figuren; vielmehr verschmelzen sie zu Nestridge/Lambert, unserem doppelt codierten point of entry in Pyuns Welt, zu zwei Polen einer Einheit, eines Weltbezugs. The flesh and the spirit. Lambert ist ein Schmerzensmann, endlos verletzlich, Henstridge dagegen Körper gewordene Entschlossenheit, primär ein geistiges Wesen, und deshalb letztlich unberührbar. Einmal sehen wir in Großaufnahme eine blutige Klinge, die wenige Zentimeter vor ihrem nackten, durchtrainierten Bauch vorbeischwingt - und wissen doch, dass das Metall die Haut nie erreichen wird.

Das Monster wiederum besteht lange Zeit nur aus einer die Raumzeit jäh zerschneidenden Großaufnahme von blutigen Zähnen in einem klaffenden Mund. Vielleicht ist es damit ja doch irgendwie eine angemessene Personifizierung des Virus als einer die Körperzellen korrumpierenden biochemischen Struktur; Henstridge und Lambert wären dann der Impfstoff, der den Erreger durch die Blutbahnen eines maroden Organismus jagt; und der Fiebertraum von einem Film, der Ultimate Chase insgesamt ist, wäre die adäquate filmische Beschreibung eines Krankheitsprozesses, an dessen Ende, wenn alles gut läuft, nichts weiter übrig bleibt als: Antikörper.
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